Kreuzberg kochte
Gedanken über eine kulinarische Erfolgsgeschichte
Es ist 10 Uhr morgens, und acht Männer in weißen Kochjacken liegen sich in den Armen. Die Augenringe groß wie Wagenräder, der Gang schwer. Ein Königreich für einen Kaffee. Köche sind eben keine Frühaufsteher. Bei „Kreuzberg kocht“ müssen sie es aber sein. Das Ergebnis: notorische Übermüdung, gepaart mit Vorfreude.
Einmal im Jahr steht der Chamissoplatz drei Tage lang im Zeichen gehobener Kochkultur, und ganz Berlin ist dabei. Beltle, Hartmann, Kurt und Co. erfreuen sich erheblicher lokaler Prominenz.
Einer spricht den Satz des Tages: „Kreuzberg kocht´ ist ein ehrliches Festival.“ Er meint damit wohl klein und fein, kein überdimensionales Spektakel. Das ist sicher ein Geheimnis seines Erfolges. Dazu kommt die Eigenregie der Köche. Es gibt keinen fremden Betreiber, keine laute Werbung und keine Sponsoren, die auf diese oder jene Rechte pochen. Made in Kreuzberg, das ist jene fröhliche Mischung aus 50 Prozent Perfektion und 50 Prozent Improvisation und die tiefe Überzeugung, dass dieses Fest deshalb so gut ist, weil es genau so ist wie es ist. „Kreuzberg kocht“ ist nicht mehr wegzudenken aus dem kulinarischen Veranstaltungskalender des Bezirkes.
Die Gäste kommen in Scharen, weil sie wissen, dass die Köche hier alles geben. Das wiederum spornt die Männer in Weiß besonders an. Die Herausforderung, hunderte Besucher an drei Tagen kulinarisch und kommunikativ zufrieden zu stellen, sie mit neuen Ideen und außergewöhnlichen Kreationen zu überraschen, reizt die Köche zusätzlich. Da tut es nichts zur Sache, dass sie im Festzelt ohne die heimischen Herde auskommen und mit manchen anderen Schwierigkeiten kämpfen müssen. Um sich von der besten Seite zeigen zu können, ist natürlich wochenlange Planung nötig. Das Mise en place beginnt schon lange vorher und verlangt sowohl den Köchen als auch ihren Brigaden einiges ab. Wenn von kulinarischen Highlights die Rede ist, dann heißt das eben auch, dass nicht das gekocht wird, was im Restaurant sowieso gekocht wird, sondern dass es nur eine Devise gibt: Das Bestmögliche ist für „Kreuzberg kocht“ gerade gut genug.
Stefan Hartmann (Hartmanns), der amtierende Berliner Meisterkoch, war in diesem Jahr der kreative Gaumenschmeichler. Sebastian Theiss (Hof zwei im Mövenpick-Hotel) präsentierte seine moderne Aromen-Küche mit asiatischem Touch. Matthias Gleiß (früher h.h.müller) bewies mit einem kreolischen Hähnchenspieß mit Xocopili seinen Hang zum Experiment und wird wohl 2010 schmerzlich vermisst werden, denn er war in diesem Jahr zum letzten Mal dabei. Neu-Italienisches mit Schmackes war der Part von Andreas Staack (Noiquattro). Die Traditionalisten testeten die Cucina Lingua von Pasquale Ciccarelli (Bar Centrale), der, welch` Glück, nach zwei Jahren Pause wieder mit im Boot war. Bei Kreuzberg-kocht-Gründungsvater Thomas Kurt (e.t.a. hoffmann) kamen badisch-französische Klassiker auf die Teller und Neuling Willi Login (Riehmer´s) servierte österreichische Spezialitäten. Varatio delectat. Und wenn nichts mehr geht, geht immer noch eins: die katalanische Crème von Herbert Beltle (Altes Zollhaus).
Kreuzbergs Köche haben etwas geschafft, wovon Werbefirmen träumen: sie haben in sieben Jahren „Kreuzberg kocht“ zu einem Markenzeichen des Bezirks gemacht, das weit über dessen Grenzen hinaus wirkt.
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