Steirisches Grubenkraut
Gruben- oder Ohlakraut, wie es in der Oststeiermarkt heißt, stammt von milchsäurevergorenen Weißkohlköpfen, deren Herstellung einer uralten Tradition folgt, die allerdings nur noch von wenigen Bauern gepflegt wird. Waltraud und Walter Froihofer gehören nicht nur zu den steirischen Grubenkraut-Aktivisten – die beiden Biobauern waren es auch, die diese archaische Konservierungsmethode vor dem Vergessen bewahrten. Wer allerdings im Winter auf den Froihof in der Nähe des Dorfes Fischbach fährt, bekommt nicht viel davon zu sehen.
Die Krautgruben sind verschneit, die Bäuerin grippekrank, ihr Mann Walter in Zeitnot. Aber weil Steirer gastfreundliche Leute sind, gibt es dann doch noch eine Erklärung im Schnee und Kostproben in der Küche. Waltraud und Walter Froihofer kultivieren auf ihrem Bio-Hof, eigentlich einem klassischen Milchviehbetrieb, auch Weißkohl. Sieben alte Sorten, denen die Schädlinge in Höhenlagen um die 1.000 Meter nicht viel anhaben können. Die dicksten Köpfe werden nach der Ernte geschnitten, gesalzen und in Bottichen zu Sauerkraut vergoren. Aus dem weit größeren Rest entsteht Grubenkraut. Froihofer beschreibt die Prozedur: „Die Köpfe werden rund fünf Minuten in einem Eisenkessel mit heißem Quellwasser blanchiert und an der Luft getrocknet.
Dieser Vorgang dient der Desinfektion, setzt aber auch die Fermentation in Gang. Dann werden die äußeren, grünen Blätter entfernt und die Kohlköpfe kommen in die Grube, ohne Salz, ohne Gewürze. Ganz wörtlich ist das Zitat nicht, denn Froihofer benutzt anstelle des Substantivs „Kohlkopf“ den südsteirischen Dialektbegriff „Happel“, und die „Grube“ nennt er „Ohla“. Sie ist vier Meter tief, der Durchmesser beträgt rund 1,20 Meter. Das Besondere: Sie ist mit Lärchenholz ausgekleidet. „Piekfeine Schreinerarbeit vom Boden bis zum Rand“, sagt Froihofer.
Etwa vier Tonnen Kohl passen in eine Grube, zwei davon haben Waltraud und Walter Froihofer angelegt. Nach der Kohlernte im Oktober werden sie gefüllt und abgedeckt, fünf bis sechs Monate später sind die Köpfe genussreif und werden ab Hof verkauft: geschnitten in Gläsern oder ganz und vakuumiert. „Früher bei meinem Großvater“, so der Bio-Bauer, „waren sie im Winter die einzige Vitaminquelle.“
Es ist ein aufwändiger Prozess, bis die Natur aus jungfräulichen Kohlköpfen gereiftes Grubenkraut gemacht hat, und es ist schwere Arbeit. Kein Wunder, dass in unserer Zeit der Tempo-Technologien und Billig-Methoden so etwas wie das Grubenkraut kaum eine Chance hat, es sei denn, es gibt Produzenten wie die Froihofers, denen die Tradition noch etwas wert ist und Konsumenten, die das anerkennen. Geschmacklich jedenfalls ist das Fischbacher Grubenkraut mit seiner feinen, milden Säure, einer leichten, erdigen Note und der knackigen Konsistenz schon frisch etwas Besonderes, verarbeitet wird es zum Hochgenuss.
„Natürlich hilft es uns, wenn Haubenköche alte Rezepte modernisieren und unser Grubenkraut auf ihre Speisekarten setzen, wenn Händler, denen gute Lebensmittel am Herzen liegen, es in ihr Angebot aufnehmen oder wenn Slow Food International es mit der Anerkennung als Presidio ehrt.