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WeihnachtsZauber Gendarmenmarkt

11.213

Ein kulinarisches Gespräch mit Helmut Russ

Wann haben Sie eigentlich Ihren ersten Weihnachtsmarkt veranstaltet?
1979, bei mir zu Hause in Wattenbek, der Ort liegt ungefähr 20 Kilometer südlich von Kiel.

Wie kamen Sie nach Berlin?
Sie meinen zum WeihnachtsZauber auf dem Gendarmenmarkt?

Ja, natürlich.
Auch das ist einfach beantwortet. Es gab 2002 eine bundesweite Ausschreibung für diesen Weihnachtsmarkt, und unser Konzept bekam den Zuschlag.

Wie haben Sie damals den gastronomischen Teil Ihres Konzepts formuliert?
Nicht anders als heute. Weg von der, wenn Sie so wollen, normalen Marktversorgung mit Ihren Schnellgerichten, hin zu einer Wohlfühlgastronomie mit kulinarisch anspruchsvollen Angeboten.

Und dafür haben Sie 2002 sofort Partner in Berlin gefunden?
Natürlich gab es Skeptiker unter den Berliner Gastronomen, aber es gab auch etliche, die es für möglich hielten, auf einem Weihnachtsmarkt mehr als Chinapfanne und Currywurst zu verkaufen.

Wer waren denn die Vorkocher?
Beim ersten WeihnachtsZauber 2003 waren Hartmut Guy, damals noch im Restaurant Guy und Josef Laggner vom Lutter & Wegner mit im Boot und betrieben hier weihnachtliche Dependancen mit besonderen Angeboten. Das Hilton-Hotel war dabei und übrigens auch darüber hinaus ein großartiger Unterstützer unseres Projektes. Die damalige Generaldirektorin Gundi Katzenberger hat mir zum BeispiGendarmenmarkel unbürokratisch ein Zimmer zur Verfügung gestellt, damit ich in der Nähe des Marktes arbeiten konnte und ein Bett für die Nacht hatte.

Inzwischen haben Sie aber in Berlin eine eigene Wohnung…
Ja natürlich, ich lebe mit meiner Frau und den Kindern aus unseren ersten Ehen in Mitte und, lassen Sie mich das noch sagen, ich fühle mich wahnsinnig wohl in der Stadt. Anders als etwa in München werden sie in Berlin, wenn sie sich engagieren, schnell und vorurteilsfrei aufgenommen. Also, ich bin inzwischen auch ein Berliner.

Ihre kulinarische Sozialisation fand aber in Schleswig-Holstein statt?
Und wie. Meine Großmutter Luise war Köchin von Beruf, stand 1912 sogar mal in Diensten eines preußischen Prinzen, und meine Mutter hat von ihr das Talent geerbt, selbst aus einfachen Zutaten schmackhafte Gerichte zuzubereiten. Norddeutsche Klassiker spielten natürlich die Hauptrollen:  Aal in Sauer, Kartoffelsuppe mit Mettwurst, Sauerfleisch oder Matjes mit Bratkartoffeln und natürlich Grünkohl, mit viel Fett gekocht. Das war dann nicht so ganz mein Ding.

Einwurf Franz  Raneburger:
Grünkohl geht natürlich auch anders. Ich blanchiere ihn nur ganz kurz, schwenke ihn in glasigen Zwiebeln und ausgelassenem Speck an und würze ihn. Dadurch behält der Grünkohl seine Farbe, seine Inhaltsstoffe und vor allem, seinen typischen Geschmack.

Danke für den Tipp. Wie steht es denn um Ihre Kochkünste, Herr Russ?
Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Da sich bei mir zu Hause soviel ums Essen drehte, habe ich schon als Kind kochen gelernt, praktisch durchs Zusehen. Wichtiger war rückblickend vielleicht noch, was mir meine Großmutter und meine Mutter außerdem mit auf den Weg gaben – ich nenne es heute Respekt vor den Lebensmitteln.

Wie zeigt sich dieser Respekt?
Beispielsweise, dass ich versuche, sehr bewusst einzukaufen, weil ich es hasse, Lebensmittel wegzuwerfen. Wenn Sie so wollen, lieber weniger, aber dafür besser.

Und Sie kochen tatsächlich auch zu Hause?
Natürlich, aber da meine Frau auch eine ausgezeichnete Köchin ist, habe ich mich neuerdings zumindest im Sommer mehr aufs Grillen verlegt, natürlich mit eigenen Saucenkreationen und feinen Gemüsebeilagen.

