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Dynamisch lecker – Restaurant Jungbluth

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Versuch einer Terminvereinbarung im Restaurant Jungbluth: „Vielleicht am Montag, bevor Sie öffnen?“ „Geht leider nicht, da sind wir beim Sport.“ „Oha!“ Sicher gibt es sportliche Köche, Golfspieler mit respektablem Handicap oder Marathonläufer mit Bestzeiten um die drei Stunden beispielsweise. Umfragen belegen allerdings auch, dass das Gras der wackeren Herdarbeiter hierzulande mit Körperertüchtigung eher weniger am Hut hat. „Ich bin Koch und habe nicht die Absicht, Weltmeister im Zehnkampf zu werden“, ist die meistgenannte Begründung. Oliver Leisegang kann mit solchen Aussagen nicht viel anfangen.Für den Sportwissenschaftler mit Diplom der Sporthochschule Köln gehört Fitness zum Leben.

Der 36-Jährige eröffnete vor zwei Jahren in der Charlottenburger Leibnitzstraße das Studio Lehrlauf und propagiert „eine breit angelegte Fitness, mehr Vitalität und Leistungsfähigkeit in Beruf und Alltag“ (www.lehrlauf.de). „Auch für Köche?“ „Gerade für diese Berufsgruppe mit ihren einseitigen körperlichen Beanspruchungen.“ Rumgesprochen hat sich das in der Branche offenbar noch nicht und wo doch, wird meist der Faktor Zeit als größtes Hindernis angeführt. Für die Cuisiniers des Restaurants Jungbluth in Steglitz ist das schon lange kein Thema mehr.

Felix Leisegang, Andre Sawahn und André Rydz trainieren einmal in der Woche, vor der Arbeit bei Oliver Leisegang. Gut, Oliver ist der Bruder von Felix, „aber das hat nicht den Ausschlag gegeben, etwas für unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden zu tun,“ so die Köche. Funktionales Training, so heißt ihre Geheimwaffe. Der Sportwissenschaftler erläutert: „Das ist das Gegenteil von isoliertem Training an stationären Geräten im herkömmlichen Fitnessstudio. Es basiert ausschließlich auf natürlichen Bewegungen, die Muskulatur wird bei den einzelnen Übungen grundsätzlich möglichst großflächig beansprucht. Dadurch nimmt die Leistungsfähigkeit im Alltag und im Beruf zu.“ Schweißtreibend allerdings ist auch das. Für die Jungbluth-Köche aber auch immens wohltuend. Fit for Cook.

Studio Lehrlauf
Leibnizstraße 32
10625 Berlin-Charlottenburg

www.lehrflauf.de

Die Namen neuer Restaurants in Berlin erschließen sich meist schnell, lediglich bei LANSK und NOBELHARTUNDSCHMUTZIG bedürfte es der Nachfrage. Die wiederum schien sich beim im Februar 2013 eröffneten JUNGBLUTH zu erübrigen. Dennoch gestellt, überraschte die Antwort der Inhaber: „Weil das so schön Altdeutsch klingt und zu den Straßennamen der Gegend passt.“ Teil eins vermag ich nicht zu beurteilen, Teil zwei scheint zu stimmen – zumindest was das „th“ betrifft. Es gibt in dieser Ecke von Steglitz die Herrfurth- und die Muthesiusstraße. Ein Fantasie-Name also, aber immerhin einer, den man sich merkt. Die beiden Inhaber des Jungbluth, Felix Leisegang und Andre Sawahn, lernten sich am Herd von Sonja Frühsammer kennen, Sawahn absolvierte dort eine Kochlehre, Leisegang hatte dieses Kapitel schon hinter sich – bei Franz Raneburger übrigens – und das Studium an der Berliner Hotelfachschule stand bevor.

Während eines gemeinsamen Thailand-Urlaubs entstand die Idee: „Wir machen was Eigenes.“ Dass die Entscheidung für einen Laden in Steglitz fiel, war zwar Zufall, aber auch eine gute Fügung. Der Bezirk ist mit guter Gastronomie nicht gerade gesegnet, da und dort ist auch von „kulinarischer Diaspora“ die Rede. Kein Zufall war, dass die beiden Gastronomen auf den Totalumbau des Lokals verzichteten und auch kein Geld in teures Design investierten. Sie übernahmen, renovierten und gingen an den Start. Normalerweise wäre das luxusfreie Ambiente für Morgenpost-Kritiker Heinz Horrmann ein ausreichender

Grund für ein paar spitze Bemerkungen, doch diesmal ließ er seine Pfeile im Köcher und notierte statt dessen: „Solche persönlich geführten Betriebe junger Gastronomen sind eine angenehme Alternative zu den Luxusläden, über die Berlin genügend verfügt.“ Richtig! Die Jungbluth-Männer kochen demonstrativ puristisch, irgendwie angenehm normal. Nichts lenkt ab. Die Kalbsspitzbouillon schmeckte animierend würzig, das Geräucherte und Confierte von der Brandenburger Landente mit Quitte, Sellerie und Liebstöckel war von erster Qualität und so ging es weiter, Gang für Gang.

Fabelhaft das Lamm mit Schwarzwürfel, Spitzkohl, Birne und Bete, stimmig die Lachsforelle mit Butternut-Risotto, jungem Mangold und geschmorte Schalotten. Auffällig bei allen Gerichten: die feine Abstimmung zwischen dem wichtigsten Produkt auf dem Teller, den Beilagen, der Sauce und den Aromaten. Wir notierten: Respekt vor den Jahreszeiten, schonender Umgang mit den Produkten, vorwiegend aus der Region, dazu ein Händchen für meisterhafte Fleischzubereitung, dafür steht die Küche von Felix Leisegang, Andre Sawahn und André Rydz. Und sie steht auch für ein gesundes Preis-Leistungs-Verhältnis. Das war dem Guide Michelin sogar einen Bib Gourmand wert. Chapeau.

Jungbluth

Lepsiusstraße 63
12163 Berlin-Steglitz
Tel. 030-79789605

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