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Onigiri aus Berlin

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Die beliebtesten Schnell-Ess-Gerichte der Deutschen?

Döner, Burger, Pizza. Und genau in dieser Reihenfolge. 23, 21, 17 Prozent Anteil am Fast-Food-Markt, und das wird sicher auch in der Zukunft so bleiben. In Berlin allerdings bekommen zumindest die systemgastronomisch genormten Produkte dieser Esskultur zunehmend Konkurrenz.
Vegetarische Döner, Burger aus Bio-Lamm und ebensolchen Gemüse oder analogkäse- und formfleischfreie Pizzaspezialitäten sind oder auf dem Vormarsch. Karriere machen aber leckere mexikanische Tacos und Burritos, American-Style-Sandwiches und vietnamesische Baguettes oder der englischen Take-away-Klassiker Fish’n‘ chips aus fangfrischen Kabeljau und feinen Pommes aus Kartoffeln vom Ökohof. In der multinationalen Metropole und deutschen Einwandererstadt Nummer Eins kennt, so scheint es, die Exotik der Straßenküche kaum Grenzen. Deshalb waren die japanischen Onigiri eigentlich eine Frage der Zeit.

Immer, wenn es bei uns um japanische Spezialitäten geht, bitten wir Shoko Kono um Unterstützung. Die Köchin, Kochlehrerin und Kochbuchautorin aus Kyoto lebt seit 1991 in Berlin und gehört hier zu den besten Kennern der Kulinarik im Land der aufgehenden Sonne. Zum Thema Onigiri, dem in ihrer Heimat wohl bekanntesten Street Food, schrieb sie uns: „Onigiri sind Reisbällchen mit einer Füllung, die mit einem Blatt von der Nori-Alge umwickelt werden. Ursprünglich diente Onigiri den Samurai-Krigern als Wegzehrung, es ist also eine sehr traditionelle Speise.

Heute ist sie aus dem Japanischen Alltag nicht mehr wegzudenken. Es gibt Onigiri an Kiosken, in Supermärkten und natürlich auch in speziellen Onigiri-Geschäften. Arbeiter nehmen Onigiri mit in die Fabrik, Beamte mit ins Büro, es ist klassisches Schulbrot oder beliebter Pausensnack. Mein Mann, der in einem Berliner Restaurant arbeitet, könnte zwar dort in einer Kantine essen, aber er bevorzugt Onigiri, am liebsten mit Takana, eingelegtem japanischen Mangold oder mit Umeboshi, japanischer Salzpflaume.“

Die Gärten der Welt in der Eisenacher Straße. Hier ist Marzahn am schönsten. Es gibt einen balinesischen und ein orientalischen Garten sowie drei asiatische Gärten, den Chinesischen, den Koreanischen und den Japanischen Garten. Sie sind ein Mythos an Geflegtheit und Gestaltungskunst und berühmt für ihre ausgeklügelten Arrangements. Jedes Jahr, wenn die japanische Zierkirsche ihr zartrosa Blütenmeer ausbreitet und die Natur den asiatischen Sinn für Ästhetik zu teilen scheint, wird hier das traditionelle Kirschblütenfest gefeiert.

Es gibt Kulturprogramme, und an Dutzenden Ständen haben Händler Asiatisches, was sie und das, für asiatisch halten, ausgebreitet. Ich lerne Jeannette und Thomas Donda kennen, zwei Berliner mit immensen Japankenntnissen – über den Grund wird später zu reden sein – deren kulinarische Offerte hier ankommt wie auf anderen Volksfesten die Rostbratwurst. Sie verkaufen in Berlin die noch wenig bekannten Onigiri, das heißt, sie müssen viel erklären.

Kirschblütenfest

Bestandteile, Geschmack, Verträglichkeit, manches Kundengespräch gerät zu einem Ausflug in die Geschichte der japanischen Kulinarik. Andessen Anfang oder Ende immer die gleiche Frage: ,,Machen Sie die selbst?“ und immer die gleiche Antwort: ,,Ja, wir betreiben in Oberschöneweide eine Onigiri-Manufaktur.“ Ich verabrede mich.

