Austria spezial … Östereicher in Berlin
Es österreicht noch lange nicht.
Zugegeben, das Verb in unserer Überschrift ist geklaut. Die Wiener Wochenzeitung „Falter“ benutzte es für ihren Titel zu den jüngsten Wahlergebnissen in der Alpenrepublik. Nur zur Erinnerung: aus Protest gegen die beiden Volksparteien wählten die Österreicher am 28. September rechts. Die SPÖ hat nun noch 29,7 Prozent, die ÖVP noch 25,6 Prozent, und mit 29 Prozent haben FPÖ und ihr Ableger BZÖ den Fuß in der Tür. Es österreicht.
Wir sagen: es österreicht noch lange nicht und meinen damit die Zahl der gastronomischen und kulinarischen Offerten in Berlin. Der Grund für dieses Plädoyer liegt weniger im landsmannschaftlichen Patriotismus einiger unserer Autoren, sondern darin, dass in der deutschen Hauptstadt durchaus noch für einige österreichische Restaurants Platz wäre. Die Entwicklung jedenfalls scheint hoffnungsvoll.
Vor 60 Jahren veröffentlichte der österreichische Journalist Eugen Szatmari sein „Buch von Berlin“. „Richtig wienerisch, mit Häuptelsalat, Backhendel, Tafelspitz und Buttererdäpfel“, konstatierte er damals, „wird nur im Wiener Burgrestaurant gekocht, wo die meisten in Berlin weilenden Wiener speisen und die Küche ganz genau kontrollieren.“
Aus der Zeit Anfang der 1980er ist die Pulvermühle in Erinnerung, ein historisches Wirtshaus mit Alpenlandküche in der Wilhelmstraße.
Und natürlich das Kreuzberger Exil. Im ältesten Szene-Treff Berlins kochte der Wiener Literat Oswald „Ossi“ Wiener gute österreichische Hausmannskost und servierte noch bessere Sprüche. „Bier ist die Lyrik des Klassenkampfes“, war einer davon.
Mitte der 1990er schließlich wurde mit der Eröffnung des Ottenthal in der Kantstraße und weiterer Restaurants etwas ins Rollen gebracht, das ein Salzburger Kollege ganz gut mit Berliner Beisel-Blüte beschrieben hat.
Rund 20 Austria-Restaurants zählen wir derzeit in Berlin. Während anfangs die Kritiker noch über die „bodenständige und kalorienhaltige Heimwehküche“ herzogen, haben sie sich inzwischen damit abgefunden, dass die grundsoliden Angebote im Brechts am Schiffbauerdamm, im Austria am Marheinekeplatz, im Riehmer’s in der Hagelberger Straße oder in den anderen Österreich-Lokalitäten mehr Zuwendung genießen als beispielsweise die Offerten der Zander-Zitronengras-Fusionisten. „Back to the Basics“ heißt der Trend, und das Wiener Schnitzel avanciert auf dieser Welle zum Berliner Nationalgericht.
Dass es da und dort nahezu quadratmetergroß und zeitungspapierdünn serviert wird, treibt zwar Gästen aus der Donaumetropole die Zornesröte ins Gesicht, aber gemach, liebe Wiener: auch beim Figlmüller in der Wollzeile kommt es so auf die Teller, und andere Restaurationen im Wiener Zentrum stehen dem bekannten Stadtheurigen in nichts nach. Motto: Was wissen die Touristen schon über das Wiener Schnitzel…
Tatsächlich sollte es maximal 160 Quadratzentimeter groß sein, zehn mal 16 Zentimeter etwa, quer zur Faser aus der Kalbsschale geschnitten und vorsichtig geklopft werden. Kräftig mit Mehl bepresst, durch verquirltes, gut gesalzenes Ei gezogen, mit Semmelbrösel paniert, wird es in einer mit heißem Schweineschmalz gefüllten Pfanne – die Traditionalisten lassen nichts anderes gelten – goldbraun gebacken. Die Schnitzel-Moderne akzeptiert auch Butterschmalz; das Schnitzel in der Fritteuse auszubacken, gilt allerdings als Sakrileg. Die Panade muss Falten werfen wie das Gesicht eines Shar-Pei-Hundes, sie muss „soufflieren“. Dann das Fett sorgfältig abtupfen, und das Wiener Schnitzel ist, wie es sein sollte – außen staubtrocken, innen heiß und zart. Dazu einen Erdäpfel-Vogerl-Salat, einen Grünen Veltiner aus dem Weinviertel, und die Feinspitze jubeln.
Vollkommen wird die Verzückung von Exil-Österreichern und Österreich-Freunden jedoch, wenn neben dem inzwischen unvermeidlichen Wiener Schnitzel auch seltenere Spezialitäten der Alpenlandküche auf den Speisenkarten der Berliner Beiseln stehen: Tiroler Speckknödel zum Beispiel, Kärntner Surfleischnudeln, Burgenländer Bohnenstrudel oder Steirisches Wurzelfleisch. Auch Blunzengröstel, Rahmherz und andere Innereien haben Reserven, ebenso ist der Reichtum der Knödelwelt längst nicht in Berlin angekommen.
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