Kroatiens EU-Beitritt: Von Freude keine Spur
Seit dem 1. Juli 2013, pünktlich ab Mitternacht, ist Kroatien 28. Mitglied der Europäischen Union. Die Politiker sprechen von einem „historischen Tag“ und werden nicht müde, die Chancen des Adrialandes nach dem EU-Beitritt ins beste Licht zu rücken. „Er wird unserem Land und unseren Bürgern gut tun“, betont beispielsweise Miro Kovać, Botschafter Kroatiens in Deutschland. Und der kroatische Präsident Ivo Josipović setzt noch eins drauf, wenn er sagt: „Das wird eine Erfolgsstory.“
Die meisten der knapp viereinhalb Millionen Einwohner allerdings sehen den EU-Beitritt eher mit gemischten Gefühlen. Die Arbeitslosigkeit im Land ist hoch, die Industrie marode, die Landwirtschaft unvorbereitet.
Wir sind in der Hauptstadt Zagreb, knapp eine Million Einwohner, eine coole Metropole, ein bisschen wie Wien. Aber auch hier herrscht nur wenig Europa-Euphorie, eher eine eigenartige Mischung aus Hoffnung und Ratlosigkeit. Besonders deutlich wird das auf dem rot beschirmten Dolac, dem größten Wochenmarkt im Zentrum der Stadt.
Alles, was Kroatiens Ackerbau, Viehzucht und Fischfang zu bieten haben, wartet hier auf Kunden: Obst, Gemüse, Kräuter, Nüsse, Öle, Käse, jede Menge Frischfleisch, noch mehr Frisch Fisch und Honig, Honig, Honig. Mit rund 3.000 Tonnen Jahresproduktion gehört Kroatien zu Europas Honiggrößen.
Edita Gregović, die gemeinsam mit ihrem Mann und einigen Helfern einen für Kroatien typischen Bauernhof unweit Zagrebs bewirtschaftet und jeden Samstag auf dem Dolac die Ergebnisse ihrer Arbeit offeriert, sagt, was viele hier denken: „Dadurch, dass sich mit dem EU-Beitritt der Markt für Produkte aus dem Ausland öffnet, wird die heimische Agrarproduktion sehr stark unter Druck geraten, die Preise werden soweit sinken, dass sich für uns am Ende Landwirtschaft nicht mehr lohnt.“
Die kleinen und im EU-Vergleich unproduktiven Betriebe Kroatiens sind die wichtigste Ursache dafür, dass Experten längst davon sprechen, dass die kroatische Landwirtschaft vor einem Beitrittsschock stehe. Kein Wunder, denn von den etwa 232.000 agrarischen Erzeugern sind 230.000 winzige Höfe, die durchschnittlich 5,7 Hektar Land besitzen und häufig im Nebenerwerb bewirtschaftet werden. Ihr Jahreserlös beträgt bestenfalls 100.000 Kuna – das sind umgerechnet 13.500 Euro, eine Summe also, die gerade mal zum Überleben, aber nicht zum Investieren reicht.
Kroatiens Bauern sind besorgt
Wie Edita Gregović machen sich viele der kleinen Bauern Gedanken über ihre Zukunft in der großen EU-Familie. Schätzungen besagen, dass von den rund 95.000 aktiven Landwirten 40.000 in den nächsten Jahren aufgeben werden. „Die besten Chancen nach dem EU-Beitritt haben wahrscheinlich die Produzenten solcher regionalen Spezialitäten wie des luftgetrockneten Schinkens aus Dalmatien oder des Schafskäses von der Insel Pag“, heißt es auf dem Dolac in Zagreb. Keine besonders rosigen Aussichten.
„Ich biete schon seit vielen Jahren hier auf dem Dolac einen Frischkäse an, der in Kroatien „Skuta“ heißt. Wir stellen ihn aus der Molke von unserer Schafsmilch her. Der Käse ist sehr gesund und deshalb beliebt. Nun habe ich gehört, dass er nicht den EU-Normen entspricht. Was das heißt, hat mir aber noch keiner gesagt.“
„Meine eingelegten Kohlköpfe werde ich wohl auch nach dem EU-Beitritt am 1. Juli verkaufen können, weil es in den anderen Ländern der Europäischen Union kein vergleichbares Produkt gibt. Und selbst wenn billiges Sauerkraut aus Deutschland und Europa unseren Markt überschwemmen sollte, dieser Kohl ist einfach besser.“
„Gefeiert habe ich am 1. Juli nicht, obwohl unser EU-Beitritt für viele junge Leute wahrscheinlich positiv ist, weil sie dann bessere Chancen haben, woanders einen Job zu finden. Irgendwann kommt so ein Investor aus dem Ausland, reißt die alte Markthalle ab und baut einen Einkaufspalast, in denen wir mit unserem Angebot nicht mehr gefragt sind.“
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