Der Christ Riesling
Ein zufälliges Zusammentreffen in der Lorenz Adlon Weinhandlung. Meine Antwort auf seine Frage nach dem Probierschluck im Glas vor mir kontert Heinz Horrmann mit der knallharten Feststellung, dass deutscher Riesling für ihn die Höchststrafe sei. Ich weiß nicht, ob man den Berliner Kritiker-Guru und Küchenschlachten-Lenker noch umstimmen kann. Wenn überhaupt, dann könnte das vielleicht ein Christ Riesling. Christ Riesling?
Die Geschichte des Weingutes gleichen Namens beginnt vor gut sechs Jahren in Dubai. Drei Männer machen Urlaub im Emirat, lernen sich im Hotel kennen, es folgen Gespräche über Gott, die Welt und – wie sich schnell herausstellt – über eine gemeinsame Leidenschaft, den Wein. Der Berliner Christian Gebranzig, diplomierter Finanzwirt, Weinliebhaber und Absolvent der Ecole du Vin de Bordeaux, betreibt in Hamburg einen Weinvertrieb für Industriekunden. Zuvor, zwischen 2000 und 2003, hatten Gebranzig und Küchenchef Claudio Andreatta mit dem kleinen Restaurant Svevo auf sich aufmerksam gemacht – etwa mit hausgemachter Schweinsfuß-Zampone und einer erstklassigen Weinauswahl, die persönliche Entdeckungen über große Namen stellte.
„Unser Liebling Kreuzberg“, feierte die Kritik damals das Svevo. Zweiter im Bunde ist Jochen Dreissigacker aus dem rheinhessischen Bechtheim, der nach Winzerlehre und einer Ausbildung zum Techniker für Weinbau und Oenologie seit 2006 das 1728 gegründete elterliche Weingut leitet. Das Trio vervollständigt der Unternehmer Harald Christ. Der gebürtige Wormser ist als Vorstandsvorsitzender der Berliner Conomus Treuhand Aktiengesellschaft und der Custodia Treuhand und Vermögensverwaltung Aktiengesellschaft tätig und war im Bundestagswahlkampf 2009 Mitglied im Schattenkabinett des SPD-Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier. Auch er – ein Weingenießer. Die Urlaubs-Bekanntschaft der drei hätte wahrscheinlich keine Folgen gehabt. Wenn jedoch Kapital und Kompetenz zusammen kommen, eine gemeinsame Idee gefunden und deren Realisierung nicht auf die lange Bank geschoben wird, dann steht am Ende beispielsweise die Gründung eines neuen Weingutes.
Im Wonnegau, einer Gegend nahe seiner Heimatstadt Worms, erwirbt Christ anderthalb Hektar Rebfläche der Spitzenlagen Bechtenheimer Geyersberg und Westhofener Morstein mit 25 bis 35 Jahre alten Rebstöcken. Der Winzer Jochen Dreissigacker kümmert sich gemeinsam mit Christian Gebranzig um den An- und Ausbau, Gebranzig übernimmt auch den Verkauf der Weine. Das Weingut Christ setzt auf biologischen Weinbau, Herbizide und Kunstdünger im Weinberg sind tabu, geerntet wird von Hand, je nach Reifegrad der Trauben. „Perfekte Trauben mit Kraft und Struktur durch eine konsequente Verringerung der Erträge und dem optimalen Zeitpunkt der Lese“, erklärt Christian Gebranzig das Credo der Neu-Winzer.
Doch nicht nur damit will sich das Weingut von den Produzenten geschmacksmanipulierter Weine abheben und individuellen Genuss fördern. Um eine optimale Ausbeutung der Aromastoffe zu gewährleisten, werden die Beeren leicht angemahlen und bleiben für einige Stunden im eigenen Saft. Dadurch entsteht ein extraktreicher und ausdrucksstarker Most, der dann durch eine natürliche Hefeflora den Fruchtzucker über mehrere Monate zu Alkohol vergärt.
Der vergorene Wein reift anschließend für mindestens 18 Monate auf seiner Hefe heran, bevor er in Flaschen abgefüllt wird, in denen er weitere sechs Monate nachreifen kann. Das Ergebnis ist ein eleganter, mineralischer, vom Terroir gekennzeichneter Riesling. Vor ein paar Wochen präsentierten Harald Christ, Jochen Dreissigacker und Christian Gebranzig in Berlin ihren Christ Riesling 2007. „Fast schon burgundisch“, „besonders beeindruckte die Kombination von Frische und Kraft“, „ein hervorragendes Beispiel für die Möglichkeiten der Rebsorte“, jubelten die Tester. Allerdings: bei einem Ertrag von 25 bis 30 Hektoliter/Hektar kommen von diesem Spitzengewächs lediglich 3500 Flaschen in den Handel. Die Lorenz Adlon Weinhandlung hat exklusiv den deutschlandweiten Vertrieb übernommen. Heinz Horrmann sollte sich überwinden und probieren. Rheinhessen, das ist längst nicht mehr nur Liebfraumilch und andere billige Plörre. Dafür stehen Weingüter wie Gunderloch, Keller, Sankt Antony, Wittmann – und nun eben auch Christ.
Lorenz Adlon Weinhandlung
Behrenstraße 72
10117 Berlin-Mitte
Tel. 030 – 301 11 72 50
www.adlon-wein.de
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