15 Jahre Restaurant Aigner
Weshalb eigentlich?
Ich bin seit dem ersten Tag Gast im Aigner, komme regelmäßig an diesen Ort, und von mir stammt das Markenzeichen des Restaurant.
Sie meinen die Ente auf dem Thonetstuhl?
Genau.
Wie kam es denn dazu?
Total unspektakulär. Herbert Beltle kannte einen Freund von mir, der hat mich empfohlen, ich bekam einen Anruf, habe zugesagt und vier Wochen später den ersten Entwurf vorgelegt.
Wieviele weitere Entwürfe gab es?
Keine, es blieb bei der Ente, Herbert Beltles Lieblingsvogel – kulinarisch gesehen, die auf einem Wiener Kaffeehausstuhl Platz genommen hat.
Weshalb die Reminiszenz an die Donaumetropole?
Auch hier sind keine tiefenpsychologischen Erörterungen nötig. Das Aigner war eins der traditionsreichen Wiener Kaffeehäuser. Es befand sich in Penzing, im 14. Bezirk der österreichischen Bundeshauptstadt, und wurde Ende der 1980er geschlossen. Beltle ließ das gesamte Interieur nach Berlin schaffen und baute es in die Räume am Gendarmenmarkt ein.
Dann wurde im gleichen Stil auf 150 Plätze erweitert und dabei auf künstliche Patina oder irgendwelche Disney-World-Hans-Mosers völlig verzichtet.
Offensichtlich eine kluge Entscheidung, wenn man den Zuspruch der Gäste sieht.
Natürlich ist es für den Erfolg eines Lokales wichtig, dass es schon als Örtlichkeit interessant ist. Hinzu kommt aber noch mehr. Im Aigner agiert zum Beispiel eine Servicebrigade, der jede Schnöseligkeit fremd ist. Ich betone diese Eigenschaft, weil sie hier am Gendarmenmarkt nicht selbstverständlich ist, wenn Sie verstehen, was ich meine.
Ich denke schon.
Gut, das also befördert die besondere Atmosphäre des Restaurants. Es geht eher leger zu, sympathisch leger ohne Nachlässigkeiten. Man sitzt Stuhl an Stuhl mit Fremden, und irgendwie bringt das eine eigene Weltverbundenheit mit sich.
Da scheint das Essen ja fast zweitrangig zu werden.
Als ob Sie nicht wüssten, welche Rolle es im Aigner spielt. Ich will es mal so sagen: Zu dem, was da auf der Speisekarte steht, müsste eigentlich immer der Kaiserwalzer gespielt werden. Nicht nur wegen des Tafelspitzes, auch zu Ehren Steirischen Backhendels, der Kärtner Kaspressknödel oder des frisch durchgelassenen Tatars vom Jungbullen, das sich der Gast am Tisch selber anmacht.
Haben Sie eigentlich ein Aigner-Lieblingsgericht?
Lassen Sie mich überlegen – also , zum Beispiel Aigner´s Beef tea, das ist konzentrierte Rinderkraftbrühe, die in einer Flasche gegart und serviert wird. Ein Lebensgeisterwecker.
Das klingt nach Wiener-Beisl-Konzept.
Das ist ein an die Bedürfnisse der Gäste in Berlin angepasstes, modernes Beisl-Konzept, an dem Inhaber Beltle und sein Küchenchef Andreas Klitsch immer festgehalten haben, selbst dann, als vor ungefähr 12 Jahren in Wien die Beisln irgendwie ihren Spin verloren und in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden drohten, wenn sie nicht zu Wok und Ingwer griffen und auf Verfeinerung bis zur Geschmacklosigkeit setzten. Doch das ist vorbei, der Turnaround ist vollzogen, das Beisl boomt wieder.
Und Belte und Klitsch haben Recht behalten.
Meiner Meinung nach gibt es in Berlin so viel Konzeptgastronomie, dass da eine unaufgeregte Regionalküche durchaus ihren Platz hat, zumal, wenn sie so interpretiert wird, wie das Andreas Klitsch und seine Brigade tun.
Können Sie das noch etwas genauer beschreiben?
Die Küche ist eine Melange aus Wien und Berlin, das liest der Gast, wenn er die Speisekarte aufschlägt. Wenn er sein Essen bekommt, merkt er dann endgültig, was im Aigner Sache ist. Intensive Aromen, mutiges Würzen, kreative Arrangements, ein klares und einfaches Erscheinungsbild. Und ich sage Ihnen nochwas: Wenn es für das Koch-Handwerk auch Sterne gäbe, der Aigner-Küchenchef bekäme die Höchstzahl.
Was sagen Sie dem Aigner zum 15. Geburtstag?
Ein Glück, dass es dich gibt.
Vielen Dank für das Gespräch.
Restaurant Aigner
Französische Straße 25
10117 Berlin-Mitte