Wieviele Kochbücher stehen denn  in Ihrer Küche?
Oh…

Einwurf seiner Frau Mary Paluselli:
Ungefähr 30. Aber während Helmut meist nach Gefühl kocht, nehme ich schon ganz gerne mal ein Kochbuch zu Hilfe. Die Gerichte von Jamie Oliver und Johann Lafer zum Beispiel liegen mir besonders. Ganz stolz bin ich übrigens immer noch auf meinen Gänsebraten voriges Jahr zu Weihnachten. Den hat selbst Franz Raneburger gelobt, der mit seiner Partnerin bei und zu Gast war.
Stimmt´s Franz, die Gans war toll…

Franz Raneburger:

Besser hätte ich sie auch nicht hingekriegt, Mary!

Wenn Sie in Berlin essen gehen, Herr Russ, welche Restaurants bevorzugen Sie?
Solche mit einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis, die nicht meilenweit von zu Hause entfernt sind und in denen das Essen Spaß macht.

Zum Beispiel?
Ich gehe gerne zu Kolja Kleeberg ins VAU, ich mag das Amici und das Augustiner hier am Gendarmenmarkt. Weil es von uns zu Hause nah ist, sind wir häufiger im Two Buddhas, bei Monsieur Vuong in der Alten Schönhauser Straße, im Ponzini, einem kleinen, sehr familiären Italiener, ja, und wenn die Kinder mitkommen, ziehen wir ins Dudu in der Torstraße, das ist ein vietnamesisches Restaurant, in dem Förmlichkeiten unwichtig und die Gerichte frisch und wunderbar leicht sind.

Mary Paluselli:

…und vergiss das De Santi nicht.

Ja, das De Santi in der Westfälischen Straße in Charlottenburg ist auch so eine verlässliche Adresse in Berlin. Und wenn wir schon mal dabei sind – gleich nebenan ist die Fleischerei Bünger mit einem Angebot, für das es sich lohnt, schon mal quer durch die Stadt zu fahren.

Was vermissen Sie, kulinarisch gesehen, in Berlin?
Mary Paluselli, während Helmut Russ noch überlegt:

Gute, authentische japanische Küche.

Stimmt.

Und außerhalb Berlins?
Gute Landgasthöfe wie es sie beispielsweise in Österreich und Südtirol gibt. Die Gastronomie dort hat es uns sowieso angetan. Auf Platz Eins meiner persönlichen Rangliste steht übrigens der Landgasthof Linde in Stumm im Zillertal. Das nostalgische Ambiente, der idyllische Garten, Zimmer, die keine Wünsche offen lassen und eine Küche, die Wirtshaustradition und Gourmetanspruch durch kreativen Umgang mit frischen, natürlichen Produkten verbindet, dazu eine herzliche Gastfreundschaft, sowas kann man etwa in Brandenburg immer noch mit der Lupe suchen.

Lassen Sie uns noch einmal zum WeihnachtsZauber Gendarmenmarkt zurückkommen. Was gibt es denn in diesem Jahr gastronomisch Neues?
Im Eingangsbereich Markgrafenstraße ist die Pfefferberg-Garstronomie aus Prenzlauer Berg mit einem neuen Konzept am Start…

Andreas Lanninger ist mit einer eigenen, neuen Cocktailbar vertreten, die Galeries Lafayette offerieren ein gegenüber den Vorjahren verändertes Angebot, vor allem aber sind es die vielen Details an und in den Zelten und Ständen, die den Weihnachtsmarkt noch zauberhafter machen, ihn aber dennoch – und das ist mir besonders wichtig – der Würde des Platzes unterordnen.
Noch etwas möchte ich nennen, das zwar nicht neu ist, mir aber besonders  am Herzen liegt. Täglich zweimal können Sie hier im Zelt von Franz Raneburger und Maria Vojkovic Kinder bei der Weihnachtsbäckerei sehen. Sie kommen aus der Kreuzberger Galilei-Grundschule in der Friedrichstraße und aus der Anna-Lindh-Grundschule in Wedding. Die Aktion wird von Edeka, Miele und der Thürmann-Bäckerei unterstützt und ist Teil unseres Charity-Konzepts, mit dem wir Unterstützung geben, wo Unterstützung gebraucht wird – gleich, ob es sich um eine Schule handelt oder eine Stiftung mit sozialen Zielen.

Vielen Dank für das Gespräch.

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