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Sornziger Gartenspaziergang – Die Eberesche

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„Kann schinn’rn Baam gippt’s wie dann Vuglbärbaam…“ – zwar sollte man nun nicht jedes Mundartlied für bare Münze zu nehmen, doch was Max Schreyer (1845-1922) da 1887 über den „Vogelbeerbaum“, also die Eberesche (Sorbus aucuparia), in Verse fasste, kann man getrost glauben. Schließlich war der Mann nicht nur Heimatdichter, sondern vor allem Forstmeister, demnach also gleich in zweifacher Hinsicht profunder Kenner des sächsischen Erzgebirges, wo an Waldrändern, Berghängen und auf alten Gehöften zahlreiche beeindruckende Ebereschen-Exemplare zu finden sind.

Wo das Städtchen Lauter ein dreitägiges Vogelbeerfest feiert, einschließlich der Wahl einer Vogelbeerkönigin und der Wirt jedes Gasthofs einen nach überliefertem Familienrezept angesetzten herb-würzigen Vuglbär-Schnaps oder Vuglbär-Likör kredenzt. Man weiß schließlich, was man sich und dem erzgebirgischen Nationalbaum schuldig ist.

Dabei kommt das anspruchslose, schnell wachsende, baum- oder strauchartige Gehölz aus der Gattung der Mehlbeeren auch in vielen anderen Regionen von Westsibirien bis in den Mittelmeerraum vor, im Flachland ebenso wie in Berglagen bis zu 2.400 Metern. Und viele der mehr als 150 allein im deutschen Sprachraum bekannten Namen für die Eberesche verweisen auf ihre jahrhundertelange Nutzung durch den Menschen.

Entgegen hartnäckigem Irrglauben sind nämlich weder ihr Laub noch ihre Früchte giftig, letztere, in Mengen roh genossen, höchstens unbekömmlich. Mit Zweigen des „Quickbaums“ wurde das Vieh vor dem Weideaustrieb „gequickt“, sprich: belebt, in der germanischen Mythologie war der „Sorbenboom“ Glücksbringer, das magische Alphabet der keltischen Druiden sah in „Luis“, der Eberesche, den Baum des Lebens, und Bezeichnungen wie „Krametsbaum“ oder „Drosselbeere“ fangen den Heißhunger ein, mit dem sich Vögel über die Früchte hermachen.

Kein Wunder, dass die Wildgehölz-Sammelleidenschaft von Hannelore und Volker Umbreit vor mehr als zwanzig Jahren mit verschiedenen Ebereschenarten und -sorten begann. Zwei auf einem verwilderten Baumschulgelände entdeckte Exemplare erwiesen sich als ‚Rosina‘ und ‚Konzentra‘, vom Gartenbau-Institut Dresden-Pillnitz in den 1950er Jahren in den Handel gebrachte Auslesen der Mährischen Eberesche (Sorbus aucuparia moravica), die sich durch einen höheren Zuckergehalt und einen geringeren Anteil der für den adstringierend-bitteren Geschmack der Beeren der wilden Eberesche verantwortlichen Parasorbinsäure auszeichnet.

Hinzu kamen nach und nach gelb-, rosa-, weiß- und sogar pink-weiß gesprenkelt fruchtende Varietäten. Ein mühsam organisierter Setzling der Großen russischen Eberesche „Rossica major“ machte in der Folgezeit seinem Namen alle Ehre – mit ausladendem Wuchs, aber auch herrlichen, immer reichlicher anfallenden Ernten, die eine sinnvolle Verwertung forderten. So wurden die Sornziger Wilden geboren. Die Herstellung der ersten Vogelbeer-Fruchtaufstriche und der Vergleich der kulinarischen Qualitäten verschiedener Sorten ließ Hannelore und Volker Umbreit dann eine völlig neue Gruppe von Ebereschen entdecken.

Dabei handelte es sich um Züchtungen des russischen Botanikers Iwan Mitschurin in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts. In seinen Gattungskreuzungen der Eberesche mit Schwarzer Apfelbeere, Weíßdorn, Mispel und Birne potenzierten sich die besten Eigenschaften beider Elternteile. Namen wie „Mitschurins Dessert-Eberesche“, „Mitschurins Likör-Eberesche“, „Granatnaja“‘, „Rubinovaja“ oder „Aromatnaja“ verraten bereits, was die saftigen, tiefrot- bis bordeauxfarbenen Früchte dieser zumeist unter der Bezeichnung Sorbaronia zusammengefassten Wildgehölze geschmacklich so reizvoll macht. Die noch außerordentlich selten anzutreffende Sorbaronia setzt heute sowohl in der Umbreitschen Gehölzsammlung als auch im Sortiment der Sornziger Wilden besondere Akzente.

Und das „Lied vom Vuglbärbaam“, das den Auftakt des heutigen Gartenspaziergangs bildete? Die Erzgebirgs-Nationalhymne schunkelt mittlerweise nicht nur jedes Musikantenstadl landauf, landab, die unterfränkischen Dorfrocker haben der Eberesche sogar zu Chart-Ehren verholfen.

SORNZIGER WILDE

04769 Mügeln
OT Neusornzig
Tel. 034362 – 37 282
www.sornziger-wilde.de

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