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Schweinerei – Interview mit Wolfgang Müller

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Wolfgang Müller, geboren 1964 in Lindenberg/Allgäu absolvierte eine Metzger- und eine Kochlehre. Nach dem Abschluss als Küchenmeister war er vier Jahre Sous Chef und genauso lange Küchenchef im Restaurant „Imperial“ des Schlosshotels Bühlerhöhe. Dort erkochte er zwei Michelinsterne. Seit 1999 in Berlin, ein Jahr später erneut Michelin-Ehren im Adermann. Von 2005 bis 2009 Küchenchef Küchenchef im Restaurant Horvàth. Geflügel-Grillweltmeister.

Wie sind Sie auf das Schwein gekommen?
Zuerst: Schweinefleisch ist das meistgekaufte und zubereitete Fleisch in Deutschland. Der jährliche Pro-Kopf-Verbrauch liegt bei 39 Kilogramm, bei Geflügel z. B. nur bei rund 11 Kilogramm. Zweitens gehört das Schwein wie kein anderes Tier zur kulinarischen Tradition und Kultur unseres Landes – ja, und dann bin ich außer Koch auch Metzger von Beruf, habe selbst Schweine gehalten, geschlachtet und verarbeitet.

Andererseits ist Schweinefleisch nirgendwo so günstig, aber auch nirgendwo so minderwertig wie in Deutschland…
Im Großen und Ganzen stimmt das. 99 Prozent des hierzulande gehandelten Schweinefleisches kommt aus der Turbomast. Das ist wie beim Bodybuilding, Sojaschrot und Aminosäuren übernehmen in der Schweinemast die Rolle der muskelmachenden Anabolika. Das Ziel: schnelle Gewichtszunahme und möglichst magere Fleischberge. Ein Kotelett aus der Turbomast z. B. hat im schieren Muskelfleisch nur noch ein Gramm Fett – kein Wunder, dass es beim Braten schnell trocken wird. Das hat mit Fleischqualität nun nichts, aber auch gar nichts mehr zu tun. Das ist Fleisch vom Fließband.

Welche Alternativen hat der Verbraucher denn?
Erstmal bedarf es der eigenen Einsicht. Ich sag’s mal so: In das Auto muss das beste Öl, aber der eigene Motor, der Körper, soll mit dem größten Dreck funktionieren. Also plädiere ich für mehr Aufklärung, am besten schon im Kindesalter. Wer sich mehr mit den Lebensmitteln beschäftigt, wird sich und seiner Familie weniger Ramsch auf dem Teller zumuten. Mit meinem Buch will ich einen kleinen Beitrag dazu leisten.

Also dann, bitte ein paar Tipps!
Im Supermarkt gilt: billig, billiger, am billigsten. Da kann die kleinste Metzgerei nicht mithalten. Dafür weiß man dort allerdings genau über das Produkt, seine Herkunft und seine Besonderheiten Bescheid. Also, suchen Sie sich den Metzger Ihres Vertrauens. Und: Prüfen Sie die Ware! Das Fett sollte fest und nicht schwabbelig sein, nussig und nicht säuerlich riechen. Außerdem besteht das Schwein nicht nur aus Eisbein, Filet und Schnitzel. Mein Buch enthält einen großen Rezeptteil, mit dem ich zeigen will, was man allesmachen kann: Terrine von Schweinebacken zum Beispiel oder glaciertes Schweineherz. Auch hausgemachte Leberwurst etwa ist was völlig anderes als Billigwurst in Plastikdarm.

Ihr Lieblingsschwein?
Ich will das mal nicht auf eine Rasse begrenzen. Natürlich das frei laufende spanische Ibérico-Schwein, das ungarische Mangalitza, das Angler Sattelschwein, das Bunte Bentheimer. Und das Havelländer Bio-Apfelschwein, das Peter de Fries auf seinem Hof im brandenburgischen Schmergow mästet, artgerecht und ohne Soja, dafür mit Apfeltrester-Zufütterung.

Alle diese Rassen werden in Ihrem Buch beschrieben. Was fehlt, ist das Saalower Kräuterschwein. Weshalb?
Sicher ist das Saalower Kräuterschwein eine viel verarbeitete regionale Spezialität. Auch ich hatte das Fleisch jahrelang in der Pfanne. Nachdem ich allerdings die Bedingungen gesehen habe, unter denen die Tiere gehalten werden und die schon stark an industrielle Landwirtschaft erinnern, habe ich mich entschlossen, diese Rasse nicht in mein Buch aufzunehmen.

Schwein – Das große Kochbuch

UMSCHAU Buchverlag
39,90 Euro
ISBN: 978-3-86528-706-9

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