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Bäckerei Vollkern

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„Wenn man in Berlin nichts los wird, dann liegt es einzig und allein am Produkt“, sagt Volker Apitz. Damit beschreibt der Brandenburger Bäckermeister zwei Tatsachen – erstens, dass der Markt für gute Lebensmittel in der Hauptstadt noch viel Luft nach oben hat und zweitens, dass er, Apitz, gute Lebensmittel macht. Von Rohrlack aus beliefert seine Bäckerei immerhin über 50 Berliner Kunden.
Rohrlack? Muss man das kennen? Der 172-Einwohner-Ort liegt rund 70 Kilometer nordwestlich von Berlin, in der Nähe von Neuruppin, und selbst in Fontanes Wanderungen durch die Mark Brandenburg findet sich nur der Hinweis auf „Garz, Vichel und Rohrlack, die Quastschen Güter im Westen des Ruppiner Sees“.

Auch Apitz‘ Bäckerei gehörte einst zum Gut derer von Quast, es war ein Getreidespeicher. „Manchmal verirren sich Touristen hierher, die wollen sowas wissen“, sagt der Bäckermeister. Der 42-Jährige stammt von der Küste und absolvierte in der Volkswerft Stralsund eine Maschinenbaulehre. „Berufsausbildung mit Abitur“, erklärt er. Im inzwischen wiedervereinigten Deutschland folgten Zivildienst, Lehramtsstudium, Abbruch und ein Praktikum in England. „Dort habe ich zum ersten Mal gesehen, wie Brot gebacken wird. Dieser Faszination bin ich erlegen“, erzählt Volker Apitz. Bäckerlehre in Stralsund, ein Jahr als Geselle in einer Prenzlauer Handwerksbäckerei, Bewerbung in Rohrlack, so seine nächsten Stationen.

Eine Behinderteneinrichtung, die hier ansässig ist, suchte einen Leiter für ihre Backwerkstatt, Apitz erfüllte die Anforderungen und blieb. Er machte seinen Meister und sich schließlich im Jahr 2000 selbständig. „Mit einer Demeter-Bäckerei von Anfang an“, das ist ihm wichtig. Die Begründung für diese Entscheidung liefert er ungefragt: „Für mich ist es die einzig richtige Art, Landwirtschaft zu betreiben und Lebensmittel herzustellen“, sagt er und verschweigt nicht, dass es da auch eine wirtschaftliche Komponente gab. „Berlin und Brandenburg hatte damals nur zwei Demeter-Bäckereien, die Nische reizte mich.“

In dieser Nische hat sich Volker Apitz in den letzten Jahren eingerichtet – mit traditionellem Handwerk und großer Hingabe. ,,Wir verwenden ausschließlich das volle Korn, vor allem Roggen und Dinkel“, erklärt der Meister, ,,und mahlen es auf unseren eigenen Mühlen.“ Ein Vortrag über die Vorteile des Vollkornbrotes folgt. Es enthält das Nerven-Vitamin B1, das zur Blutbildung wichtige Vitamin B6, außerdem Eisen, Magnesium, Zink und viele Ballaststoffe. ,,Wird nur der innere Mehlkörper des Korns vermahlen, gehen 60 Prozent der Nährstoffe verloren, und Weißbrot enthält eigentlich nur noch Eiweiß und Stärke“, so Apitz. Dann spricht er über die Kunst der Sauerteigführung, für ihn die ,,Basis jeder redlichen Handwerksbäckerei“.

Sie besteht zu gleichen Anteilen aus Roggenmehl und Wasser. Milchsäurebakterien aus der Luft und dem Mehl sorgen dafür, dass die Masse säuert. Dabei werden Essigsäurebakterien und Hefepilze freigesetzt. ,,Dadurch wird der Teig aufgelockert, es entsteht ein aromatischer Brotgeschmack, die Austrocknung wird verzögert und ein natürlicher Schutz vor Brotschimmel geschaffen.“
Allerdings, Sauerteigbrot braucht Zeit. Und Zeit, das in Zeiten der Online-Hektik offensichtlicher denn je, ist eben auch Geld.

Bäcker also, die effizienter produzieren wollen, setzen auf Hefe anstelle des Sauerteigs, der immerhin 24 Stunden braucht, bis er gebacken werden kann. Wer dem Mann mit der hohen Denkerstirn zuhört, versteht, weshalb richtige Bäcker keine Maschinenführer sind und gutes Brot nicht per Knopfdruck entsteht. Vor uns liegt ein flacher Fladen, der ein bisschen aussieht wie ein misslungener Backversuch.
Doch das Gegenteil ist der Fall.

,,Das sogenannte Ur-Essener“, grinst Meister Apitz, ,,ist backtechnisch eine ausgesprochen schwierige Sache.“ Es besteht zur Hälfte aus gekeimtem Roggen und Weizen, zusätzliches Mehl wird nicht verwendet, und gebacken wird es doppelt so lange wie ,,normales“ Brot, allerdings bei erheblich reduzierter Temperatur. Das Ergebnis: Ein kohlenhydratarmes, außen krosses und innen feucht-klitschiges Brot mit nussig-karamelligem Geschmack, das seinen Namen übrigens nach dem Volk der Essäer hat, die solche Art Brot schon vor rund 2000 Jahren buk.
,,Eine unserer Vollkern-Spezialitäten“, heißt es in Rohrlack stolz.

Eine zweite gibt es sogar unter einer eigenen Marke. Das sind glutenfreie Backwaren aus Reis- oder Hirsevollkernmehl, vier Brot- und vier Brötchensorten sowie ein Stracciatella-Kuchen. Gleich nach der Eröffnung seiner Bäckerei begann Volker Apitz mit seinem Team, diese Spezialitäten zu entwickeln. Inzwischen gibt es schon wieder eine neue Vollkern-Kreation – ein glutenfreies Burger-Brötchen,
das ebenso wie die anderen Brötchen und Brote in einer speziellen Backstube entsteht, die ein bisschen wie eine Apotheke wirkt. Bleibt als Fazit: Rohrlack hat also doch schon was zu bieten.

Bäckerei Vollkern

Lindenhof 2
16845 Rohrlack
Tel. 033928 – 711 33
www.baeckerei-vollkern.de

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