3x Gut=Dreigut
„Der Sachse liebt das Reisen sehr…bis nunder nach Bulgarchen dud er die Welt beschnarchen.“ So besang Ende der 1970er der Leipziger Kabarettist Jürgen Hart die Reiselust der Sachsen. Richtig ausleben konnten sie die allerdings erst nach dem Fall der Mauer. Obwohl Olivia Herrmann, Marko Häbold und Johannes Seidl gerade erst geboren wurden, als Hart mit seine Sachsen-Hymne die DDR-Charts stürmte, das sächsische Reise-Gen hatten auch sie im Blut.
Olivia Herrmann,33, zog es nach der Ausbildung zur Restaurantfachfrau und ersten Anstellungen in ihrer Heimatstadt Dresden nach Frankreich. In Carcassone absolvierte sie ein dreijähriges Weinfachstudium und arbeitete danach zwei Jahre lang als Vertriebsleiterin auf einem Weingut im Lauguedoc.
Johannes Seidl, 35, studierte vier Semester Germanistik in Dresden, hatte dann genug von Hölderlinschen Hymnen und Eichendoffschen Novellen, wurde Barkeeper, lernte kochen und ging nach England. Weil er blutiges Rindfleisch mit Minzsauce nicht besonders prickelnd fand, zog er weiter nach Ungarn, der Heimat seiner Mutter. Im Budapester Restaurant Gundel bereitete er Balaton-Zander, Paprika-Henderl und den berühmten Palatschinken zu – hauchdünn, mit geriebenen Nüssen gefüllt und mit Nusslikör und Schokoladensauce übergossen.
Marko Häbold schließlich, 34, ebenfalls Dresdner, lernte Immobilienkaufmann und studierte Immobilienwirtschaft bis zum Diplom. Er hatte mit dem Reisen weniger am Hut, mal abgesehen von gelegentlichen Ferientrips dorthin, wo es schön ist auf der Welt. Stattdessen gründete er in der Elbstadt die Agentur Citymakler Dresden und entwickelte sie zu einem in ganz Ostdeutschland gefragten Maklerunternehmen. Olivia Herrmann kannte Marko Häbold aus gemeinsamer Schulzeit, und der wiederum machte sie mit Johannes Seidl bekannt. Weinprofi trifft Küchenprofi trifft Immobilienprofi, eine gute Konstellation.
Die Idee vom eigenen Restaurant war schnell geboren, das Projekt schnell beschrieben, lediglich ein geeigneter Ort fehlte noch. In Dresden wäre das kein Problem gewesen, doch die drei zog es nach Berlin. In der Uhlandstraße nahe des Kurfürstendamms fanden sie ihren Traumladen, Anfang Februar 2012 luden sie zur Eröffnungsparty. Kurze Zeit später schon jubelte die mit Neulingen nicht eben zimperliche Berliner Restaurantkritik: „So modern kann ‚bürgerlich‘ schmecken!“ Kreative deutsche Küche nennen Herrmann, Seidl und Häbold ihr Konzept – Konzentrierter, vielfältiger, gesünder. Was da etwas hochgestochen als Küchenphilosophie apostrophiert wird, sind blitzsauber gekochte Gerichte, die das Produkt hofieren.
Vier Menüs zeigen die Bandbreite einer Küche, in der aufs Beste Regionales verfeinert wird. Originell und superlecker präsentiert sich beispielsweise das Filet vom Müritzbarsch, das im Weinteig gebacken und mit Wildkräutersalat und Kartoffel-Zwiebel-Püree serviert wird. Der in Fenchel und Koriandersaat gebeizte Kalbsrücken mit gegrilltem Grünspargel und handgeschabten Spätzle steht dem nichts nach, ebensowenig wie das Filet vom Simmentaler Rind, das unter einer Kräuter-Semmelbrösel-Kruste auf den Teller kommt.
Nennen wir das Ganze mal kreative Marktküche. Lediglich die Teltower Rübchen sind ein Ausrutscher – die gibt es jetzt nämlich nicht.
Neben der souveränen Zubereitung durch Johannes Seidl und seinem Team macht der charmante Service von Olivia Herrmann das Dreigut zu einer feinen (und äußerst preiswerten) Adresse.
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