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Wie man in Berlin zur Zeit der Königin Luise kochte

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Berlin 2010. Die Preußen-Fans feiern mit Ausstellungen und einem halben Dutzend neuer Bücher über Luise, die mit 21 Jahren Königin wurde und 1810 mit 34 Jahren starb. Sie ist die populärste Frauengestalt der preussischen Geschichte und neben Friedrich dem Großen die herausragende Persönlichkeit der Hohenzollern-Dynastie.

Ihr Todestag am 19. Juli war Garcon-Autor Jörg Teuscher Anlass, Antwort auf die Frage zu suchen, wie zu Lebzeiten der Preußenkönigin (1776-1810) gekocht wurde. Sein Erstaunen muss erheblich gewesen sein, als er ein über 100 Jahre altes Kochbuch entdeckte, das genau diesen Titel trägt: Wie man in Berlin zur Zeit der Königin Luise kochte.

403 Rezepte, aufgezeichnet 1795 von Friedérique Charlotte Fontane, herausgegeben 1903 von ihren Enkelinnen Jenny Sommerfeld und Eliese Weber. Deren Hoffnung, dass „die deutsche Hausfrau manches dieser Gerichte ihrem Repertoire wieder einverleiben möge“, erfüllte sich allerdings nicht. Der Grund lag auf der Hand. Berlin wuchs zwischen 1800 und 1900 von 170 000 auf 1,9 Millionen Einwohner. Das Gros hatte anderes zu tun, als solchen Spezialitäten wie Hechtpastete und Hasenbraten nachzuspüren. „Berlins kulinarische Gabe an die Nation besteht – trotz einer faszinierenden Küchenvielfalt – weit eher aus vergröberter Budikenkost: Schnell- und Armeleuteküche im Geist von Happenpappen und Hoppelpoppel“, beschreibt der Publizist Peter Peter treffend die Kulinaria dieser Zeit.

Wiederum gut 100 Jahre später nahmen sich mit Sven Albrecht (“Zander“) und Sebastian Marquardt („Goldener Greif“) zwei Küchenchefs des Kochbuches von Friedérique Charlotte Fontane an. Ihr Kommentar: „Ein kulinarisches Dokument von Wert und Rezepte, die belegen, dass die Berlin-Brandenburger Regionalküche sich nicht auf simplen Hackepeter und Stolzen Heinrich beschränkt.“

Sven Albrecht, Küchenchef im Restaurant Zander am Kollwitzplatz, gehört zu jenen jungen Berliner Köchen, die genau wissen, was sie wollen. „Regional, regionaler, am regionalsten“, beschreibt er sein kulinarisches Konzept.

Das Ergebnis ist eine feine bürgerliche Küche, anständig und preiswürdig. Und deren Basis wiederum sind frische Saisonprodukte aus bäuerlichen Betrieben vor allem in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern.

Das brachte dem 37-jährigen Thüringer, der sein Handwerk im längst verblichenen Hotel Adria lernte, höchst verdiente 14 Gault-Millau-Punkte ein.

Die hätte Albrecht allein schon für seine Hartnäckigkeit verdient, mit der er den Sonntagsbraten wieder hoffähig gemacht hat. Die gute Brühe ist die Basis der Suppen und feiert Wiederauferstehung und die Perlhuhnbrust wird poêliert. Also unter Zugabe von wenig Flüssigkeit im geschlossenen Topf schnell gebraten – wo gibt es das noch. Das Fleisch wird dadurch besonders saftig und behält seine an Wildgeflügel erinnernde Geschmacksnote.

Aus dem Kochbuch von Friedérique Charlotte Fontane wählte Sven Albrecht das Rezept Nr. 66 – „Eine angeschlagene Zunge“. Sein Fazit: „Ein interessantes Gericht, dass, wenn man ein wenig modernisiert, durchaus auf meine Speisenkarte passen könnte.“

Auch Sebastian Marquardt, gebürtiger Berliner und Nachfolger von Franz Raneburger im Restaurant von Schloss Glienicke gehört zu jenen jungen Berliner Küchenchefs, die auf Regionales schwören. Anstelle karierter Maiglöckchen kross gebratener Zander.

Viele Gerichte auf seiner Speisenkarte entstanden als Erinnerung an die deftige Küche von vorgestern, gekonnt verfeinert durch das, was er bei Johann Lafer auf der Stromburg und im Bamberger Reiter bei Franz Raneburger gesehen und gelernt hat. An Ideen jedenfalls fehlt es dem 37-Jährigen nicht.

Auch das Kochbuch der Friederique Charlotte Fontane betrachtet Marquardt nicht nur als kulturhistorisches Dokument, sondern durchaus auch als Fundgrube für neue kulinarische Kreationen. Er kochte das Rezept Nr. 78 – Kalbfleisch mit Stachelbeeren – und kann sich, wie Sven Albrecht auch, durchaus vorstellen, das Gericht auf seine Speisenkarte zu setzen. Vielleicht wird er sogar ein Königin-Luise-Menü zusammenstellen.

Kein schlechte Idee, finden wir.

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