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Gespräch mit dem Sternekoch Sebastian Frank

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Interview mit Sebastian Frank und seiner Partnerin Jeannine Kessler

Frau Kessler, seit wann führen Sie das Horváth in eigener Regie?
J.K.: Am 1. Januar 2014 haben wir Inventur gemacht, am 2. Januar war dann unser erster Arbeitstag als selbstständige Gastronomen.

Was haben Sie seitdem geändert?
J.K.: Nichts gravierendes – außer, dass wir jetzt Montag und Dienstag geschlossen haben.

Eine nicht unbedingt gästefreundliche Entscheidung, Herr Frank.
S.F.: Weder Köche noch Kellner sind Maschinen, die rund um die Uhr reibungslos laufen. Nach fünf stressigen Tagen braucht jeder mal Zeit für sich, für die Familie und für Freunde, das macht den Kopf frei und gibt neue Power für den Job. Außerdem halte ich die Selbstausbeutung bis zum Geht-nicht-mehr in keinem Beruf für sonderlich motivations- und kreativitätsfördernd, und bisher haben sich auch noch keine Gäste über unsere Schließtage beschwert.

Weshalb haben Sie sich überhaupt für die Selbstständigkeit entschieden?
J.K.: Erstmal war das keine spontane Sache, wir haben lange darüber gesprochen, uns alles gut überlegt und letztendlich eine Entscheidung für die Familie getroffen.

Für die Familie?
S.F.: Ja, die Familie ist für uns das Wichtigste im Leben.
J.K.: Sehen Sie, unser Sohn Oliver ist jetzt zweieinhalb, er verlangt viel Aufmerksamkeit und Zuwendung, und die Selbstständigkeit bringt uns das Maß an Selbstbestimmung, ihm beides auch geben zu können. Wir müssen uns beispielsweise nirgendwo für das rechtfertigen, was wir tun. Wenn wir uns zum Beispiel entschieden haben, dass ich viele Arbeiten, die eine Geschäftsführung verlangt, von zu Hause aus erledigen kann, dann ist das eben unsere Entscheidung und braucht keine Rechenschaft.

Ihr Plädoyer für die Familie hört man von Gastronomen eher selten.
J.K.: Das mag sein, aber wir stehen dazu. Wir haben mal einen Begriff gehört – ich glaube, er stammt aus der Bankenwelt – der heißt „human balance“. Und genau das versuchen wir zu erreichen, eine gute Balance zwischen Spaß an unserem Beruf und Freude an einer intakten Familie.
S.F.: Das eine beflügelt übrigens auch das andere und umgekehrt. Horvath

Das Horváth gehört mit einem Michelin-Stern und 17 Gault-Millau-Punkten zu den Top-Ten der Berliner Gastronomie. Was die mediale Aufmerksamkeit betrifft, reagieren Sie allerdings eher unter ferner liefen. Ärgert Sie das?
S.F.: Nein, wieso sollte uns das ärgern? Wenn Restaurantkritiker oder andere Journalisten, die sich für unsere Art zu kochen interessieren, ins Horváth kommen und berichten, dann ist das natürlich schmeichelhaft, aber wir pushen das nicht, weil wir auch mit dem ganzen Starkoch-Rummel nicht viel anfangen können.
Das einzige, was ich bedauere, ist die Tatsache, dass Ihre österreichischen Kollegen den Weg zu uns bisher nicht gefunden haben und dass wir in den österreichischen Medien folglich nicht vorkommen.

Weshalb bedauern Sie das?
S.F.: Weil ich Österreicher bin.

Lassen Sie uns über Ihre Küche reden.
S.F.: Meinen Sie den Ort oder den Stil ?

Eigentlich Ihren Kochstil, aber wenn Sie so fragen, welche Besonderheiten gibt es denn an Ihrem Arbeitsplatz?
S.F.: Keine, aber vielleicht finden Sie das ja außergewöhnlich.

Was heißt das?
S.F.: Nichts weiter, als dass Sie solche Geräte wie Hold-o-mat, Thermomix oder einen dieser spanischen Supergrills bei uns vergeblich suchen, dass der Konvektomat schon etliche Jahre auf dem Buckel hat und der Paco Jet auch noch nicht allzu lange hier steht. Er ist übrigens ein Geschenk meines ehemaligen Chefs (Dietmar Schweitzer, d. Red.) zum ersten Michelin-Stern.

Wann war das?
S.F.: 2012

Bewußter Verzicht oder Geldmangel?
S.F.: Ich sag’s mal so: eine High-end-Küche kocht auch nicht besser als eine klassisch ausgestattete. Natürlich werden wir in Zukunft einiges investieren müssen, aber nicht, um das eigene Ego zu befriedigen und nur unseren finanziellen Möglichkeiten entsprechend.
J.K.: In unserem Business-Plan steht der Satz: Das Horváth soll immer nah und bezahlbar sein. Vielleicht trägt das auch zur Beantwortung Ihrer Frage bei.

Meiner Meinung nach ein gutes Credo. Wie werden sie dem mit Ihren Gerichten gerecht?
S.F.: Indem wir beispielsweise auf eine ganze Reihe von Produkten verzichten.

Sie meinen Luxusprodukte.
S.F.: Das kommt darauf an, wie man das definiert.

Wie tun Sie es?
S.F.: Für mich ist Luxus beispielsweise ein Radieschen, das feldfrisch ist und nicht mit Pestiziden belastet.

