Wo Gysi die Nummer eins ist
Berlin hat viele Schokoseiten – im wörtlichen wie im übertragenen Sinne. Erste reichen weit über 100 Jahre zurück, nach Mitte in die Mohrenstraße. 1868 gründete Hugo Hoffmann hier eine Manufaktur zur Herstellung von feinen Pralinen, Fondants und Fruchtpasteten. Später erwarb er an der Friedrichstraße er ein Geschäft und verkaufte dort unter dem Markennamen Sarotti (der Name des ehemaligen Ladenbesitzers) seine Produkte. 1918 schließlich entstand der Sarotti-Mohr, eine Schokoladen-Werbefigur, heute immer noch mindestens genauso bekannt wie die lila Kuh und ein Beweis dafür, dass Berlin durchaus den Beinamen Schokoladenstadt verdient hätte. Zur Tradition kommt außerdem noch die Gegenwart – dutzende kleiner Läden haben sich auf die Herstellung oder den Verkauf feiner Schokolade spezialisiert. Und wenn Trude Herr in den 50ern sang „Ich will keine Schokolade“, dann trifft das auf Berlin ganz und gar nicht zu.
„Oberschweineöde“ sagen manche Berliner immer noch zu dem Stadtteil rund um die Wilhelminenhofstraße, der zum Bezirk Treptow-Köpenick gehört. Ausdruck der Tatsache, dass in diese Gegend nur kam, wer musste – zur Arbeit beispielsweise in eine der großen Fabriken. Ansonsten – Bonjour tristesse. Nun hat auch Oberschöneweide sein Gesicht verändert. Junge Firmen kamen, siedelten sich in dem ehemaligen Industrierevier an und bestimmen heute dessen Bild. Dennoch ist der Hinterhofcharme nicht vollends verschwunden.
Für Peer Michaelis ist das kein Grund zur Panik, im Gegenteil. Seine Kunden kennen die Hallen des ehemaligen Kabelwerks, in denen Michaelis heute in Schokolade macht. Nicht in Massenware, wie nebenan beim Discounter – der 40 jährige beschäftigt sich ausschließlich mit dem Besten, das seine Branche bietet.
Mit Schokolade in der Hand geboren
Über den Umweg des Textilhandels kam Michaelis, Berliner und diplomierter Betriebswirt, aufs mehr oder weniger Süße. „Dabei“, so sagt er heute, „wurde ich eigentlich mit Schokolade in der Hand geboren.“ Kein Wunder also, dass Michaelis zum Chocoholic avancierte. Start bei Berlins Schokokönig Jürgen Rausch als Assistent, später Verkaufsleiter. Ab 2004 Berater deutscher Süßwarenfirmen, Ende 2005 Gründung der Schokozeit AG, Sitz: die Rathenau-Hallen in der Wilhelminenhofstraße. “Schokozeit steht für bewussten Genuss“, erläutert er die Firmenphilosophie, „aber wenn einer gerne Industrie-Schokolade isst – ja Gott, dann ist das sein Recht.“
Für alle, die an Schokolade hohe Geschmacksmaßstäbe anlegen, sind Michaelis und seine 12 Mitarbeiter auf der Suche – nach Produkten jenseits des Mainstreams. Die Antwort auf die Frage, welche die beste Schokolade der Welt sei, kommt prompt: “Gysi, ein Schweizer Fabrikat aus Bern.“
Die nächste Frage nach Schokolade, die nicht seinen Vorstellungen entspricht. „Jede, die außer Kakaobutter fremde Fette enthält“, so der Profi. Schließlich das wohl wichtigste: Wie kommt man zu den Schokozeit-Produkten?
Seit September 2008 gibt es einen Fabrikverkauf in Oberschöneweide, zudem kann man einem Club der Schokoladenliebhaber beitreten, dessen Mitglieder einmal im Monat Edelpralinen im Abo erhalten. Und – natürlich – per Internet bestellen. Außerdem im Angebot: Biosäfte aus den Keltereien Perger am bayerischen Ammersee und van Nahmen vom Niederrhein.
Michaelis: „Schokolade ist nicht nur mit Wein, sondern auch mit Fruchtsäften durchaus ein Thema“. Wir probieren Pamaco Arricua 72 % und Perger Sauerkirsche – ein Traumpaar.
Fazit: man sollte sich bei einem Schokozeit-Besuch in Oberschöneweide Zeit nehmen.
Schokozeit
Wilhelminenhofstraße 83-86
12459 Berlin
Tel. 030 – 53 02 48 99 0
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