Notizen von einem Wettbewerb Berliner und Brandenburger Jungköche
Der erste Februarsonntag, kurz vor 7. Ein Morgen mit Sorgen. Die vergleichsweise größten hatte Frank Schreiber, Küchenchef im Finsterwalder Goldenen Hahn, dem auf dem Weg ins Berliner Maritim Hotel ein anderer, wohl übermüdeter Autofahrer, zum Verhängnis wurde. Gott sei Dank keine Verletzten, aber für Schreibers Wagen endete der Crash mit einem Totalschaden.
Verständnislos blickten zur gleichen Zeit die jungen Rezeptionisten des Hotels in der Stauffenbergstaße auf die Monitore gegenüber ihres Arbeitsplatzes. Immer wieder zeigten Gäste milde lächelnd auf eine dort unter dem Zeichen der Chaine des Rotisseurs angezeigte Veranstaltung. „Commiwettbewerb der Baillage Berlin-Brandenburg“, stand da tatsächlich.
Nun ist das Französische sicher nicht jedermanns Sache, aber gleich zwei Fehler in fünf Wörtern und das öffentlich in einem großen Hauptstadthotel – da darf man wohl schon mal nach der Ausbildung der dafür zuständigen Mitarbeiter fragen.
Also, kurze Aufklärung und die richtige Schreibweise: „Bailliage“ bezeichnet die „Region“, wörtlich eigentlich die „Vogtei“ und „Commis“ ist der „Jungkoch“, nicht mehr Lehrling, aber auch noch kein Meister.Sieben Commis nahmen am regionalen Ausscheid Berlin-Brandenburg des internationalen Jungköchewettbewerbs „Concours des Jeunes Commis Rotisseurs 2009“ an diesem Sonntag teil, der älteste 25, der jüngste 19 Jahre alt, eine Frau war leider nicht dabei. Sie trafen pünktlich in der Maritim-Hotelküche ein, obwohl die frühen Morgenstunden sicher auch für Köche nicht die kreativste Zeit sind.
Die jungen Leute in der traditioneller Kluft ihrer Zunft, also ohne Basecape- und T-Shirt-Outfit der kochenden Entertainer in diversen TV-Shows, nahmen ihren Warenkorb in Empfang. In Wirklichkeit handelte es sich um eine Plastikkiste mit Lebensmitteln, die eine gute Hausfrau auch für das familiäre Sonntagsessen einkaufen würde: Bachsaibling, Perlhuhn, Fenchel, Spitzkohl, Strauchtomaten, Blutorangen – keine Edelprodukte also, möglicherweise war das die Herausforderung.
Die sieben Commis – vier aus Berliner und drei aus Brandenburger Hotels – nahmen sie an und lösten die Aufgabe, daraus binnen einer halben Stunde ein dreigängiges Menü zu entwickeln und aufzuschreiben, mit Bravour.
„Fehler in den Formulierungen der Menükarten wirken sich natürlich negativ auf das Ergebnis aus“, warnte Juryvorsitzender Roy Augustin, Hoteldirektor und Küchenchef in der Residenz Motzen. Doch die Jungköche beherrschten die Speisenkartenprosa, mal abgesehen von ein bisschen protzigem Gastrofranzösisch und einigen lyrischen Elementen. Duette und Sinfonien, na ja. Und anstelle von „Madelfinancier“ beispielsweise könnte man getrost auch „Mandelbiskuit“ sagen, das kennen die Gäste wenigstens von ihrem Bäcker.
Dann lief die Zeit, es wurde gebraten, gedünstet, gekocht, geschnippelt und gewickelt.
Küchendirektor Reinhold Schuwer und Küchenchef André Walker vom Berliner Maritim-Hotel, Gastgeber des Wettbewerbs, konstatierten „ausgereifte handwerkliche Fertigkeiten“.
Wir staunten vor allem über das Handwerkszeug der jungen Männer. Da kamen japanische 800-Euro-Messer ebenso zum Einsatz wie sündhaft teure Profireiben und noch teurere Räucherapparate.
Wie wichtig solche Wettbewerbe sind, sagte uns schon Tage zuvor einer, der sich als Küchenchef und IHK-Prüfer für eine qualifizierte Ausbildung künftiger Köche engagiert – Holger Zurbrüggen vom Restaurant Balthazar.
