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Jubelei auf Carmen

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Es ist die unverfälschte Natürlichkeit von Köchin und Gekochtem, die aus Carmen Krüger, kaum hatte sie nach der Wende den Sprung ins eiskalte Wasser kapitalistischer Gastronomie gewagt, eine Lieblingsköchin von uns allen gemacht hat.

Es ist ihr Kochstil, dem wir verfallen sind. Der ist nämlich in keiner Weise modisch, hängt sich an keinen Trend, und er kann deshalb auch nicht aus der Mode kommen.

Ich bin damals gleich nach der Wende für meine Redaktion, das war die von Essen & Trinken, gern und ausgiebig durch Brandenburg getourt, weil ich als Westberlinerin meine Heimatkunde nachholen wollte. Fontane und so …

Landschaftlich war da viel Schönes, zum Essen gab es eher Fürchterliches. Ich will Sie nicht langweilen. Kurzum:  Es gab in der frühen Nachwendezeit nur eine anständige kulinarische Zuflucht in der Brandenburger Streusandbüchse: Das war, schon 1990, Carmens schlichtes Stübchen mit dem komplizierten Namen. Das C+W Gourmet draußen in Eichwalde. Dass es heute in Brandenburg mindestens genau so viele gute Köche gibt wie in Schleswig-Holstein, das ist auch dieser großen Köchin zu verdanken.

Froh über Carmen Krüger

Ich bin sehr froh, dass Carmen Krüger in all den Jahren meine kulinarische Weggefährtin gewesen ist. Ab und zu haben sie und ihr Partner Wolfgang Haase mich auch beim Testen begleitet. Ich sag’s Ihnen: Großartigere, weil ungemein kenntnisreiche  und fröhliche Mitesser kann man nicht am Tisch haben. Auch die schäbigste, schon grün schillernde Wildpizza konnte uns da nicht schrecken.

Wie Sie sich sicher vorstellen können, kenne ich mich in meinem Beruf mit Köchen gut aus. Ich hab mit fast allen gearbeitet, die seit den frühen Achtzigern in Deutschland die anspruchsvolle Küche ausmachen. Die Witzigmanns und Wohlfahrts, die Lafers und Schuhbecks, die Kammeiers und Raneburgers.

Aber bis auf letzteren ist auf dem Teller – und auch sonst – keiner von denen so ehrlich wie die blonde Blauäugige, die stur – wie eine Brandenburgerin eben – in höchster Qualität das Einfache kultiviert. Und das mit den besten Produkten ihrer Region. Carmen Krüger hat sich über die Jahre einen bemerkenswerten Kreis von Qualitätsmachern herangezogen, die ihr die Ware liefern, die sie für ihre extrem reduzierte Küche braucht. Fischer Lucas aus Niederlehme, Schlachter Nusche aus Lehme, die Spargel- und Gemüse-Jacobs aus Beelitz – nur ein paar Beispiele.

Das alles heißt nicht etwa, dass Carmen Krüger eine biedere Traditionalistin wäre, der die Erkenntnisse zeitgenössischer Küche und deren Moden ein Buch mit sieben Siegeln geblieben sind.

Die Spitzenköchin weiß genau, wie und womit allerorten Schäumchen geschlagen werden. Es ist nur so: Sie will das nicht, sie hat das nicht nötig, sie will keine Pirouetten auf dem Teller drehen, sie will einfach nur mit guten Sachen gut kochen. Und so ragt sie mit ihrer grundsoliden, puristisch auf Qualität bedachten Kunst erfrischend aus der Masse der Schaumschläger und Türmchenbauer heraus.

Und davon mal ganz abgesehen: es arbeiten ja alle Köche hart. Aber ich kenne niemanden in dieser Szene, der so hart arbeitet wie diese Frau. Putzen, Waschen, Bügeln, Kochen: Carmen macht alles „alleene“. Nur ihr Haase ist immer treu zur Seite, sorgt für den feinen, kleinen Weinkeller und bedient – mit dem für viele sehr gewöhnungsbedürftigen Charme des Brandenburgers – vorn die Gäste, während Köchin Carmen hinten mutterseelenallein in ihrer Winz-Küche schuftet, bis die Luft brennt. Den Schluck Champagner nach dem Service, den hat sie sich wirklich mehr als verdient.

Carmen Krüger ist glücklicherweise über all die Jahre die geblieben, die sie immer war. Eine Frau, die man einfach gern haben muss. Weil sie sich nicht verbiegen lässt, treu und fast dickköpfig in der Spur bleibt. Obwohl sie, wenn sie es sich so leicht gemacht hätte wie viele Gastronomen in den neuen Bundesländern, es viel einfacher hätte haben können mit dem Geldverdienen. Sie kocht ihre Gäste nicht ab wie die, sie kocht für sie.

Carmen Krüger ist seit zwanzig Jahren die beste Köchin in Berlin und Brandenburg: handfest, klar und geradeaus. Und genauso kocht sie auch: selbstbewusst, entschieden pur und stilsicher. Frau Krüger ist im besten Sinne märkisch: mehr Sein als Schein.

Und so hat sie im Laufe der Jahre auch alle wichtigen Fress-Kritiker von sich überzeugt. Ich kenne mindestens acht, die sich rühmen, die Eichwalderin als erste entdeckt zu haben. Was – meiner unmaßgeblichen Meinung nach – die höchste Form von Wertschätzung ist.

Der Gault Millau ist voll des Lobes, Essen & Trinken und der Feinschmecker auch. Bernd Matthies vom Tagesspiegel liebt sie. Jürgen Schiller vom Deutschlandradio Kultur und Thomas Platt von der FAZ sind treue Fans. Selbst den strengen Siebeck hat sie letztendlich überzeugt, nachdem der beim ersten Besuch doch sehr gelangweilt tat. Nach dem zweiten wünschte er sich dann für Deutschland mehr Köchinnen von ihrem Kaliber.

2002 ist Carmen Krüger zur Berliner Meisterköchin gekürt geworden. Und heute bekommt sie für ihre vorbildliche kulinarische Heimatpflege das Märkische Gaumengold, den Preis für ihr Lebenswerk, obwohl sie dafür noch viel zu jung ist.

Ich jedenfalls möchte mit meinen Freunden noch viele Jahre zu ihr wallfahrten, weil es bei ihr – ganz ohne Gedöns, ohne Firlefanz, ohne Schickimicki – die schönsten Sachen in ihrer schönsten Form gibt: Spargel, Krebse und Morcheln im Juni, ihre sensationellen Fischgerichte, egal ob Aal grün  oder Zander im Kartoffelschuppenmantel, immer wieder sonntags saftige Braten, schmeichelweichen Mändelchenpudding oder geniales Lebkuchenparfait. Und letzten Martini hatte ich bei ihr, in einem rummsvollen Laden, das beste Gänsesüppchen meines Lebens.

Carmen wir lieben dich. Bleib bitte noch lange so, wie du bist. Wir kommen auch alle helfen, wenn dir danach ist.

von Renate Peiler

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