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Kochbuchantiquariat in Berlin

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Gab es schon mal etwas, wo Sie passen mussten?

Johannes Mohr und Swen Kernemann-Mohr  überlegen lange. „Ja“, sagt dann der Jüngere, „das Waldorf Astoria suchte vor einiger Zeit eine originale Speisenkarte des Romanischen Cafés aus den 1920er Jahren, da mussten wir tatsächlich passen.“ „Aber sonst?“ Swen Kernemann-Mohr, Jahrgang 1963 und Johannes Mohr, sieben Jahre älter, betreiben in einem Altbau-Souterrain in Mitte, Deutschlands wahrscheinlich größtes, auf jeden Fall aber Berlins einziges Kochbuchantiquariat. Nur mal einen Blick reinwerfen und gleich wieder gehen, das ist hier fast unmöglich, vorausgesetzt natürlich, man interessiert sich für die leiblichen Dinge des Lebens. Rund 30.000 Titel aus zweieinhalb Jahrhunderten umfasst ihre Bibliothek Culinaria, sortiert nach Epochen, Ländern und Themen.

Eine Sammlung, die ihresgleichen sucht!

Neben bibliophilen Ausgaben von Brillat-Savarin und Escoffier stehen kulinarische Enzyklopädien, büttengedruckte Originale, handgeschriebene Unikate, Kochbücher für die Arktis und die Tropen, kulinarische Magazine und Zeitschriften, Promikochbücher von Sophia Loren bis Vico Torriani, Kriegs- und Nachkriegskochbücher; Besser, Paczensky, Siebeck, Wechsberg; Afrika, Amerika, Asien. „Im Keller nebenan lagern nochmal so viele“, macht Johannes Mohr das Erstaunen komplett. Das Stöbern in diesem gigantischen Fundus ist immer auch eine Art Geschichtsstunde.

Swen Kernemann-Mohr zeigt einen äußerlich quietschbunten Band: BERLIN, WIE ES SCHREIBT & ISST, erschienen Mitte der 1960 im Münchner Georg-von-Hatzfeld-Verlag. Den Verlag gibt es nicht mehr, die meisten Autoren, darunter Hildebrandt, Wolfgang Menge und Günter Pfitzmann leben nicht mehr, und auch ihre Lieblingslokale haben (bis auf wenige Ausnahmen) längst das Zeitliche gesegnet. Was bleibt, ist ein Blick in die kulinarische Vergangenheit der Stadt – vergangen, vergessen, vorüber, aber nichtsdestotrotz hochinteressant und auch nicht ganz ohne Gegenwartsbezug. „Lesen Sie mal das Kapitel von Sebastian Haffner über die Wannseeterrassen“, grinst Kernemann-Mohr.

Der Kochbuchantiquar stammt übrigens aus Essen, sein Partner Johannes Mohr ist gebürtiger Gelsenkirchener. Das hört man allerdings nicht, und auch der eigenwillige Ruhrpottcharme ist den Männern fremd. 22 Jahre lang betrieben die beiden in Köln einen Blumengroßhandel. Obwohl das Geschäft florierte, entschieden sie sich, ihr Hobby, die Kochbuchsammelei, zum Beruf zu machen. Am 1.Januar 2010 kamen sie mit ihrem Wohnmobil bei dichtem Schneetreiben in Berlin an, rund 20.000 Bücher folgten. „New York wäre auch noch eine Option gewesen, aber dafür hatten wir damals zu wenige englische Titel“, so Johannes Mohr. Gut für Berlin. Die kulinarische Gemeinde dankt.

www.bibliotheca-culinaria.de

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