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90 Jahre Welifa – Ein Berliner Traditionsunternehmen

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Thorsten Boss ist ein Sohn aus gutem Hause. Jahrgang 1964, aufgewachsen im noblen Dahlem, Abitur am altsprachlichen Arndt-Gymnasium, Informatikstudium an der Technischen Universität.„Mit legalem Drogenhandel wollte ich partout nichts zu tun haben“, sagt er. Doch wie das Leben so spielt, 2004 übernimmt er die 1919 von seinem Großvater und dessen Bruder gegründete Firma und wird Getränkegroßhändler. „Die familiäre Tradition fortzuführen, gehört zur unternehmerischen Verantwortung“, erläutert Thorsten Boss und zeigt ein vergilbtes postkartengroßes Foto.

Darauf ein Geschäft, zwei Schaufenster in der Neuköllner Sonnenallee, vor der Tür der stolze Inhaber. Darüber, bereits beleuchtet, ein riesiges Ladenschild. Links zwei hölzerne Fässer mit den Aufschriften Jamaica-Rum und Weinbrand, rechts ebenfalls zwei, auf denen Malaga und Tarragona steht – Indiz dafür, dass hier offenbar spanische Weine besonders hoch im Kurs standen. Dazwischen die meterhohe Schrift Welifa. Das Kürzel stand für Webers Likör-Fabrik. Der Name blieb – auch, als Welifa keine Liköre mehr produzierte. Im Dezember 2009 feierte das Unternehmen seinen 90. Geburtstag.

Anfang Dezember 1919 gründete der Berliner Kaufmann Hermann Weber in der Neuköllner Kaiser-Friedrich-Straße einen Sprit-Handel. Sein Bruder Heinrich wurde Geschäftsführer. Zehn Jahre später, am 7. Dezember 1929, eröffnete Heinrich Weber gemeinsam mit Adolf, dem dritten Weber-Bruder, in der inzwischen in Sonnenallee umbenannten Straße die Welifa-Likörfabrik und Weingroßhandlung. Bereits nach einem Jahr allerdings gingen die Brüder geschäftlich getrennte Wege. Heinrich Weber blieb der Welifa-Mann und machte aus dem kleinen Laden ein florierendes Unternehmen.

„Vor dem Krieg war Berlin auch die Hauptstadt der Spirituosenindustrie“, erklärte vor Jahren einmal Heinz Zellermayer, inzwischen 94 und ein gastronomisches Berliner Urgestein. Die Branche zählte Mitte der 1930er Jahre 448 Spirituosenfirmen, 180 Weingroßhandlungen und über 5000 Beschäftigte. Die Likörfabrik Welifa Berlin-Neukölln gehörte zu dieser Zeit neben Mampe, Fugger, Haase und Martin zu den bekanntesten Herstellern mehr oder weniger hochprozentiger Getränke.

Was nach dem II. Weltkrieg davon noch geblieben war, beschrieb Zellermayer, damals Hotelier in Charlottenburg, so: „Es war ein Torso zweier einst blühender Gewerbe, die im Wirtschaftsleben Berlins einmal eine bedeutende Rolle gespielt hatten.“ Auch die Welifa-Likörfabrik war geplündert und verwüstet, doch Heinrich Weber wagte den Neuanfang. Bereits im Juli 1945 füllte er Weine im Auftrag der französischen Besatzungsmacht ab. Ein paar Wochen später wurde das Ladengeschäft neu eröffnet und der Großhandel angekurbelt.

Auf der Deutschen Gastwirts- und Konditorenmesse, die im Mai 1951 zum ersten Mal seit Kriegsende in Berlin stattfand, präsentierten sich bereits wieder rund 200 Likörhersteller, darunter auch Welifa. „Die Branche verbraucht zurzeit monatlich durchschnittlich 170 000 bis 180 000 Liter Sprit und gibt mit dem Weingroßhandel zusammen fast 2000 Menschen Arbeit und Brot. Darüber hinaus versorgen diese beiden Gewerbe zahlreiche andere Industrien mit Aufträgen, wie z. B. die Flaschen-, Korken- und Kapselindustrie, das Druck- und Papiergewerbe, die Maschinenfabriken, das Böttcher- und Küferhandwerk usw.“

Die Kenner der Szene konstatierten allerdings nicht nur deren rasante Entwicklung, sondern auch einen immer härteren Konkurrenzkampf und eine, wie es Anfang der 1950er hieß, „zum Teil an Selbstmord grenzende Preisschleuderei“. Die Konsequenzen ließen nicht lange auf sich warten. Dutzende der winzigen Hinterhof-Manufakturen mussten in den folgenden Jahrzehnten schließen.

In dieser wirtschaftlich schwierigen Zeit starb Welifa-Gründer Heinrich Weber. Dessen Tochter Liselotte Weber, später verheiratete Boss, übernahm 1957 die Firma. Sie belieferte die ersten Westberliner Discounter, erweiterte das Sortiment um Flaschenbier und alkoholfreie Getränke, forcierte die Partnerschaften mit der Industrie, entdeckte erfolgversprechende Marktnischen etwa in der Tex-Mex-Gastronomie und bot so denBranchenriesen im Wettbewerb die Stirn.

