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Berliner Meisterköche 2009

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Der Fahrstuhl nach oben. Der spektakuläre Blick über die neue Mitte Berlins.

Die 13. Etage des Hotels Intercontinental, ein guter Ort für die Bekanntgabe der Titelträger Berliner und Brandenburger Meisterkoch, Berliner Sommelier, Berliner Maître, Aufsteiger und Gastronomischer Innovator des Jahrgangs 2009. Prof. Dr. Dr. h.c. Dieter Großklaus, seit der ersten Auflage der Ehrenrunde 1997 Jurypräsident, lüftet das gut gehütete Geheimnis. Überraschungen bleiben aus. Die unabhängige Jury, zwölf renomierte Gastronomiejournalisten und Restrauranttester, traf mit Christian Lohse, Torsten Voigt, Billy Wagner, Vedad Hadziabdic, Daniel Achilles und Roland Mary in allen Kategorien eine gute Wahl. René Gurka, Geschäftsführer der Berlin Partner GmbH erklärt: „Unsere Arbeit, den Standort  Berlin in allen Facetten zu fördern und zu vermarkten, wäre um Einiges schwieriger, hätten wir die Spitzengastronomie nicht als Partner. Erstklassige Restaurants mit exzellentem Service sind einerseits ein Wirtschaftsfaktor, andererseits prägen sie das Image unserer Stadt positiv.“

Meisterköche 2009 – eine Auszeichnung 20 Jahre nach dem Mauerfall. Die Redner bemühen an diesem Tag natürlich die Vergangenheit. Der Aufstieg Berlins von der Boulettenhauptstadt zur Gourmetmetropole hat sicher sowohl etwas mit dem Ende des Westberliner Inseldaseins als auch damit zu tun, dass für Ostberlins Köche die Mangel- und Zuteilungswirtschaft vorüber ist. Dennoch – der Weg ist lang.Gert von Paczensky, seinerzeit Chefredakteur von Radio Bremen und Restauranttester der Zeitschrift essen & trinken, schreibt mit dem Blick auf Berlin: „Allzu oft schwindet der Appetit mit dem Essen.“ Die nicht minder spitze Feder seines Kollegen Klaus Besser notiert: „Der Berliner, selbst der wohlhabende, liebt das Deftige, Riesenportionen und dazu die Molle.“ Und Wolfram Siebeck schließlich, der dritte im Bunde der damals tonangebenden Restaurantkritiker, bezeichnet Berlins Köche schlicht und spöttisch als „Grurkentruppe“.

Michelin und Gault Millau, die beiden maßgeblichen Guides, sind sich in ihren Ausgaben 1989 ausnahmsweise weitgehend einig, was Berlin betrifft. Die rote Bibel vergibt insgesamt sechs Sterne: zwei für Siegfried Rockendorf (Rockendorf´s Restaurant) sowie je einen für Peter Frühsammer (Frühsammers Restaurant An der Rehwiese), Valter Nazza (Ponte Veccio), Franz Raneburger (Bamberger Reiter) und Karl Wannemacher (Alt Luxemburg). Diese Restaurants bilden auch im 1989er Gault Millau die Berliner Spitzengruppe. Frühsammmers und Rockendorfs Restaurants erhalten 16 Punkte, der Bamberger Reiter ist mit 15, Alt Luxemburg und Ponte Vecchio mit 14 Punkten notiert. Hinzu kommt das Avec in der Charlottenburger Mommsenstraße (14 Punkte) – ein kleines Restaurant, in dem Udo Kämper, Ende der 1970er gemeinsam mit Henry Levy Wegbereiter einer modernen, leichten Art des Kochens, mit Altberliner Menüs Furore macht. Es gibt Liebstöckelcreme, Havelzander mit Sauerrahmsauce und Lammkeule mit einer Kruste von Schafskäse und Basilikum.

Ansonsten punkten 1989 vor allem Italiener: Anselmo (12), Ars Vivendi (12), Bacco (12), Borbone (12), La Cascina (12), Cristallo (14), Da Antonio (14), Mario (13) und La Vernaccia (15). Insgesamt 49 Restaurants hält der Führer in Berlin für bemerkenswert, zehn davon übrigens im Ostteil der Stadt. Dabei bewerten die Noten für diese zehn allerdings lediglich die Kreativität der Köche und die Harmonie der Zubereitung.Die Qualität der verwendeten Produkte bleibt außen vor.Der Gault Millau begründet: „Köche in der DDR können nicht markengerecht einkaufen, sondern müssen nehmen, was sie kriegen – selten saisonale Frischprodukte, vornehmlich Konserven.“

Zu den wenigen herausragenden gastronomischen Improvisationskünstlern dieser Zeit in der DDR-Hauptstadt gehört Doris Burneleit, charmante Chefin des einzigen „Italieners“ zwischen Pankow und Treptow. Sie macht im Fioretto im Ost-Berliner Stadtteil Oberspree fehlendes Produkt mit viel Liebe wett und serviert beispielsweise Involtini alla Roma – kleine, mit Kräutern gefüllte und im Römertopf gegarte Rouladen – oder Gnocchi mit Kaviar und Sahne.

