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NORDWEIN

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Stuart Pigott wird Winzer in Brandenburg

Wir kennen hierzulande keinen bekannten Gastrokritiker, der es bisher gewagt hätte, ein eigenes Restaurant zu eröffnen. Auch berühmte Filmkritiker, die selbst mal Regie führten, sind eher Fehlanzeige. Das hat den Berliner Weinkritiker Stuart Pigott aber nicht abgehalten, das Projekt „Eigener Wein wird doppelt fein“ zu starten. Am ersten Maifreitag setzte der international renommierte Autor und Journalist (u.a. „Die großen deutschen Rieslingweine“, „Die führenden Winzer und Spitzenweine Deutschlands“) 1.200 junge Rebstöcke in den Sandboden des Töplitzer Weinbergs, der zum Weingut Klosterhof Töplitz gehört, des einzigen zertifizierten Bio-Weinguts in der Mark. Der Berg wurde vor rund 650 Jahren von Zisterziensern des Klosters Lehnin begründet, ebenso übrigens wie die benachbarten Lagen Kagelwit und Werderaner Wachtelberg. Die Mönche des in Frankreich gegründeten Ordens zogen, wie Theodor Fontane schrieb, „mit dem Kreuz in der Linken und der Axt und dem Spaten in der Rechten, lehrend und ackerbauend durch die Mark“.

Wo immer sie einen geeigneten Hügel fanden, legten sie Weingärten an
So kam der Rebensaft nach Brandenburg, wobei nicht der Bedarf an Messwein Motor für das Tun der Mönche war, sondern wohl eher die Lust am Genuss. In einer Beschreibung des Kurfürstentums aus dem Jahre 1572 hieß es dann auch: “Die Mark hat viel Weinwachs, sonderlich in der Mittelmark, um Brandenburg, Berlin und Cölln, Frankfurt an der Oder, Drossen, im Land zu Sternberg, zu Beeskow, in der Niederlausitz und Krossen.“ Über den Geschmack der Tropfen allerdings wurde trefflich gestritten. Während einige Chronisten die wahrscheinlich mit Honig, Früchten oder Gewürzen verbesserten märkischen Weine über den grünen Klee lobten, reimten die vornehmlich aus dem Rheinland stammenden Frankfurter Viadrina-Studiosi: „Märkischer Erde Weinerträge gehn durch die Kehle wie eine Säge.“

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Mit dem 30-jährigen Krieg 1618 bis 1648 begann der Niedergang des Weinbaus in Brandenburg. Die Weinberge waren verwüstet, das Wissen über ihre Bewirtschaftung ging verloren. Preußens Herrscher schließlich setzten auf Gerste- und Kartoffelanbau, die Weine kamen vom Rhein. „Wo der Pflug kann gehen, soll kein Weinstock stehen“, wurde zum geflügelten Wort 1989, im Jahr des Mauerfalls, gab es in Brandenburg nur noch einen Weinberg – den Werderaner Wachtelberg. 2,5 Hektar, angelegt 1985 von Dr. Manfred Lindicke. Das Argument, damit an die positiven Traditionen Preußens anzuknüpfen, überzeugte selbst die nicht eben weinaffinien DDR-Oberen, und möglicherweise versprachen sie sich von Lindickes Gewächsen auch eine Devisenquelle. Inzwischen ist die Rebfläche des Wachtelberges auf 6,2 Hektar gewachsen. Sie gehört zum Weinanbaugebiet Saale-Unstrut, Müller-Thurgau, Dornfelder, Saphira und Regent sind die wichtigsten dort angebauten Rebsorten.
Im vorigen Jahr startete der Weinbauverein in Werder ein weiteres Projekt: Die Rekultivierung des historischen Galgenbergs. Das Vorhaben machte Schlagzeilen, als Stuart Pigott ankündigte, sich mit bis zu 15 Prozent daran beteiligen zu wollen. Doch es blieb bei der Ankündigung. Die Vorstellungen des Vereinsgründers Manfred Lindicke und des 53-jährigen Briten, dessen Kolumnen in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung zum Kenntnisreichsten gehören, was in Deutschland über Wein geschrieben wird, gingen wohl zu weit auseinander. “Pigott hat eingesehen, dass über Wein zu schreiben und Wein zu machen zweierlei ist“, zitierte das Slow-Food-Magazin den Wachtelberg-Chef. Das ist sicher richtig, allerdings hat der Weinjournalist auch neun Monate als Gasthörer an der Geisenheimer Fachhochschule Weinbau studiert und im fränkischen Teil des Taubertals schon einmal selbst zehn Zeilen Müller-Thurgau-Reben bewirtschaftet.
Stuart Pigotts neuer Partner heißt nun Ludolf Artymowytsch, ein Bio-Winzer aus der Nordpfalz, der im vorigen Jahr das Weingut Klosterhof auf der Insel Tölpitz übernahm. Drei Hektar, auf denen Weiß- und Grauburgunder, Bacchus, Sankt Laurent, Regent und andere Rebsorten wachsen, umgeben von der Havel und verschiedenen Schifffahrtskanälen, sonnenverwöhnt, zumindest für Brandenburger Verhältnisse.
Pigotts Reben sind von der Sorte Pinotin, schwäbische027 eine Schweizer Neuzüchtung, Spätburgunder-Typ, komplex-elegant, mit geringer Anfälligkeit für Echten und Falschen Mehltau – beides Pilzkrankheiten – und deshalb geeignet, auf den Einsatz von Kupfer als Spritzmittel ganz oder weitgehend zu verzichten. Für Bio-Winzer ist das deshalb wichtig, weil Kupfer zwar für Mensch und Rebe unbedenklich sind, aber den Boden belastet, weil es kaum abgebaut wird.
Neu-Winzer Pigott rechnet mit den ersten Erträgen von seinen Rebzeilen in zwei Jahren, den ersten marktfähigen Wein wird es aber erst 2018 geben. „Groß, dicht und mindestens zehn Jahre lagerfähig“, so der Journalist und Winzer.
Weingut Klosterhof Töplitz
Am Alten Weinberg 7
14542 Werder(Havel)/Neu Töplitz

www.weingut-toeplitz.de

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