„Komm‘ gegen halb Neun.“
Eine Straße. Eine Hausnummer. Berlin-Oberschöneweide. Jeannette Douda sieht mir wohl an was ich von diesem Teil der Stadt halte, zumal am Abend. Oberschöneweide, bonsoir fristesse. Die junge Frau spricht wortreich dagegen. Oberschöneweide, künftige Boomtown, ein Bezirk mit eigenem Charme, weit anziehender als sein Ruf. Naja.

„Du musst pochen“, ruft sie dann noch. Pochen, das Wort passt zu der Gegend. Poch, poch, poch der Herzschlag von Oberschöneweide. Dönerbuden, Trödelläden, ein paar Kneipen der Kategorie „Suff vs. Frust“ bestätigen meine Vorurteile.
Ich finde das Haus und den kleinen Laden, obwohl jeder Hinweis fehlt, dass hier eine Onigiri-Manufaktur ihr Domizil hat. Wozu auch, denke ich. Was weiß man hier schon von Onigiri. Poch, poch, poch. Jeannette Douda öffnet. Als ich ihr meine Eindrücke schildere, lächelt sie ihr mildestes Lächeln: „Oberschöneweide erschließt sich nicht auf den ersten Blick.“

Hinter der Tür zwei Räume, eine Art Schwarz-Weiß-Trakt. Im ersten Raum muss ich die Schuhe wechseln, bekomme einen Küchenkittel und eine Reihe von Verhaltensregeln. Dann erst das Allerheiligste der Onigiri-Herstellung. Sechs mal vier Meter, weiße Fliesen bis unter die Decke, Edelstahlanrichten und eine blitzblanke Maschine, von der später noch die Rede sein wird. Jeannette Douda und ihr Mann Thomas nehmen es sehr genau mit der Hygiene.

Wie kommen zwei Berliner dazu, ausgerechnet Onigiri herzustellen? Die Antwort beginnt 1983. Thomas Donda reist als Vierjähriger zum ersten Mal nach Japan, als Kind von DDR-Diplomaten.
Nach einem Jahr werden die Eltern zurückbefohlen – ,,zu große Nähe zu einer japanischen Familie“. Thomas wächst in Pankow auf, Schule, Wende, Abitur, die Beziehung zum fernen Land ist geblieben. 1998 Zivildienst, den er in einem japanischen Seniorenheim absolviert. Er lernt Japanisch, studiert danach in Berlin Japanologie, ein Jahr davon wiederum im Land der aufgehenden Sonne. Die Magisterarbeit schreibt er zum Thema ,,Junge Japaner in Deutschland“.

Seine erste Anstellung, Assistent bei einem japanischen Zeitungskorrespodenten, muss wohl ein Fiasko gewesen sein – Thomas Donda spricht darüber, typisch japanisch, nur in Andeutungen.
Schließlich sagt der 35-Jährige dann doch noch: ,,Ich wollte etwas Eigenes mit Japan machen“ – nach einer kurzen Pause – ,,aber nie wieder für einen japanischen Chef arbeiten.“ Irgendwann wurde dann die Onigiri-Idee geboren, besprochen und Stück für Stück umgesetzt. Dondas Frau Jeannette, diplomierte Betriebswirtin, über diese Zeit: ,,Ich habe ihn erstmal machen lassen, aber als Marketingfrau hatte ich natürlich ein Konzept zur Schadensminimierung in der Schublade.“ Die Schublade blieb zu, Jeannette Donda kündigte ihren Agenturjob und arbeitet heute mit in der Onigiri-Herstellung.

Außerdem kümmert sie sich um Marketing, Vertrieb und allle Kleinigkeiten, die ein Unternehmerpaar mit zwei Kindern in Berlin so bewältigen muss. Ich frage, ob sie sich früher ihre Zukunft so vorgestellt habe. ,,Weshalb wollen Sie das eigentlich alles wissen?“ , fragt sie ,,Weil es mir wichtig ist zu erfahren, wer hinter einem Lebensmittel steht. Unpersönliche Massenware gibt es genug.“ ,,Ja“, sagt Jeannette Donda, ,,ich finde, wir haben alles richtig gemacht.“ Dass es bis dahin ein ziemlich langer Weg war, verschweigt sie noch. Aber mir wird schnell klar, dass Onigiri zwar ein Zeitspar-Essen ist, seine Herstellung aber nicht nach der Eins-zwei-drei-fertig-Methode erfolgt. Schon die Reiszubereitung ist eine Wissenschaft für sich. Thomas Donda verwendet eine japanische Sorte, die auch in Norditalien angebaut wird. Die Körner werden in enthärteten Wasser gewaschen und ,,massiert“, wie Donda die kreisenden Handbewegungen nennt.

