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Arminiusmarkthalle – Zunftwirtschaft

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Deutsche Wirtshäuser und ihre Wirte hatten jahrzehntelang ein zwiespaltiges Image. Einerseits boten sie Hungrigen und Durstigen Speisen und Trank, andererseits standen sie häufig im Verdacht, ihre Gäste kräftig übers Ohr zu hauen. Nicht unbedingt im wörtlichen Sinne wie im legendären Wirtshaus im Spessart, sondern eher mit miesem Wein und grottigem Essen. Dieser doppelte Ruf hat sich lange gehalten, inzwischen allerdings sieht die virtuelle Realität – Gast sei Dank – vielerorts anders aus. Der gastgeberische und kulinarische Ehrgeiz, der häufig auf ein Minimum beschränkt war, wich einer behaglichen Atmosphäre, in der ehrliche Regionalküche zu reellen Preisen, ordentlicher Wein und gutes Bier serviert werden.

Der Umbruch irgendwann Ende der 1980er war vor allem der Verdienst einer neuen Wirtegeneration. Viele derer, die da hinter die Tresen traten, waren keine Gastrorevoluzzer, die das Schnitzel abschaffen wollten, sondern Frauen und Männer mit Berufsstolz und hohen Ansprüchen an die Qualität der Produkte und ihre Zubereitung. Und genau das honorierten die Gäste, die einen Ort suchten, an dem man ohne einen Gedanken an gastronomische Korrektheit auch mal nur einen einzigen Gang und ein Bier dazu trinken kann. Als Wirt ist Martin Rossi ein Spätberufener, allerdings mit gewisser genetischer Veranlagung – seiner Herkunft wegen.

Der 56-Jährige stammt aus Freiburg. Die Stadt im Südbadischen und ihre nähere Umgebung – Kaiserstuhl, Ortenau, Markgräfler Land – stehen beispielhaft für ein hohes kulinarisches Qualitätsbewusstsein und eine dementsprechende Gastronomie. Rossi studierte Betriebswirtschaftslehre, führte nach dem Diplom gemeinsam mit seiner Frau, einer Modedesignerin, in Nürnberg und Berlin Boutiquen, war Filmproduzent und Unternehmensberater. In dieser Funktion unterstützte Rossi auch den Hinderfeld-Clan bei dessen Markthallen-Revitalisierungsprojekt und riet, das traditionelle Markthallen-Restaurant, ein jahrelang schwieriges Lokal mit kneipigem Charm, neu aufzustellen und selbst zu betreiben. Und wie das häufig so ist im Leben, plötzlich hatte der Berater den Laden selbst am Hals. „Es waren die Umstände“, sagte Rossi heute.

Seit Oktober 2012 ist er nun Wirt der Zunftwirtschaft und versucht mit stetem Elan und vielen Ideen, ein guter Gastgeber zu sein. “Das ist mir wichtiger, als der Versuch, Gemütlichkeit als eine Überdosis von Schmiedeeisen, Holz und Kupfer erzwingen zu wollen“, begründet Martin Rossi das schlichte Ambiente des Raumes und fügt hinzu: „Eine behagliche Atmosphäre entsteht zuallererst durch Kommunikation.“ Und da ist der Mann in seinem Element – er kann gut zuhören und führt Unterhaltungen kenntnisreich, meinungsstark, badisch gelassen. Und er ist auf vielen Gebieten zu Hause.

Zum Beispiel beim Wein. „Probieren und studieren, das ist meine Devise“, sagte er. Den Gault-&-Millau-Weinguide kennt er aus dem Effeff: „Mein Einkaufsführer.“ Sicher, die Großen Gewächse etwa von Fritz Haag, Bernhard Huber, Robert Weil, Emrich-Schönleber, Keller oder Knipser hat er nicht im Programm – „die bezahlt mir hier keiner“ – dafür aber Respektables etwa vom Pfaffenweiler Weinhaus oder vom Demeter-Weingut Brüder Dr. Becker.

Da sind selbst Weinfreunde entzückt, denen es sicher nicht auf zwei Euro mehr oder weniger ankommt. „Beim fruchtigen roten ‚Berg und Tal‘ aus Rheinhessen fragten wir vorsichtshalber vorher nach, was die Flasche kostet, da kann man ja entsetzliche Überraschungen erleben. Milde 16,50 Euro erhöhten noch den Genuss am sauberen Wein. In einer Bar in Mitte haben wir für diesen Preis kürzlich anderthalb Gläser eines Weins getrunken, der keinesfalls besser war.“ Das Zitat entstammt einer Von-Tisch-zu-Tisch-Kritik des Tagesspiegels, und die Kollegen dort kennen sich nun wirklich aus. Wir trinken einen Markgräfler Gutedel, leicht, spritzig, ein bestens verifizierter Weißwein mit wenig Alkohol und fragen uns, weshalb es sowas in Berlin nicht öfter gibt.“ Weil hier zu viele Wein-Snobs unterwegs sind“, antwortet Rossi trocken.

Kommen wir mal zum Essen, für das Dirk Elsasser zuständig ist. Der 44-jährige Brandenburger gehört zu jener inzwischen stark bedrohten Köche-Spezies, die sich mit großer Leidenschaft den bedrohten Klassikern widmet: Bauernfrühstück orthodox beispielsweise oder Eisbeinsülze traditionell. Gerichte, ziemlich off mainstream, sicher, aber frisch und redlich zubereitet. Die Sachen haben aromatische Power und sind reichlich vorhanden – trotzdem wirken die Teller nicht unangenehm überladen. Unsere Favoriten: ein würziger badischer Wurstsalat mit knusprigen Bratkartoffeln und ein Blutwurstgericht, bei dem die Blutwurst – natürlich kommt sie aus der Manufaktur von Meister Benser am Neuköllner Karl-Max-Platz – interessanterweise paniert ist.

Bodenständige Heimwehküche ohne viel Tara, die nicht nur uns überzeugt. Viele kommen regelmäßig, etwa der Erzieher Bernd Beyer, der gleich um die Ecke wohnt. „Erstens“, sagt der 62‑Jährige, „öffnet die Zunftwirtschaft schon um 16.00 Uhr, zweitens gibt’s hier eben noch richtige Old‑School-Hausmannskost, drittens bietet das Lokal erfreulich helle Gemütlichkeit und viertens ist der Service zuvorkommend und immer gut gelaunt.“ Viele gute Gründe also, um hier einzukehren.

Zunftwirtschaft
Arminiusstr. 2
10551 Berlin
030 715 768 62

www.arminiusmarkthalle.com

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