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Blauer Flusskrebs aus sächsischer Aquakultur

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Beim Blick in die riesige Messestand-Schauvitrine des Fisch-Informations-Zentrums F.I.Z auf der Grünen Woche sticht sofort ein kleiner, blauer Fleck ins Auge.

Red Claw©MikeDraegert
Kein aus dem Zoo entlaufenes Tropentier, sondern tatsächlich ein Feinkostprodukt aus sächsischer Aquakultur!

Was da zwischen Riesenmakrele und Belugastör zunächst wie ein liegengelassener blauer Gummihandschuh und bei näherem Betrachten wie ein entlaufenes Aquariumtier aus dem Zoo aussieht, entpuppt sich auf Nachfrage allerdings als neuestes Feinkost-Zuchtobjekt aus einer sächsischen Aquakultur. Neugierig geworden, lassen wir uns von FIZ-Chef Dr. Matthias Keller aufklären, was es mit diesem Exemplar auf sich hat, das da einsam und surreal blau schillernd auf dem schmelzenden Eis liegt. Es ist ein australischer Cherax Quadricarinatus, besser gesagt ein reproduziertes Double seiner in australischer Freiheit lebenden „Red Claw“-Artgenossen. Sein deutscher Name „Rotscherenkrebs“ irritiert zuerst etwas, weil der Krebs ja eigentlich knallblau ist und nur die roten Scherenspitzen der männlichen Tiere namensgebend waren. Dieses buntschillernde Wesen hätte man eigentlich eher in einem tropischen Korallenriff, als in einem künstlich beleuchteten Zuchtteich bei Bautzen vermutet.

Ein australischer Flusskrebs, der in Sachsen zum Süßwasserhummer gekürt wird
Red Claw©Mike Draegert
Ein kleiner blauer Farbtupfer sorgte bei Krustentierfreunden augenblicklich für große Neugier

Sein Geburtsort ist tatsächlich das sächsische Dörfchen namens Kirschau. Dort sind die Macher der Kirschauer Aquakulturen GmbH, einem engagierten und auf Nachhaltigkeit bedachten Indoor-Fischzuchtbetrieb in der Nähe von Bautzen, auf die bislang erfolgreich verlaufende Aquakultivierung und Nachzüchtung des Red Claw-Flusskrebses zu Recht stolz. Schließlich gibt es weit und breit kein anderes Aquakultur-Unternehmen, das sich mit der nicht einfachen Züchtung dieses besonders delikaten Edelkrebses befasst. Die Red Claw-Sorte stammt ursprünglich aus den australischen Mangroven-Küstensümpfen und ähnelt in Größe und Physis in etwa einem herkömmlichen europäischen Speise-Flusskrebs, hat im Gegensatz zu diesem jedoch ein festeres und aromatischeres Muskelfleisch und eben diesen faszinierenden, von Natur aus märchenhaft blauen Panzer.

Grandioses Farbschauspiel beim Garen – von himmelblau bis purpurrot

Gerade der Panzer weckt bei versierten Krustentierkennern und kreativen Köchen natürlich Neugierde, da das Chitin-Kleid bei Hitzezufuhr ein außergewöhnlich beeindruckendes Farbschauspiel bietet. Es changiert von Himmelblau über Rosaviolett in ein finales Purpurrot.

Der Rotscherenkrebs alias „Süßwasserhummer“ in verzehrreifer 12 cm-Größe

Da der Krebs gerade in diesem tiefen Rotton wie die gegarte Miniversion eines Hummers daherkommt, haben ihm seine Aquakultur-Schöpfer kurzerhand den Namen „Süßwasserhummer“ verpasst. Zum einen, weil damit noch die Begehrlichkeit wächst, vor allem aber, weil ihr Krebs diesen verbalen Ritterschlag in den Hummer-Adelsstand durchaus verdient.

Warum ein Aquakulturkrebs aus Sachsen seinen Zuchtkollegen im Mekong-Delta um Scherenlängen den Rang abläuft