„Von 20.000 Köchen in Berlin verdienen vielleicht 20 Prozent die Berufsbezeichnung“, so bringt es der erfahrene Gastronom auf den Punkt. „Weshalb?“ „Weil zu wenige lernen, mit frischen Produkten zu arbeiten und mit Lebensmitteln sensibel und sorgfältig umzugehen.“ Das heißt wohl zuallererst, die Palette der Produkte zu kennen und das Handwerk zu beherrschen, sie zu veredeln.
Dafür sind solche Nachwuchs-Wettbewerbe ein durchaus hilfreiches Mittel. Natürlich, noch immer gibt es auch Koch-Wettkämpfe bei denen artifizielle Show-Stücke fabriziert werden – Motto: das Auge isst zuerst – davon jedoch ist der „Concourse des Jeunes Commis Rotisseurs“, zumindest in Berlin, weit entfernt.
Ob das so bleibt, hängt sicher auch von der jeweiligen Jury ab. Auf jeden Fall nehmen die Erstplatzierten der regionalen Wettbewerbe am nationalen Ausscheid jedes beteiligten Landes teil. Der Sieger wiederum qualifiziert sich für den internationalen Wettbewerb, der jedes Jahr in einem anderen Land ausgetragen wird. Auch da werden von den Juroren nicht nur Geschmack und Kreativität, sondern auch Zeiteinteilung und Arbeitsweise beurteilt. Im Vorjahr übrigens fand die Veranstaltung in der „Academie d´ Art Culinaire Le Cordon Bleu“ in Paris statt, Kandidaten aus 20 Ländern bewarben sich um den „Weltmeistertitel“.
Der Sieger 2008: Tobias Günther, Commis im Fairmont Hotel Vier Jahreszeiten in Hamburg.
In Berlin wurde erstmal punkt 12 angerichtet: Vorspeise, Hauptgericht, Dessert. Die Jurymitglieder – vier Profiköche (der inzwischen mit einem Taxi unversehrt vom Unfallort eingetroffene Frank Schreiber aus Finsterwalde, Thomas Brockmann vom Haus Sanssouci, Berhard Rings vom Restaurant Rings und André Walker vom Maritim Hotel) und drei gestandene Hobbyköchinnen (Barbara Großklaus, Gaby Marquardt und Dr. Theophana Prinzessin von Sachsen) nahmen die Kreationen kritisch unter die Lupe. „Présentation, Composition, Dégustation“ lauteten die von der Pariser Chaine-Zentrale vorgegebenen Bewertungskriterien. Maximal 5 Punkte für das Aussehen, 10 für die Zusammenstellung und 15 für den Geschmack konnten erzielt werden. Der erste Eindruck: keine Überraschungen – Spitzkohl passt nun mal gut zum Perlhuhn, und Schokolade harmoniert mit der Blutorange. Keine molekularen Spielereien, dafür da und dort ein bisschen zu viel Teller-Ikebana, zu viel des Guten beim Anrichten. Das wichtigste allerdings stimmte. Die Garzeiten und Würzungen der Gerichte ließen kaum Wünsche offen.
Am Abend wurde das Juryergebnis im Rahmen einer Küchenparty verkündet, auch hier blieben Überraschungen aus. Auf Platz 1 kam ein junger Koch aus dem kulinarischen Trainingscamp von Thea Nothnagel im Hilton am Gendarmenmarkt, es folgten ein Commis aus dem Grand Hyatt und einer aus der Lorenz-Adlon-Brigade von Thomas Neeser. Ihnen, aber auch denen, die nicht aufs Podest kamen: Chapeau und weiter so!
- Platz: Nils Nimczewski, Hilton (574 Punkte)
- Platz: Martin Scholz, Grand Hyatt (537 Punkte)
- Platz: Jan Hoffmann, Adlon (505 Punkte)
Das Siegermenü:
Zweierlei vom Bachsaibling – Mousse unter Thymian-Weißweingelee und gebraten auf mariniertem Fenchelsalat, Salatspitzen in der Kirschtomate mit Dill-Senfsauce
Perlhuhnbrust im Knusperbrotmantel auf Karottenpüree, Rosmarinragout von der Perlhuhnkeule, glasierte Spitzkohlrauten und Kartoffel-Blutorangencroustini
Lauwarmes Vanilleküchlein, dunkle Mousse von der Schokolade, Schokoladenmalerei und Zuckerspiel
Die Kommentarfunktion ist geschlossen.