Die Marheineke-Markthalle
Kreuzbergs Antwort auf das KaDeWe
Zwischen diesen beiden Bildern liegen 84 Jahre, zwei Kriege, Zerstörung, Wiederaufbau und eine komplette Modernisierung. Hunderte Händler kamen und gingen in dieser Zeit, manche blieben auch ein Leben lang. Ebenso wie ihre Kunden. „Die Marheineke – Kreuzbergs Antwort auf das KaDeWe“, die Idee zu diesem Titel hatte unsere Grafikerin Karin Baetz. Sie lebt zwar in Neukölln, kennt die Markthalle in Kreuzberg allerdings seit Jahren. Als stille Beobachterin des Treibens und als Kundin von Brot und Tee. Vor der Runderneuerung im Jahr 2007 wäre ihr der Vergleich mit dem KaDeWe wohl nicht mal im Traum gekommen – jetzt allerdings…
Sicher, er ist ein bisschen hoch gegriffen. Andererseits gibt es in der Halle weit mehr als nur die Dinge des täglichen Bedarfs. Die über 50 Händler haben sich ein Motto gebastelt: „bio-frisch-regional“. Danach stellen sie ihre Angebote zusammen, wobei „regional“ durchaus nicht nur Brandenburg meint, sondern eher die Abgrenzung von anonymen Lebensmittelfabriken formuliert. „Meine Region ist die Bretagne.“, sagt beispielsweise der Händler Charles Rocher, „nicht nur, weil die schönsten Franzosen von dort kommen, sondern auch die besten Artischocken, wunderbare Salzbutter und natürlich Sarrasin, eine Buchenweizenart, deren Mehl ganz vorzüglich geeignet ist, Galettes zu backen.“
So kann man das auch sehen. Oder auch nicht. Die Marheineke-Halle jedenfalls ist ein historisches Stück Berlin und ein lebendiges dazu.
Gegenüber ist die Fress-Meile und Ulrike Piecha in ihrem Element. Chili con carne, Spaghetti bolognese, Bio-Burger und viel Kommunikation, das riecht nach Germanistik ohne Examen. Doch die Geschichte der jungen Frau ist viel interessanter: aufgewachsen auf Rügen, Kochlehre im Düsseldorfer Victorian, Weltreise mit Herdpausen, schließlich Studium. Slow-Food Universität Turin mit Abschluss in Gastronomie Sciences. Eine Auskennerin mit viel Charme und noch mehr Selbstbewusstsein. Hey, ich bin kein Imbiss. Tatsächlich – Bio-Schnellrestaurant steht über ihrer Küche.
Charles Rocher ist es egal, wie man seinen Stand nennt. Charme hat er auch, auch Selbstbewusstsein, nur Ulrike Piechas Ausbildung nicht. Er ist Fahrradmechaniker mit Hang zum Kulinarischen, Franzose eben, Bretone. Er serviert hundert Kleinigkeiten, Espresso, „die beste“ und Croissants, auch „die beste“. Bei soviel Stolz glauben das die Kunden gern. Le Bretagne steht auf seiner Visitenkarte: Café, Épicerie, Croissanterie, Sandwicherie, Traiteur.
Sitzen und quatschen wie Gott in Frankreich, und plötzlich diese Stimme: Guten Morgen, ich bin Horst Köhler. Horst Köhler? Hockerwende. Da steht der Mann, graue, wache Augen, graues, kurzes Haar, grauer Drei-Tage-Bart, dunkler Anzug, weißes Hemd, Gott sei Dank krawattenlos. Köhler ist der, „blödes Wort“, sagt er, „Centermanager“. Zuständig für die Vermietung und Vermarktung. Er plant kulinarische Veranstaltungen, will eine Bierbar und eine Kochschule einrichten, spricht von Erlebniskauf und davon, dass der Eventcharakter der Markthalle deutlicher, die Ausstrahlung über den Kiez hinaus stärker werden müssen. Zum Glück ist der Mann Thüringer, da klingen die Forderungen nicht wie Befehle. Au revoir, Charles.
Horst Köhler macht den Hallenführer. Wie geht’s Frau Knüttel. Frau Knüttel ist Wally und handelt mit Käse: Cheddar, Greyerzer, Reblochon, Vacherin – 150 Sorten locker.
Hallo! Das Kräuterhaus Kreuzberg grüßt zurück. Tausend Kräuter und Gewürze, sollte man sich merken. Das gilt auch für Berit herzer, die Kräuterfrau. Kenntnisreich und freundlich – wie die meisten Händler hier. Schließlich Alimentari e Vini, Giuseppe Madia, der ultimative Italiener, Feinkost, Weine und ein freundlicher Wortwechsel: „Gute Stimmung – Gute Stimmung ist noch kein Umsatz – Aber Voraussetzung dafür.“ Letzte Station: der h.o.f. laden von Christian und Christiane Hoppe. Regionale Produkte, die meisten aus Brandenburg, fast alle Bio.
Irgendwie doch wenigstens wie ein kleines KaDeWe.
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