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Fuhrmanns Früchtekorb – Rote Bete

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Zu den schönsten Obst- und Gemüsebüchern die ich kenne, gehört der Nachdruck eines prächtigen Mappenwerkes, das 1876 in Erfurt erschien. Sein Titel: „Das Album Benary/Alte Gemüsesorten“ (Reprint: Manuscriptum Verlagsbuchhandlung Thomas Hoof KG, Waltrop und Leipzig, 3. Auflage 2004). Eine der 36 Tafeln trägt die Überschrift „Salat-Rüben oder Beete“. Darauf abgebildet sind sechs verschiedene Sorten Rote Bete, darunter die „Rothe rauhhäutige Crapaudine“, die „Dunkelrothe plattrunde aus Egypten“ und die „Erfurter schwarzrothe lange dunkellaubige“. Das sind Sorten, die, soweit ich weiß, bestenfalls noch bei Kleingärtnern eine Rolle spielen. Die Ursache sehe ich einerseits im geringen Ertrag der alten Sorten gegenüber den heute bevorzugten Formanova, Forono oder der Roten Kugel, andererseits ist es auch eine Tatsache, dass das Wintergemüse jahrelang weder in den heimischen Küchen noch in der Gastronomie von besonderer Bedeutung war.

Das hat sich geändert, seit deutsche Spitzenköche vor einigen Jahren auf den Geschmack kamen.
Harald Wohlfahrt etwa, auch in diesem Jahr Nummer Eins unter Deutschlands Köchen, serviert in seiner Baiersbronner Schwarzwaldstube eine in Olivenöl confierte Heilbuttschnitte mit einer milden Meerrettichemulsion, darin Seegras, Silberzwiebeln und glasierte Rote Bete. Oder Thomas Bühner im Osnabrücker La View. Der Drei-Sterne-Koch bringt Rehrückenfilet mit einem Dreierlei aus der Boudin Noir, geräuchertem Ochsenmark, Räucherbutter-Polenta, ebenfalls rauchigem Provolone-Käse, sowie Artischocken, Dicken Bohnen und Roter Bete auf die Teller.

Und natürlich gibt es auch in Berlin etliche Beispiele für den intelligenten Einsatz des Wurzelgemüses. Matthias Diether vom First Floor kombiniert Taube mit Gänseleber und kandierten Nüssen mit Gelber und Roter Bete; Bieberbau-Chef Stephan Garkisch Königsberger Klopse und rosa gebratene Kalbshüfte mit Austernkraut, Sellerie und gebackener Roter Bete. Und bei Thomas Kurt im e.t.a. hoffmann schließlich gibt`s den Klassiker schlechthin: Kabeljau mit krossem Schweinebauch, Crèmespinat, Blumenkohl und Roter Bete.

Wer es traditioneller liebt, schaut in die osteuropäischen Küchen, in denen Rote Bete zu den wichtigsten Ingredienzen gehören – das wahrscheinlich bekannteste Beispiel ist der ukrainisch-russische Borschtsch.

Übrigens: Die gesamte kalte Jahreszeit hindurch versorgt uns das Knollengemüse, das seine Farbe dem hohen Anteil an Betanin verdankt, mit dem Provitamin A, den Vitaminen der B-Gruppe, Kalium, Calcium, Eisen und vor allem mit Folsäure. Rote Bete mit ihrem geschmacklich ausgewogenen Zucker-Säure-Verhältnis ist also auch ein außerordentlich gesundes Gemüse. Zum Schluss noch eine Frage:
Kennen Sie Bloody Beete? Nein? Na dann, folgen Sie mir unauffällig nach Schöneberg, in die Gleditschstraße. Dort gibt es eine Bar mit Café oder, wenn Sie wollen, ein Café mit Bar.

Der Name der kleinen Kneipe: „Rote Beete“. Kein Wunder, dass man hier statt Bloody Mary eben Bloody Beete serviert, statt Tomaten- also Rote-Beete-Saft. Der Rest entspricht der Zutatenliste des Cocktail-Klassikers: Wodka, Zitrone, Tabasco, Worchestersauce, Salz, Pfeffer.
Der blutrote Wodkasaft – manche behaupten er sei ein wirkungsvoller Katertrunk – ist sicher die eigenwilligste Möglichkeit der Verarbeitung der roten Rüben.

 

www.dieter-fuhrmann.de

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