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Fuhrmanns Früchtekorb – Chicorée

24.293

Als ich der Garcon-Redaktion das heutige Thema – Chicorée – vorschlug, hielt sich die Begeisterung in Grenzen. „Kauft wohl keiner“, meinte der für die Kolumne zuständige Redakteur. „Ganz im Gegenteil“, erwiderte ich und betete die jedem Gemüsegroßhändler geläufige Litanei herunter – dass Chicorée voll im kulinarischen Trend liege, kalorienarm, vitaminreich, leicht verdaulich und fast unbegrenzt einsetzbar sei. Großen Jubel löste ich auch damit nicht aus.

Den Ausschlag für einen Beitrag über das winterliche Gemüse gab schließlich ein Kochbuch, nach meiner, sicher nicht maßgeblichen Meinung, eines der kompetentesten, das ich in diesem Jahr in der Hand hatte. Hannes Finkbeiner hat es herausgegeben – sein Titel: „Kochimpuls – 30 Köche – 40 Sterne – 150 Rezepte.

Wenn man mal von der nicht sonderlich kaufanreizenden Einbandgestaltung absieht – die Porträts der Köche sind kenntnisreich, die Informationen zu den Produkten übersichtlich und die Beschreibung der Rezepte nachvollzieh- und nachkochbar.

Unter den 30 Köchen übrigens mit Stefan Hartmann (Hartmanns), Michael Kempf (Facil) und Marco Müller (Rutz Weinbar) auch drei Berliner und unter den 150 Rezepten ebenfalls immerhin drei, in denen Chicorée eine Rolle spielt.

Harald Wohlfahrt, seit 16 Jahren Deutschlands höchstbewerteter Küchenchef, steuerte sogar ein Rezept bei, in dem das Blattgemüse die Hauptrolle spielt: Chicorée mit Birnen und Spekulatiusbröseln.

Das zog schließlich, zumal der Garcon-Redaktionsleiter ein bekennender Wohlfahrt-Fan ist. So läuft das eben, dachte ich noch, manchmal machen erst große Namen einfache Dinge hoffähig.

Chicorée also, botanisch Cichorium intybus var. foliosum. Dessen lateinischer Name weist auf die Herkunft des Gemüses hin. Die Wilde Zichorie, seit Jahrhunderten in vielen Teilen Europas, Nordafrikas und Asiens verbreitet und bereits von Horatius im 1. Jahrhundert unserer Zeitrechnung als „chicorium“ beschrieben, ist sozusagen die Stammpflanze des heutigen Chicorées.

Im 18. Jahrhundert wurde die Wilde Zichorie kultiviert, ein „Wörterbuch der Landwirtschaft“ (La Chesnaye) etwa behandelte bereits 1751 deren Anbaumethoden. Die Blätter wurden zu Salat verarbeitet, die Wurzeln dienten in der Regel als Viehfutter.

Ein Zufall führte dann zur derzeit verbreiteten Chicorée-Treiberei. Im Jahr 1870 soll es gewesen sein, dass belgische Bauern nach einer übermäßig reichen Ernte von Zichorienwurzeln diese, mit Erde bedeckt, in Gewächshäusern lagerten. Die Wurzeln trieben in den Wintermonaten kräftige Knospen aus, die, infolge des Lichtmangels, bleich und zart blieben. Die Geburtsstunde des Chicorées hatte geschlagen. Seit 1883, so berichten Chronisten, wurde auf Brüsseler Märkten das Gemüse unter diesem Namen verkauft.

In Deutschland blieb es vorerst noch bei der Zichorie, obwohl sich auch hier die Treiberei entwickelte. Henriette Davidis etwa (1801 – 1876), deren „Praktisches Kochbuch für die gewöhnliche und feinere Küche“ im Bielefelder Verlag Velhagen & Klasing sagenhafte 59 Auflagen erlebte, präsentierte einen „Cichoriensalat“: „Die im Winter im Keller gewachsenen Blätter der in Erde oder Sand eingeschlagenen Cichorienwurzel werden gut gewaschen, in kleine Stückchen geschnitten und mit Öl, Essig und wenig Salz angemengt.“

Heute sind die Belgier die größten Verbraucher von Chicorée weltweit – 8,8 Kilogramm pro Kopf und Jahr. Frankreich ist der zur Zeit wichtigster Anbauer, die Niederlande stehen an erster Stelle im Chicorée-Export. 97 Prozent der Weltproduktion kommen aus diesen drei Ländern, insgesamt rund 440.000 Tonnen jährlich – Tendenz steigend.

Der Grund liegt auf der Hand. Chicorée ist kalorienarm, reich an den Vitaminen B1, B2 und C und enthält zahlreiche Mineralstoffe, etwa erhebliche Mengen Kalzium, Kalium und Folsäure. Er bindet nahrungs- und körpereigenes Cholesterin, Phosphorlipide und Glyzerin und trägt zum Aufbau einer gesunden Darmflora bei. Über seine leichten Bitterstoffe sagt der beste deutsche Koch, Harald Wohlfahrt: „Man muss die Produkte lieben, wie die Natur sie geschaffen hat. Umso öfter man sie probiert, umso mehr lernt man zum Beispiel auch die Bitterkeit des Chicorées zu schätzen.“

Beim Kauf sollten die Chicoréeblätter fest verschlossen, weiß und lediglich an den Spitzen hellgelb sein. Wir empfehlen, Chicorée dunkel aufzubewahren – im Kühlschrank hält er sich rund eine Woche.

Zum Schluss noch zwei Tipps für die Verarbeitung: Muskatnuss und Sesamkörner bringen den typischen Chicorée -Geschmack voll zur Geltung, ein paar Spritzer Zitronensaft im Kochwasser erhalten die weiße Blattfarbe.

Zum Zweiten: eiserne Töpfe oder Pfannen sollten bei der Chicorée -Zubereitung tabu sein – darin verfärbt sich das Gemüse schwarz.

Wir verkaufen übrigens weißen Chicorée, vorwiegend aus Belgien und roten, eine Kreuzung aus Chicorée und Radicchio rosso, der aus Holland stammt. Ich persönlich bevorzuge das knackig-frische, feinaromatische Blattgemüse am liebsten roh als Salat und gegart in Verbindung mit Fisch.

www.dieter-fuhrmann.de

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