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Der feine Franzose

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Es ist schon etliche Jahre her, da hat mich Jérôme Gauliard mal in die Geheimnisse der Herstellung des Dijon-Senfes eingeweiht. Später gab er mir Tipps für eine kulinarische Provence-Reise, erzählte von Maurice Melchio, der in Banon sagenhaft gute Wurst macht und von einer legendären Marmeladenmanufaktur in Robion. Gauliard war damals, Ende der 1990er, Chef der Feinkostabteilung in den Galeries Lafayette und einer der kompetentesten Auskenner in Sachen französische Delikatessen. Irgendwann meldete er sich unter seiner Nummer nicht mehr, wir verloren uns aus den Augen.

Nun war eine Einladung im Briefkasten. „Tradition modern genießen“, hieß es da. Jérôme Gauliard bat am 1. Dezember zur Eröffnung des Feinschmecker-Boulevards im Hamburger Alsterhaus. Das Kaufhaus an der Binnenalster, einem See mitten in der Hansestadt, gehört zu den wichtigsten Orten Hamburger Handelstradition.

Im April 1912 als „Warenhaus Hermann Tietz“ eröffnet, bot es damals auf 5.200 Quadratmetern Grundfläche neben Mode, Schuhen und Accessoires auch schon Lebensmittel in einer Auswahl, die selbst für Hamburg ein Novum darstellte.

Nach dem II. Weltkrieg, den des Haus fast unzerstört überstand, mehrfach umgebaut, wurde es jetzt einer Generalverjüngung unterzogen, deren wichtigster Bestandteil wohl der neue Feinschmeckerboulevard ist.

Jérôme Gauliard hat das Delikatessenparadies konzipiert, Vorstand und Verwalter des insolventen Karstadt-Konzerns, zu dem das Alsterhaus gehört, von seinen Ideen überzeugt, Mieter gesucht, mit Architekten gestritten und schließlich eine dreitägige Eröffnungsparty organisiert.

Gauliard, 1965 in Cannes geboren und Absolvent der Hotelfachschulen von Paris und Lausanne, kam 1997 nach Berlin und leitete hier zehn Jahre lang Lafayette Gourmet, den Delikatessenkeller des Nobelkaufhauses in der Friedrichstraße.

2007 wechselte Gauliard, inzwischen im brandenburgischen Wildenbruch zu Hause und mit einer Berliner Ärztin verheiratet, ins KaDeWe. Der Feinkostspezialist ist für die Delikatessenabteilung ebenso zuständig wie für die im Hamburger Alsterhaus und im Münchner Oberbollinger – die drei Filetstücke des Karstadt-Konzerns.

Wir bieten hier Genuss als Erlebnis an“, erklärt Gauliard sein Konzept für den Gourmet-Treffpunkt in der 4. Etage des Alsterhauses. Der 45-jährige Franzose hat die Manager von über zwanzig renommierten nationalen und internationalen Feinkostmarken bewogen, eigene Shops zu übernehmen, zu betreiben und damit auch das geschäftliche Risiko teiweise gemeinsam zu tragen. Sven Zahn, Geschäftsführer des Alsterhauses erläutert: „Tradierte Verkaufsmechanismen werden für den Kunden immer unattraktiver. Es reicht schon lange nicht mehr, nur das richtige Produkt zum richtigen Preis anzubieten. Es gilt vielmehr, alle Sinne des Kunden neu anzusprechen. So wird Einkaufen im ursprünglichsten Sinn des Wortes wieder zu einem Genuss.“

Jérôme Gauliard zeigt, was damit gemeint ist. Der Profi für feine Kost, dessen Markenzeichen Klamotten mit dem gleichen Attribut sind, führt durch das neue Reich.

Die Seafood Bar von Caviar House & Prunier – ein erprobtes Gastronomiekonzept, seit Jahren etwa in Kopenhagen, London und Paris erfolgreich. Im Angebot fünf verschiedene Austernsorten – drei aus Frankreich, dazu die Sylter Royal und die Irische Felsenauster – die Probierpreise pro Stück liegen zwischen 2,30 und 3,50 Euro. Es gibt den berühmten Balik-Lachs, in den Schweizer Bergen nach einem alten russischen Rezept geräuchert und natürlich Kaviar – Luxus pur. Eine ältere Dame zückt die Kreditkarte – Héritage, 280 Euro die 50-Gramm-Dose, das Beste, was die Manufaktur zu bieten hat.

Auch eine Ecke weiter wird Französisch gesprochen. „Bonjour – Comment ca va? Merci, je vais très bien.” Mariage Fréres last grüßen. Sieben eng bedruckte Seiten offerieren, was die Hamburger Filiale des 1854 in Paris gegründeten Teehauses zu bieten hat. Kenner geraten in Verzückung: Brumes d’Himalaya steht da, 100 Gramm für 120 Euro – Gyokuro aus Japan, 100 Gramm für 70 Euro. Ich gehöre nicht zu den Kennern und probiere französischen Frühstückstee, mit 7,70 Euro pro 100 Gramm eine der preiswerteren Sorten.

Die dritte Station ist ebenfalls eine Gourmet-Institution: Maison de la Truffe, das Haus der Trüffel. Auch hier können die Kunden kosten und kaufen. „Produkte ohne klares Konzept“, sagt Jérôme Gauliard, „werden sich in Zukunft nur noch schwer an die Frau oder den Mann bringen lassen.“

Besonders stolz ist er, dass Deutschlands bekannteste Strandbar, die Sylter Sansibar, im Alsterhaus eine Dependance eröffnen wird. Das riecht kräftig nach Kultfaktor. Nicht schlecht, Herr Specht.

Das hanseatische Element im Marken-Mix steuern Peter Oschätzchen (Feines und Seltenes für Gaumen und Sinne), Yoko Higashi (Japanrestaurant Shiawase) und Hannelore Nägele (Fromagerie & Bistro) bei – alle drei sind seit Jahren feste Größen am Hamburger Feinkostmarkt.

Ebenso übrigens wie ein mittelständisches Berliner Traditionsunternehmen, das im Alsterhaus auf über 200 Quadratmetern sein komplettes Sortiment offeriert – die Rede ist von Lindner Feinkost.

Claudia Mehrl, gelernte Werbekauffrau, studierte Marketingexpertin und in der Firmenzentrale am Lichterfelder Ostpreußendamm für die Produktentwicklung zuständig, zählt auf, was Lindner bietet: „120 Wurst- und Schinkenspezialitäten, 90 Feinkostsalate, 80 Brot- und Brötchensorten und über 170 Confiserie- oder Konditoreiprodukte.“

Was vor 58 Jahren mit einem Stand auf dem Schmargendorfer Wochenmarkt begann, mauserte sich zu einem kleinen Delikatessen-Imperium, das inzwischen 600 Mitarbeiter beschäftigt und 48 Feinkostgeschäfte betreibt. Claudia Mehrl: „Trotz Krise steigt der Umsatz. Das liegt sicher auch daran, dass wir vom reinen Händler Schritt für Schritt den Weg zum Produzenten gehen. Über 50 Prozent unseres Umsatzes realisieren wir bereits mit eigenen Produkten.“

Jérôme Gauliard testet einen Garnelensalat mit Wasabi. „Lecker“, lobt er. „Berlin grüßt Hamburg.“, erwidert Claudia Mehrl.

www.alsterhaus.de

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