Worauf verzichten Sie in Ihrer Küche?
S.F.: Weil Sie mit einem gewissen negativen Unterton fragen, möchte ich Ihnen sagen, dass wir diesen Verzicht etwa auf Ananas, Chili und andere Exoten, auf Hummer oder auf Salzwasserfische nicht als kulinarische Einschränkung sehen, sondern als Herausforderung, neue Wege zu gehen und natürlich auch als ein Signal für Nachhaltigkeit.

HorvathWelche Produkte haben denn die besten Chancen in ihrer Küche?
S.F.: Gemüse spielt bei uns heute eine weit größere Rolle als früher, vor allem alte, samenfeste Landsorten, die geschmacklich viel aufregender sind als die modernen Turbosorten. Darum dreht sich auch unsere gesamte Küchenphilosophie – ich nenne es die Jagd nach dem einfachen, ursprünglichen, traditionellen Geschmack. Wenn Sie so wollen, dem Urgeschmack.

Das klingt wie „zurück zur Natur“.
S.F.: Ich würde es eher ‚vorwärts mit der Natur‘ nennen.

Wie reagieren Ihre Gäste darauf?
S.F.: Auf jeden Fall sind sie nicht weggelaufen, ganz im Gegenteil. Durch unsere Produktzensur haben wir Gäste hinzugewonnen – solche, die die Schnauze voll haben von Hummer und Kaviar und solche, die wissen wollen, was man aus traditionellen Lebensmitteln, die größtenteils in Vergessenheit geraten sind, alles machen kann.

Und wie sieht es mit Lieferanten für Ihre Küche aus?
S.F.: Das ist tatsächlich ein Problem in Berlin, besonders bei Fisch. Wenn man sich, wie wir, auf heimische Süßwasserfische konzentriert, dreht man sich schnell im Kreis. Ich suche zum Beispiel einen Lieferanten für Heringsmilch vom Ostseehering, aber das scheint aussichtslos. Zum Glück haben wir einen sehr guten Gemüsebauern im brandenburgischen Wustermark gefunden, bei dem wir rund ein Drittel aller Waren kaufen, die wir brauchen. Zwiebel- oder Maistriebe züchten wir selbst. Ansonsten halten alle unsere Mitarbeiter die Augen offen, wo es aromastarke regionale Lebensmittel gibt, die unsere Küche voranbringen.

Das wiederum hört sich sehr nach ´nordischer Küche` an.
J.K.: Komisch, das haben uns auch schon etliche Gäste und einige Ihrer Kollegen gefragt.
S.F.: Ich kann mit solchen Schubladen, ehrlich gesagt, nicht viel anfangen. Wenn wir mit regionalen Ressourcen kochen, muss das doch nicht gleich das Attribut ´nordisch` bekommen. Wissen Sie, meine Großmutter hatte nie Olivenöl in ihrer Küche, benutzte keine exotischen Gewürze, sondern das was es in Niederösterreich gibt, Bockshornklee oder Schwarzkümmel zum Beispiel.

Lassen Sie uns nochmal zum Thema Gemüse zurückkommen. Haben Sie igentlich sowas wie ein Lieblingsgemüse?
S.F.: Die Zwiebel, weil sie so vielseitig ist. Sie lässt sich zum Beispiel im Ganzen auf Salz im Ofen garen, man kann Zwiebelpulver herstellen oder Zwiebelsaft, der dann mit Haselnussöl wird. Oder Röstzwiebeln als natürliche Geschmacksverstärker. Übrigens, viele Verarbeitungsvarianten der Zwiebel finden Sie in einem Gericht, das auf unserer Speisenkarte „Zwiebel-Taubenklein-Kohlrabi“ heißt.
Außerdem bin ich ein ausgesprochener Kümmelliebhaber. Kümmelpaste, Kümmelreduktion, auch diesesGewürz bietet kochtechnisch und geschmacklich sehr viel.
Oder nehmen Sie die Roten Bete. Ihre kulinarischen Möglichkeiten sind noch längst nicht ausgeschöpft.Horvath

Was machen Sie mit den Wurzeln?
S.F.: Ich lasse zum Beispiel Rote-Rüben-Saft milchsauer vergären und versuche, damit das Thema, `saures Rindfleisch´ neu zu interpretieren.

Wie reagieren Ihre Gäste auf solche Kreationen?
S.F.: Auf jeden Fall sind sie nicht weggelaufen, ganz im Gegenteil. Durch unsere Produktzäsur haben wir Gäste hinzugewonnen – solche, die die Schnauze voll haben von Hummer und Kaviar und solche, die wissen wollen, was man aus traditionellen Lebensmitteln, die größtenteils in Vergessenheit geraten sind, alles machen kann.

Und wie sieht es mit Lieferanten für Ihre Küche aus?
S.F.: Das ist tatsächlich ein Problem in Berlin, besonders bei Fisch. Wenn man sich, wie wir, auf heimische Süßwasserfische konzentriert, dreht man sich schnell im Kreis. Ich suche zum Beispiel einen Lieferanten für Heringsmilch vom Ostseehering, aber das scheint aussichtslos. Zum Glück haben wir einen sehr guten Gemüsebauern im brandenburgischen Wustermark gefunden, bei dem wir rund ein Drittel aller Waren kaufen, die wir brauchen. Zwiebel-, Rettich- oder Maistriebe züchten wir selbst. Ansonsten halten alle unsere Mitarbeiter die Augen offen, wo es aromastarke regionale Lebensmittel gibt, die unsere Küche voranbringen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Restaurant Horváth

Paul-Lincke-Ufer 44a
10999 Berlin-Kreuberg
www.restaurant-horvath.de

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