Kein Wunder, dass Hans-Peter Wodarz, von Verleger Hubert Burda mit der kulinarischen Ausgestaltung der Bambi-Verleihung 1990, der ersten im Osten, beauftragt, auch die Köchin aus Köpenick nach Leipzig einlädt. Gemeinsam mit den zehn besten Küchenchefs aus der alten Bundesrepublik und neun ihrer Kollegen aus der ehemaligen DDR, kocht Doris Burneleit im Zeichen der Einheit. Sie genießt den Beifall der 1 200 geladenen Gäste und hat Tränen in den Augen als die Menschen, die mit ihren friedlichen Montagsdemonstrationen das Fundament zur Wiedervereinigung Deutschlands gelegt hatten, auf dem Leipziger Opernplatz singen: „So ein Tag, so wunderschön wie heute…“

Bodenständige Küche, mit Raffinesse zubereitet, ist auch heute noch Doris Burneleits Markenzeichen und ihre Trattoria Paparazzi eine der besten kulinarischen Adressen in Prenzlauer Berg.Auch Marco Müller, damals 19-jähriger Jungkoch im Potsdamer Klosterkeller, kann Lieder von der DDR-Mangelwirtschaft singen. Er erzählt, wie er am Tag des Mauerfalls zum ersten mal nach West-Berlin fährt, mit Freunden und einem geborgten Lada. Wie sie die ganze Nacht feiern und am nächsten Morgen ins KaDeWe ziehen. Auf der Feinkostetage kommt der Schock, dem die Erkenntnis folgt – nichts wie weg aus Potsdam. Bereits Anfang Februar 1990 steht Marco Müller dann im Schlosshotel Gehrhus im Grunewald am Herd.

Heute gehört der inzwischen 39-jährige Küchenchef und Sternekoch in der Weinbar Rutz zur Spitzengruppe der hauptstädtischen Herdkünstler.Fast auf den Tag genau acht Jahre nach dem Mauerfall, am 5. November 1997, kommt es zu einem kulinarischen Gipfeltreffen im Hotel Intercontinental. Partner für Berlin verleiht zum ersten Mal den Ehrentitel Berliner Meisterkoch. Dessen Geschäftsführer Volker Hassemer begründet die Aktion: „Mit dem neuen Berlin entwickeln sich auch die Berliner Küchen immer besser. Sie gehören zu den attraktiven Zielen der Stadt. Es lohnt sich also, auf die besten hinzuweisen.“Selbst jene, die noch immer Berlins fettigen Ruf beschwören, müssen erkennen, dass Spitzengastronomie an der Spree kein Fremdwort mehr ist.

Großen Anteil daran haben ohne Zweifel die ersten Berliner Meisterköche Herbert Beltle, Manfred Heissig, Johannes King, Franz Raneburger, Rolf Schmidt und Karl Wannemacher sowie Kurt Jäger, Kolja Kleeberg und Siegfried Rockendorf, die zu den Preisträgern im folgenden Jahr gehören. Sie kochen nicht nur gegen ein abgestandenes Vorurteil an, sondern viele derer, die heute mit ihren Restaurants in Berlin Furore machen, haben das Einmaleins der Herdarbeit bei den Altmeistern gelernt – Sonja Frühsammer etwa bei Karl Wannemacher, Marco Müller bei Johannes King oder Tim Raue bei Franz Raneburger und Rolf Schmidt.

Diese junge Garde hat inzwischen den Staffelstab übernommen und ein beeindruckendes Tempo angeschlagen. Gemeinsam mit Köchen wie Michael Hoffmann und Christian Lohse, für die die Stadt nach dem Mauerfall interessant wurde, haben Stefan Hartmann, Michael Kempf, Björn Panek und Co. Berlin zur kulinarischen Hauptstadt gemacht. Ein Berliner Küchenwunder? „Eher eine kleine Revolution mit dem Ergebnis“, so Zwei-Sterne-Koch Christian Lohse, „dass wir inzwischen durchaus von einer Berliner Schule sprechen können.“

Preisträger 2009

Berliner Meisterkoch 2009

Christian Lohse, „Fischers Fritz“, The  Regent Berlin

Brandenburger Meisterkoch 2009

Torsten Voigt, „Windspiel“, Schloss Hubertushöhe, Storkow

Aufsteiger des Jahres 2009

Daniel Achilles, „Restaurant Reinstoff“

Berliner Maître 2009

Vedad Hadziabdic, „Die Quadriga”, Brandenburger Hof Berlin

Berliner Sommelier 2009

Billy Wagner, „Weinbar Rutz“

Gastronomischer Innovator 2009

Roland Mary, „Borchardt”, „San Nicci“

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