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Küchentattoos – Wenn die Liebe zum Kochen unter die Haut geht

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Signature-Hautschmuck der kochenden Zunft!

Fußballstars haben´s gern opulent, Rockstars tun es sowieso und Köche neuerdings auch – immer öfter. Tätowierungen sind an der Tagesordnung und transportieren das Gefühl von Selbstbestimmtheit und Freiheit.
Sie erinnern daran, wofür man lebt und wofür das Herz schlägt. Sie sind Ausdruck von Verehrung und Treue, demonstrieren Charakter, Zugehörigkeit und Persönlichkeit. Während erstgenannte Berufsgruppen ihre Körper eher aus Image- und statusbedingter Vorzeigelust verzieren, tätowiert sich die Kochzunft vor allem aus Liebe zum Beruf und ganz im Stillen. Die Entscheidung für einen Hautschmuck auf Lebzeit fällt bei Köchen nicht, um nach außen aufzufallen. Im Gegenteil. Ihr Tun bietet wenig Gelegenheit, sich unter Publikumsapplaus textilfrei am Arbeitsplatz zu präsentieren. Dieser ist kein Konzertsaal oder Stadion und hat kaum Ähnlichkeit mit der glanzvoll inszenierten Fernsehküche, in der sich sternedekorierte Kollegen für ein gelungenes Sößchen beklatschen lassen.

Der Beruf des Kochs bleibt trotz seines vermeintlichen Statuswandels samt Verheißung ruhmreicher Blitzkarrieren ein Höllenjob, der gut überlegt sein will: Sechs Tage die Woche bis zu 16 Stunden täglich im Akkord bei Kunstlicht und schweißtreibender Hitze zwischen spritzenden Pfannen, dampfenden Töpfen und hackenden Messern herumhasten. Raue Hände, fettige Haare und fahle Haut, Brandblasen und Schnittwunden in Kauf nehmen. Permanente Schlafdefizite und unbezahlte Überstunden ignorieren.

Aus ewiger Liebe für ein höllischen Job

Ein Küchenchef, der sich „Hell s Kitchen“ als Credo in den Unterarm tätowiert, kennt diese Hölle nicht nur aus dem ff, sondern ist ihr hoffnungslos verfallen. Nicht unbedingt wegen der vielen Torturen, die es in einer Küche tagtäglich zu meistern gilt und die einem Profikoch zwangsläufig auch die Kondition und Fitness eines Kampfsportlers abverlangen.

In jedem Fall aber, weil er sich zeitlebens nichts Erfüllenderes mehr vorstellen kann, als für andere zu kochen. Sein Tattoo ist eine stolze und ehrwürdige Liebeserklärung an ein Handwerk, das er als Mission und Berufung empfindet.
Eine Hommage an die kochende Zunft, der er sich zeitlebens mit Leib und Seele verschrieben hat. Sich permanent zwischen Speisen und Lebensmitteln zu bewegen, um für das leibliche Wohl fremder Menschen Sorge tragen zu dürfen, scheint der nicht jedermann nachvollziehbare Schlüsselreiz für das Berufsleben in einer Restaurantküche zu sein. Die Liebe zum Kulinarischen kann dabei soweit führen, dass sich manche Jungköche nicht mehr nur für die Küche berufen, sondern gar zum Kochen geboren fühlen und dies auch stolz auf ihrer Haut bekunden: „Born to cook“ prangt da unter einem Kochmützen-Tattoo auf einem vom vielen Pfannenwenden gestählten Bizeps und macht die persönliche Mission seines Besitzers mehr als deutlich: Leben, um zu kochen – ich koche, also bin ich.

Der nadelgestochene Schrei nach Freiheit

Selbstverwirklichung auf kleiner gekachelter Bühne zwischen Herd und Passage. Wo andere viele Interessen und Ventile haben, konzentrieren Profiköche alles auf einen Raum. Lange vorbei die Zeiten, in denen man aus beruflicher Verlegenheit oder mangelnder Eignung für anderes zum Kochlöffel griff. Wer sich heute mit Leib und Seele für einen Beruf in der Küche entscheidet, tut dies aus Leidenschaft und Überzeugung, dass nötige Talent mitzubringen. Nicht nur Gaumenfreude, handwerkliches Können und Phantasie, sondern auch Schnelligkeit, Ausdauer und Kraft sind gefragt. Profikochen ist Life-Hippness unter körperlicher Hochleistung – wer zu schwach und zu langsam ist, verliert. Aber in einer Welt zu bestehen, in der Hauben und Sternehimmel frohlocken, ist Bestätigung pur und bedeutet angekommen zu sein. So wird die Küche zu einem Ort unvergleichlich intensiven Lebensgefühls.

Und das Glück, in ihr zuhause zu sein, wird voller Selbstbewußtsein demonstriert: mit einem nadelgestochenen Bildnis auf der Haut, das auch als Trostpflaster funktioniert, wenn´s im Leben draußen mal nicht so gut läuft. Natürlich gibt es auch extreme Kuriositäten in den Tattoowelten der Speisegastronomie, die verdeutlichen, wie schmal der Grat zwischen selbstloser Liebe für den Beruf und beruflicher Besessenheit sein kann.

Herd und Schneebesen statt Anker und Arschgeweih?

So hat sich die Küchenchefin eines amerikanischen Nobelhotels die konzentrischen Kreise zum Abmessen von Tee- und Esslöffelmengen auf die Innenflächen ihrer Hände stechen lassen.
Und ein englischer TopSommelier soll sich einst die gesamte Weinkarte seines Restaurants auf die Brust tätowiert haben, um die erlesenen Tropfen seiner Wirkungsstätte lebenslang am Herzen tragen zu können. Über solche Art von Huldigungen in Tattooform ist zumindest bei Berliner Köchen noch nichts bekannt. Hingegen schon, dass es längst nicht nur einzelne Küchengegenstände als Hautschmuckmotiv sein müssen, sondern gern auch eine komplette Küche sein kann: Wenn sich ein junger Souschef ein altertümliches Küchenszenario mit Ofen, Pfannen und Speisen in der Größe eines Schallplattencovers aufs Wadenbein tätowieren lässt, erhebt er sich garantiert über jeden Zweifel, es mit der Wahl seines Berufs nicht ernst gemeint zu haben. Ein solches Tattoo ist eigentlich nicht mehr zu toppen.

Es sei denn, ein Koch würde sich im Eifer seiner täglich wechselnden Speisekreationen für eine „Ganzkörperrezeptur“ entscheiden, um alle jemals verwendeten Zutaten auf seiner Haut zu verewigen. Bislang setzt die junge Kochzunft eher auf beschaulichere Tattoo-Motive in zeitloser Perfektion: Früchte, Gemüse,  Törtchen, Schneebesen, Messer.Was von der Schulter bis zum Fuß stolz auf der Haut getragen wird, sind vertraute Dinge aus dem Küchenalltag. Bewusst gewählter Körperschmuck, der niemals Gefahr läuft, später mal zu einer Jugendsünde wie Anker, Kussmund oder Arschgeweih zu werden, sondern zeitlebens eines bleibt: Ein Küchenkleinkunstwerk aus ewiger Liebe zum Kochen.

Autor: Mike Draegert

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