Thomas und Jeannette Donda

30 mal beim ersten Waschgang, 15 mal beim zweiten. Dann wird der Reis gewürzt und gedämpft. ,, Wenn er nach dem Abkühlen fein silbrig glänzt – in Japan heißt das Ginshari – dann ist erperfekt“, erklärt er und fügt hinzu: ,,Alles, was ich über den Umgangmit Reis weiß, habe ich von Japanern gelernt.“ Für die Füllungen ist seine Frau zuständig. ,,Elf verschiedene Kreationen haben wir derzeit im Programm“, erklärt Jeannette Donda, ,,von Avocado über Ingwer-Hühnchen bis Teriyaki-Ente und Yakiniku-Rind.“

Die Zutaten dafür kauft sie beim Bio-Bauern oder im erstklassigen Feinkosthandel, etwa dem Frischeparadies. Das Formen der Dreieckeund das Einpacken in geröstete Nori-Blätter übernimmt eine japanische Rice Ball Wrapping Maschine, die erste große Investion der beiden Berliner Onigiri-Produzenten. Geschah die Onigiri-Herstellung bis dahin eher bedächtig-meditativ, kommt jetzt Tempo auf. Keine Fragen mehr, bitte. Frische entscheidet. Auslieferung in Höchstgeschwindigkeit. Fahrradkuriere würden neidisch werden.

Onigiri made by Nigi Berlin, so haben Jeannette und Thomas Donda ihre Manufaktur genannt, gibt es inzwischen in verschiedenen Berliner Cafés und Geschäften. Die beiden Jungunternehmer beliefern aber auch Büros, Kanzleien und Studios mit ihrem gesunden Snack. „Der Mindestbestellwert liegt bei 25 Euro, das sind 12 Stück“, sagt Jeannette Donda. „Schreiben Sie doch noch, dass wir pünktlich und kostenlos liefern, immer zwischen 11.30 und 13.30 Uhr“, bittet ihr Mann. Über die typischen Berliner Zuspätkommen-Argumente – Baustelle, Stau, Umleitung – kann der 1,92 Meter-Mann nur müde lächeln. Angesichts seiner Superbikes und der Tatsache, dass Thomas Donda aktiver Triathlet ist, glaube ich das gerne.

Ein Anruf und damit sozusagen ein PS zu Thema Onigiri: „Hallo, hier ist Jeanette Donda, interessiert Sie unsere neueste Kreation?“ „Natürlich, aber der Bericht über Nigi Berlin ist längst fertig.“ „Es geht um die Fußball-Weltmeisterschaft.“ „Also gut, erzählen Sie.“
So oder so ähnlich verlief ein Telefonat kurz vor Beginn des WM-Turniers in Brasilien. Was wir dann erfuhren, veranlasste uns, diese Seite zusätzlich einzurichten – weil das unternehmerische Engagement der Oberschöneweider Onigiriproduzenten so beispielhaft ist und weil wir ihre neueste Kreation tatsächlich für ein geschmackliches Highlight halten.

Bis zum Finale des World Cups am 13. Juli wird es ein spezielles Fußball-Onigiri geben. Die Füllung heißt, in Anlehnung an eine brasilianische Nationalspeise, Caruru – das bedeutet soviel wie „scharfe Krabbe“. Sie besteht aus Krabbenfleisch, Okraschoten, Tomaten, Zwiebeln, Chili, Erdnuss und Koriander. Das Ergebnis ist frisch, knackig, würzig und – last but not least – weit kalorienärmer als Bock-, Brat-, Curry- und andere Würste, die normalerweise so zum Fußball gehören.

NIGI BERLIN

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