Goldbroiler war gestern
In der Goldneun-Küche stehen zwei alte Bekannte am Herd, Stefan Eggert und sein Bruder Matthias. Stefan ist 34, Matthias 30, beide sind Berliner und sagen: „Wir tun, was wir lieben.“ Kennengelernt haben wir die Eggert-Brüder vor zwei Jahren, als sie am Kollwitzplatz in Prenzlauer Berg ein Lokal führten, das sie „Projektrestaurant“ nannten. Was sie mit dem schwammigen Begriff meinten, erklärten sie damals so: „Wir wollen diesen Ort nutzen, um uns bekannt zu machen und unser kulinarisches Konzept vorzustellen.“
Das setzte auf unbedingte Regionalität der Produkte und die neue Interpretation klassischer Gerichte. Dafür gab es viel Lob der Berliner Gastrokritik, und wir schrieben damals: „Bleibt nur zu hoffen, dass die Eggert-Brüder, ihr Projekt nicht allzu schnell beenden. Vielleicht werden Sie am Ende ja sogar sesshaft hier. Das könnte passen.“ Es passte natürlich nicht. Am Kollwitzplatz, dem Epizentrum des neuen Dolce Vita, stiegen die Mieten und die Eggerts aus. Nun sind sie also wieder da.
Die regionalen Lebensmittel blieben ihre Leidenschaft. Was standardisiert, billig und ganzjährig schnell erhältlich ist, hat in ihrer Küche keine Chance. „Das ist keine Marotte“, erklärt Stefan Eggert, „sondern die Gründe dafür liegen klar auf der Hand – Frische, hohe Produktqualität und unverfälschter Geschmack.“ Ihre beiden Mitstreiter sind auf der gleichen Wellenlänge. Der 32-jährige Thomas Elstermeyer kochte zuletzt in London; Philipp Simon, 27, absolvierte ein Praktikum im Restaurant Facil. Noch ist das Team damit beschäftigt, seinen Gerichten den Feinschliff zu verpassen, manches allerdings gehört schon jetzt zum Besten, was die moderne deutsche Küche heute zu bieten hat.
Die Goldforelle beispielsweise, die in Blaumohnbutter konfiert ist und mit Blumenkohlcreme, der ein leichtes Vanillearoma anhaftet, auf die Teller kommt, ist Handwerk de luxe. Möglicherweise muss das Team es noch lernen, sich so konsequent wie möglich auf das Wesentliche zu beschränken und die Aromen seiner Kreationen noch besser auszubalancieren, aber da kann man, wenn man die Küchenbrigade kennengelernt hat, absolut guter Hoffnung sein. Kein Gericht wirkt überkandidelt oder gekünstelt, alles ist wunderbar authentisch, und sollten die Vier doch mal vor Kreativität aus der Kurve fliegen, sie helfen sich mit Sicherheit gegenseitig wieder auf.
Bemerkenswert im Goldneun sind zudem die Preise – das Vier-Gang-Menü ist mit 42 Euro mehr als fair kalkuliert – und der Service, der zwar noch etwas bemüht, aber dafür ungemein aufmerksam agiert. Geleitet wird die Brigade von Maxime Boillat, einem 39-jährigen Schweizer. Der Mann hat übrigens klassische Archäologie studiert, war DJ, Hilfskraft in verschiedenen Hotels und entdeckte dann die Gastronomie für sich. Derzeit absolviert er eine Fortbildung zum Sommelier und scheint unter Jürgen Hammers Fittichen schon recht weit gekommen zu sein. Seine Weinempfehlung jedenfalls heben Hand und Fuß, und dass Boillat offenbar ein Rieslingfan ist, macht die Sache nur noch spannender.
Hinzu kommt etwas, das manchen Gästen sicher nicht viel bedeutet, für andere, die nicht so oft in dieser Gegend sind, allerdings ausgesprochen interessant ist – der einmalige Blick auf den Fernsehturm, die Nikolaikirche, das Rote Rathaus und das nächtliche Treiben ringsum. Übrigens: Das, was in Goldneun Konzept ist – die Kombination von Veranstaltungsort, Bar und Restaurant – kann auch zum Alptraum werden. Dann nämlich, wenn die Restauranttür geöffnet ist und der Bar-Lärm ein ruhiges Gespräch beim Essen unmöglich macht. Junge Gäste sind da möglicherweise nicht so empfindlich, aber störend wirken solche Nebeneffekte schon.
Bar & Restaurant Goldneun
Karl-Liebknecht-Straße 9
10178 Berlin-Mitte
Tel. 030 – 25 79 38 95
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