Catern für die Königin – Estrel-Küchendirektor Peter Griebel
Das hatte Neukölln noch nicht gesehen. Ein Staatsbesuch kommt in den Bezirk, der erste überhaupt, und dann auch noch der einer echten Majestät. Es war auch kein Zufall, dass Beatrix Wilhelmina Armgard, Königin der Niederlande, während ihrer Deutschlandvisite im April ausgerechnet den Neuköllner Stadtteil Britz besuchte, der zwar mit dem Weltkulturerbe der Hufeisensiedlung, dem Britzer Garten und dem Britzer Schloss einige sehenswerte Orte bietet, ansonsten aber so interessant ist wie eine Straßenbahnfahrt in Marzahn. Der niederländische Botschafter verriet, dass Beatrix ganz bewusst Neukölln ausgesucht habe, „einen Bezirk mit hoher Arbeitslosigkeit und großen Integrationsproblemen“. Britz also und damit ein bisschen Neukölln. Es muss ja nicht gleich der Herrmannplatz sein. Am Rande des Geschehens, aber beileibe keine Randfigur: Peter Griebel, der Küchendirektor des Estrel-Hotels.
Der Abstecher von Königin Beatrix nach Neukölln galt einem circensischen Projekt in der Britzer Gutschmidtstraße. Hier schlug vor fünf Jahren der Zirkus Mondeo sein Quartier auf, dessen Artisten Neuköllner Kinder sind. Die meisten, wie es im Behördendeutsch heißt, mit Migrationshintergrund. Mondeo-Zirkusdirektor Gerhard Richter hat das Programm für die hohen Gäste zusammengestellt, Estrel-Küchendirektor Peter Griebel ist verantwortlich für das Catering. Die beiden Männer kennen sich viele Jahre, das Estrel unterstützt den Mitmachzirkus Mondeo seit es ihn gibt. „Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass sich eines der größten Neuköllner Unternehmen sozial im Bezirk engagiert“, sagt Griebel.
Es war übrigens nicht das erste Mal, dass der Estrel-Küchendirektor für eine Königin am Herd stand. Griebel erinnert sich noch gut an den 3. Juli 1986. Er, der damalige „Staatsbankett-Koch“ im Steigenberger Hotel Bonn begleitete den damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizäcker nach London. „In honour of Her Majesty Queen Elizabeth II“ kochte er in der dortigen deutschen Botschaft Kartoffelterrine mit Vierländer Entenbrust, Steinbuttkraftbrühe mit Hechtmaultaschen, Kalbsfilet im Kräuterpilzmantel und Schwarzwälder Halbgefrorenes. „The Queen was amused“, lächelt Griebel.
Geht nicht, gibt es nicht – zumindest für Peter Griebel nicht. Der Küchendirektor des Berliner Estrel-Hotels liebt die Perfektion – auf dem Teller, am Tisch und auch sonst. Deshalb ist ihm die Sache mit den Straußeneiern auch schwer auf den Magen geschlagen. Das Estrel-Management hatte 64 wichtige Kunden zu einem vorösterlichen Abendessen eingeladen. Als Präsent sollte jeder der V.I.P-Gäste ein Straußenei bekommen – Griebels Idee. Ein Lieferant versprach ihm die prompte Beschaffung, der Küchendirektor verließ sich darauf und war verlassen, als die Firma am Abend vor dem Veranstaltungstag passte. Über Nacht gelang es Griebel, zwanzig Eier des Riesenvogels zu organisieren. Immerhin – aber zu wenige für 64 Geschenke. Griebel ließ 64 Spargelkörbe packen, seine Gäste waren glücklich und bedankten sich überschwänglich. Trotzdem, Peter Griebel blieb unzufrieden. Improvisation, selbst solche, die keiner merkt, ist nicht sein Ding.
Deshalb ließ er den Dessert-Gag auch noch einmal üben. Es ging darum, eine heiße Orangen-Vanille-Sauce so über zwei mit frischen Beeren gefüllte Schokoladeneier zu gießen, dass die langsam schmelzen und – Aha-Effekt! – ihr Inneres preisgeben. Die Kannen sind zu kalt. „Erwärmen!“ Die Sauce ist zu dick. „Läuterzucker!“ Griebel ist in seinem Element. Er dirigiert, inszeniert, kontrolliert. Den Beifall der Gäste gibt er dann seine Leute weiter. 80 Köche, zwei Küchen- und sechs Sous-Chefs arbeiten im Estrel-Hotel unter seiner Regie, fünf Kochlehrlinge bildet er jedes Jahr aus, Veranstaltungen mit mehr als 3.000 Gästen sind keine Seltenheit, mit mehr als 1.000 die Regel. Der gebürtige Unterfranke, Kochlehre im Bratwurstglöckle in Bad Kissingen, denkt in anderen Dimensionen als die meisten seiner Kollegen. Griebel ist nicht nur kulinarisch zuständig für einen 1.125-Zimmer-Hotelbetrieb mit vier Restaurants, über 500 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von 50 Millionen Euro, sondern auch für das Kommunikations- und Mediencenter, für Stars in Concert und für das Restaurant im Schloss Britz, ein bundesweit einmaliges Ausbildungsprojekt.
1993 kam Peter Griebel nach Berlin. Zuvor hatte er im Dienst des Steigenberger-Konzerns dessen Hotelküchen in Frankfurt, Stuttgart und Bonn durchquert, das Cariblue-Hotel in St. Lucia beraten, die Festspielprominenz in Bayreuth bekocht und in Köln die Küche des Ramada-Hotels geleitet.
Das Steigenberger Parkrestaurant riss Griebel „mit einem Gewaltakt aus der Langeweile“. Das Rezept des damals 32-Jährigen: aromatisierte Öle statt Butter und Sahne, exotische Aromen statt Zucker und Zimt, Experimentierfreude statt Ideenlosigkeit. „Neue Aromaküche“ nannte Griebel seinen Stil, der zwar nicht nur Zuspruch fand, aber fast immer überzeugende Geschmackserlebnisse bot. Unvergessen: ein Gänsebraten mit Apfeljus und Salbei-Nussöl. 1995 dann der Wechsel ins Estrel-Hotel und – siehe oben.
Es heißt: Hast du einmal Erfolg, mag es Zufall sein. Glück, wenn er sich ein zweites Mal einstellt. Beim dritten Erfolg wird klar, dass sich dahinter Talent und Tüchtigkeit verbergen. Beides wird Peter Griebel auch in Zukunft brauchen. „Ich habe noch was vor“, sagt er, darauf angesprochen.
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