1994 wurde die Eigenproduktion von Spirituosen eingestellt, spezialisierte Hersteller konnten das kostengünstiger. Liselotte Boss und ihre Mitarbeiter passten sich den Erfordernissen des Marktes an und reagierten auf die sich verändernden Trinkgewohnheiten. Der Verkauf von Fassbier und Gastrozubehör begann nach dem Umzug des Unternehmens von Neukölln nach Tiergarten. Hier, in der Sickingenstraße, wurde das neue Zentrallager gebaut – 8 000 Quadratmeter Freifläche, dazu eine 4 500-Qadratmeter-Halle.

Auch der Name veränderte sich. Seit 2005 heißt die Firma Welifa Getränkegroßhandlung GmbH & Co. KG. „Trotz dieser Veränderungen bleiben wir ein klassisches Familienunternehmen mit traditioneller Kompetenz.“, auf diese Formulierung legt Thorsten Boss wert. Er sitzt seit 2004 bei Welifa auf dem Chefsessel. Nebenbei erwähnt Boss noch, dass auch die Wurzeln eines zweiten regionalen Unternehmens seiner Branche bei Welifa liegen: „1946 ging Helmut Löffelsend, ein ehemaliger Vertreter seines Großvaters, mit dessen Unterstützung seine ersten Schritte in die Selbständigkeit. Im Welifa-Keller füllte er in Konzession Liköre ab.“

Es folgen die unvermeidlichen Zahlen: 45 Mitarbeiter, über 5 000 Spirituosen im Angebot, insgesamt 10 000 Artikel, Kunden in Berlin sind sowohl Luxushotel als auch Eckkneipen, Kioske und Tankstellen. „Unsere besondere Aufmerksamkeit gilt den vielen Bars und Clubs der Stadt, immerhin ist Berlin die europäische Hauptstadt des Nachtlebens.“, fügt Thomas Raffenberg hinzu. Raffenberg, seit Anfang 2009 Welifa-Verkaufsleiter, nennt Bohannon, den Club am Alexanderplatz, dessen regelmäßige HipHop-History-Partys legendär sind; Icon, den Club in der Cantianstraße, in dem sich die Drum’n’Bass-Freaks treffen; den Bassy Cowboy Club, der in der Szene als der Country-Wildstyle-Laden schlechthin gilt.

Der Fachmann staunt der Laie wundert sich, denn der 42-jährige Westfale wirkt nun wirklich nicht wie ein Clubgänger. Raffenberg war Fernmeldeoffizier, hat in München an der Bundeswehruniversität Staats- und Sozialwissenschaften studiert und später als Manager in Deutschland und Österreich für Firmen der Lebensmittelbranche gearbeitet. Sein Motto: Wer was verkaufen will, muss den Kunden kennen. Das sieht sein Schreibtischnachbar nicht anders. Martin Sperling ist ein alter Bekannter. Er war Sommelier im Margaux, im VAU, in der Weinbar Rutz und im Restaurant Hartmanns. Seit August 2009 ist der 26-Jährige für Welifa tätig – als Weinfachberater Hotellerie.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

„Wir haben ein völlig neues Sortiment mit dem Schwerpunkt Deutschland zusammengestellt“, erklärt Sperling. Er zeigt seinen Katalog: das Weingut Stigler vom Kaiserstuhl, das Würzburger Weingut Juliusspital, das Weingut Diel von der Nahe, aus der Pfalz das Weingut Rings, von der Saar das Weingut Othegraven. Die Mosel ist mit dem Weingut Dr. Loosen, Sachsen mit Schloss Proschwitz und Württemberg mit dem Weingut Drautz-Able vertreten. Insgesamt 42 gute deutsche Adressen hat Sperling im Boot, dazu Frankreich, Italien, Österreich, Spanien und Übersee – Argentinien, Australien, Chile, Südafrika. Eine kenntnisreiche Auswahl, der Profi lässt grüßen.

Holger Wicke, seit April 2009 Welifa-Geschäftsführer, legt Wert darauf, dass das Unternehmen nicht nur als Spirituosen- und Weinhändler gesehen wird. Der Kaufmann, der ein halbes Leben in der Getränkebranche tätig ist, erläutert: „Wir sind Komplettanbieter für die Gastronomie und Hotellerie. Das heißt, wir haben beispielsweise auch Gläser, Dekantiergefäße und Karaffen im Angebot. Wir verleihen Kühl- und Schankwagen, Bänke, Tische, Tresen, Pavillons und Zapftechnik. Wir beraten Existenzgründer in den Branchen, die wir bedienen und wir können auch finanziell unterstützen.“

„Geht nicht“, „kenn´ich nicht“, „ham´wir nicht“ – die Schlüsselworte des deutschen Dienstleistungsgewerbes, sind bei Welifa tabu. Wicke gibt Gas: „Wir können alles.“ Offenbar ist das die Chance des Mittelständlers. „Wir sind Partner der Gastronomen. Wir schauen den Kunden in die Augen, wir machen eine Vereinbarung, wir halten sie.“ Das heißt schlicht Zuverlässigkeit.

Das riecht zwar alles nach Werbespruch, aber Bahan Memedor, der vor ein paar Tagen nahe der Friedrichstraße eine neue Bar eröffnet hat oder Andreas Lochner, der seit Jahren ein guter Welifa-Kunde ist bestätigen das ebenso wie die Manager des Wintergartens an der Potsdamer Straße. Wer mit Welifa Geschäfte macht, weiß, woran er ist. Herzlichen Glückwunsch zum 90.!!! Mit drei Ausrufezeichen.

Welifa GmbH & Co Kg

Sickingenstraße 9
Tel.: 030 – 61 39 500
www.welifa.info

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