Klares, sauerstoffreiches und weiches Wasser, hochwertigstes High Carb-Spezial-Pflanzenfutter und eine artenfreundliche Aufzucht mit geräumigen Bruthöhlen in Gestalt großlöchriger Zementbausteine („Hummerhotels“) sorgen für ein Geschmackserlebnis, das sich von dem eines muffig-labbrigen und in der Regel antibiotikabelasteten Kulturflusskrebses aus trüben Mekong-Delta-Gewässern deutlich abhebt. „Das vergleichsweise viel festere und von Natur aus aromatischere Fleisch unserer Krebse ist natürlich auch das Resultat einer ausgetüftelten Fütterung mit hochwertigem, mineralisch angereichertem High-Carb-Pflanzenfutter, das ausschließlich pflanzliche Proteine enthält“, betont Aquakulturexperte und Zuchtvater des Süßwasserhummer-Projekts Nick Zimmer.
„Da Red Claw-Krebse Pflanzenfresser sind, kommt das ihrem gesunden Stoffwechsel und somit auch einer maximalen Muskelbildung und einem besonders reinen Geschmack ihres Fleischs zugute. Unser Futter besteht quasi aus den gleichen Komponenten, die auch ein in freier Wildnis lebender Red Claw-Krebs am liebsten frisst: Wasserpflanzen, Algen, Baumwurzelknospen.“

Red Claw©Mike Draegert
Hauptverantwortlicher „Krebsbrut-Vater“ bei den Kirschauer Aquakulturen: der gelernte Fischwirtschaftsmeister Nick Zimmer (33 Jahre)
Beschauliche hundert Kilogramm Krebse nach zwölf Monaten Aufzuchtarbeit

Seit vergangenem Jahr erweitert der zum Süßwasserhummer ernannte Red Claw-Krebs das Verkaufsangebot der Kirschauer Aquakulturen GmbH. Für 2018 rechnen der Inhaber Karl Dominick und sein hauptverantwort­licher Mitarbeiter, der Fischwirtschaftsmeister Nick Zimmer, erstmals mit einem Produktionsvolumen von knapp über hundert Kilogramm Lebend­gewicht an Krebsen. Die Tiere werden in aufwendiger, mindestens 12-monatiger Aufzucht aus eigens kultiviertem Eierbestand-Zuchtstamm vermehrt, was natürlich einen langen Atem braucht. Bis im Intervall genügend Krebs-Populationen generiert sind, um das ganze Jahr über größere Mengen produzieren und verkaufen zu können, wird es noch eine Weile dauern.

Mit einer beschaulichen Gesamtmenge von umgerechnet gerade mal 1.500 verzehrreifen Tieren werden Karl Dominick und Nick Zimmer auch in diesem Jahr mitnichten die steigende Nachfrage bewältigen können. Womit allen hiermit neugierig gewordenen Köchen und Krustentier-Fans bereits jetzt eine rechtzeitige Probiermengen-Reservierung bzw. Vorbestellung empfohlen sei. Die erste Testzucht-Charge im vergangenen Spätherbst soll bereits nach 14 Tagen restlos ausverkauft gewesen sein.
Was übrigens auch der Grund ist, warum in der Schauvitrine des Fisch-Informations-Zentrums auf der grünen Woche lediglich ein einsames Exemplar auf Eis lag – es war das letzte der komplett ausverkauften 2017er-Generation. Bis die nächste reif für den Kochtopf ist, wird es noch eine Weile dauern.

Fang-Startschuss für die nächste verzehrreife „Süßwasserhummer“-Generation im Spätsommer 2018

Momentan befindet sich der erste Red Claw-Zuchtjahrgang anno 2018 noch in den Kinderschuhen und wird frühestens zum Sommerende verzehrreif sein. Der Aquakulturprofi Nick Zimmer zieht im Abstand von 8-10 Wochen auf mehrere Zuchtbecken verteilt jeweils eine neue Krebsgeneration aus dem Ei hoch, um künftig mehrere Populationen pro Jahr zu erzielen. Zwölf Monate brauchen die Tiere, bis sie eine ansehnliche, Minihummer-würdige Größe zwischen 12 und 15 Zentimeter bei einem Fanggewicht von 70 bis 80 Gramm erreicht haben. Angesichts ihres bedächtig langsamen Wachstums, vor allem aber wegen ihres farbenprächtigen Äußeren, plagt selbst einen Feinschmecker das schlechte Gewissen, die schmackhaften Krebse überhaupt in einen Kochtopf zu werfen. Dementsprechend groß sollte der Respekt vor diesen göttlich ausschauenden Geschöpfen sein, auch wenn diese nicht vom Great Barrier Reef, sondern nur aus einem Kunstteich stammen.

Red Claw©Mike Draegert
Eigentlich viel zu schön, um im Kochtopf zu landen: Das schillernd blaue Panzerkleid des Red Claw-Flusskrebses ist eine echte Augenweide
©Text/Autor/Fotos: Mike Draegert, 2018
©Fotos 3 und 4 im Text: Kirschauer Aquakulturen
Vorbestellung & Online-Verkaufsshop:
www.kirschauer-aquakulturen.com
www.sachsenfisch.de
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