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Notizen nach einem Frankfurter Messebesuch

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Der Gemischtwarenladen

Es gibt Anzeichen, dass die große Krise auch die Produzenten und Händler von Haushaltwaren erreicht hat. Wie sonst sollte man es bewerten, dass beispielsweise der rheinland-pfälzische Kochgeschirrhersteller Fissler bis Ende Mai eine nationale Topftauschaktion veranstaltet. Jeder Kunde bekommt für einen alten Kochtopf zehn Euro Gutschrift auf den Kauf eines neuen. Die Verschrottungsprämie für Altautos lässt grüßen. Was im Kfz-Handel zum Verkaufsschlager wurde, müsste doch auch bei uns zu machen sein, dachten sich die Fissler-

Marketingstrategen in Idar-Oberstein. Das Ergebnis – noch offen.

Aber auch Antworten darauf, wie und ob kleine Geschäfte dem Druck der Branchenriesen in ohnehin schwierigen Zeiten standhalten werden, steht noch in den Sternen.

Themen, die kürzlich auf dem Frankfurter Messegelände diskutiert wurden. Vom 13. bis zum 17. Februar fand dort die Ambiente 2009 statt, die weltgrößte Messe für „Dining, Giving und Living“ wie es im Branchenjargon heißt.

Andreas Langholz, Garcon-Autor und Haushaltswarenhändler, sieht den Superlativ kritisch: “Für uns Händler der Sparte Haushaltswaren gehörte diese Messe früher zum jährlichen Pflichtprogramm – Sortimentsthemen wurden definiert, Ware geblockt, Taschenrechner bemüht. Wie gesagt, das war früher. Heute ziehen sich immer mehr Aussteller zurück. Es gibt kein erkennbares Konzept mehr – die Messe ist zu einer riesigen Gemischtwarenhandlung mit Ramschtendenz geworden.

Wir suchen auf der Ambiente 2009 nach Praktischem und Nützlichem. Die Offerten Marke „keiner braucht´s, wir produzieren trotzdem“ ließen wir links liegen.

Am Stand der Güde GmbH, einer Solinger Messermanufaktur, zeigte beispielsweise die Wuppertaler Designerin Silvia Werner (www.oelberger-taschenmanufktur.com) eine pr

aktische Messerschürze, möglicherweise für Grillfreunde. Das robuste Material aus dem die Futterale gefertigt sind, stammt übrigens aus der Cabriofertigung deutscher Automobilhersteller. Sie können drei Güde-Messer aufnehmen, Edelklingen, weitgehend von Hand gefertigt. Die Popularität von trditionellem Handwerk und Wertarbeit hat die Manufaktur in einer Premiumnische überleben lassen.

Ein weiterer Messerproduzent aus Solingen, die Robert Herder GmbH (windmühlenmesser), präsentierte u.a. neue kleine Kochmesser aus Edelstahl, ausgestattet mit der Spezialität der Firma, dem sogenannten Solinger Dünnschliff. Das Ergebnis zeigt sich in einer besonderen Schärfe und Schnitthaltigkeit. Bemerkenswert: die Manufaktur gehört durch ihre Zusammenarbeit mit der Düsseldorfer Firma „Culina Japan“ und dessen Betreiber Tomoyuki Takada inzwischen in Deutschland zu den kompetentesten Unternehmen, was japanische Messer und japanische Kochzutaten betrifft. Ob Goma-Abura, naturbelassenes Sesamöl – Yuzu-Kosho, Gewürzpesto aus der Zitrusfrucht Yuzu und grünem Chillipfeffer – oder Neri-Ume, eine Würzpaste aus in Sal

z eingelegten Aprikosenpflaumen, die Solinger vertreiben die von Takada ausgewählten und importierten Waren.

Die Jenaer Trendglas GmbH erregte mit neuen Teekannen Aufsehen. Nachdem 2008 die Firma Schott die Produktion ihres hitzebeständigen Hauswirtschaftsglases eingestellt hatte, übernahm Trendglas deren Ausrüstungen. Inzwischen werden beispielsweise 14 verschiedene Teekannen gefertigt.

Praktisches und Schönes entdeckten wir auch an den kleinen Ständen der österreichischen Waldner biotech gmbH (www.waldner-biotech.at) und des italienischen Haushaltswarenherstellers Bianchi (www.bianchicasalinghi.com). Während das Unternehmen aus Lienz in Osttirol klassische Getreidemühlen und Flockenquetschen, handgefertigte Brotformen aus Peddingrohr für den Haushalt und andere Geräte rund ums Brotbacken vorstellte, präsentierten die Italiener aus dem Piemont ihre Reibenkollektion – entworfen für Leute, die den Parmigiano Reggiano nicht aus der Tüte krümeln. Beide Firmen zählen ebenso zu den Nischenanbietern wie die Albert Turk GmbH und die spanische Lékué S.L.

Das Traditionsunternehmen Turk schmiedet im sauerländischen Meinerzhagen klassische Eisenpfannen – Blini-, Brat-, Crêpe- und Servierpfannen (www.turk-metall.de). Serie 655 heißt das Highlight der Firma. Dabei handelt es sich um eine „freiform-warmgeschmiedete“ Pfanne, die seit 1857 unverändert von Hand hergestellt wird. Neu ist dagegen ein Buchprojekt – „Braten mit der Eisenpfanne“. Omas lächeln milde, die Teflon-Generation allerdings braucht solche Hilfe.

Die Haushaltwarenhersteller aus Barcelona (www.lekue.es) dagegen setzen weniger auf Tradition denn auf Innovation. Als Experten für die Verarbeitung von Silikon produzieren die 70 Mitarbeiter seit 1999 Koch- und Backformen aus diesem Material. Neu auf der Frankfurter Messe: eine praktische Dampfgarbox für Herd und Mikrowelle, die neben ihrer Funktionalität auch ein besonderes Design auszeichnet. Verantwortlich dafür ist der Industriedesigner Luki Huber, bekannt durch seine Entwürfe für die elBulli-Kollektion von Ferran Adrià.

Noch ein Blick auf die Kochbuchbranche. DT-Collection beispielsweise, ein kleines Unternehmen aus dem Allgäu (www.dt-collection.de), das neben Garten-, Reise- und Lifestyle- auch Kochbücher beinahe aller wichtigen Verlage zu Kollektionen zusammenstellt und sie Geschäften außerhalb des Buchhandels anbietet, verzeichnete gute Umsätze. Das mag einerseits am Service liegen, andererseits wohl auch am geschickten Händchen der Unternehmerin Dori Tscherwinka, die im Vorjahr übrigens als „Unternehmerin des Jahres“ ausgezeichnet wurde.

Auch hier eine Besonderheit. Seit langer Zeit legte der DT-Verlag wieder mal eine eigene Edition vor – La Grande Cucina Italiana – sechs Bände mit Rezepten und Erläuterungen italienischer Gerichte. Italienische Küche auf dem Buchmarkt ist sicher nichts neues, neu allerdings sind die verständlichen Anleitungen. Selbst für Kochanfänger ist es damit leicht, beispielsweise Vorspeisen oder Fisch-, Pasta- und Reisgerichte zu kochen.

„War Frankfurt eine Reise wert?“, fragten wir den Berliner Haushaltswarenhändler Andreas Langholz. Seine Antwort lässt tief blicken: „Wegen eines kleinen italienischen Restaurants im Bahnhofsviertel schon.“

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