Fuhrmanns Früchtekorb – Rhabarber
Dann und wann bekomme ich ein Kochbuch geschenkt, aber selbst kaufe ich mir schon lange keins mehr. Gefühlte vierhundertfünfundsechzig Neuerscheinungen monatlich, die meisten von flockigen Fernsehpfannenwendern oder ihren Lohnschreibern verfasst, zumeist bunte Rezeptsammlungen, die selten Spaß machen – von Geschmacksbildumg und Wissenszuwachs ganz zu schweigen, nein, dafür mag ich kein Geld ausgeben.
Vor ein paar Tagen habe ich meinen Vorsatz gebrochen und 29,90 Euro für das Buch „Ducasse Nature“ angelegt (Walter Hädecke Verlag, Weil der Stadt). Nicht wegen des berühmten Namens – Alain Ducasse ist ein weltbekannter französischer Küchenkünstler und Gastrounternehmer – sondern wegen der schlichten Rezepte, die zeigen, dass wahrer Genuss in einfachen, aber guten Lebensmittelnzu finden ist, die auf natürliche Art zubereitet werden. „Es ist an der Zeit, sich auf das Wesentliche zurückzubesinnen und wieder Lust am einfachen Kochen mit Gemüse, Getreide und Obst zu bekommen – den unverzichtbaren Zutaten einer gesunden und ausgewogenen Ernährung“, meint Ducasse, und ich finde, er hat Recht. Das sage ich übrigens nicht nur, weil ich Obst- und Gemüsegroßhändler bin.
Wir haben jedenfalls zu Hause schon einige Rezepte des großen Franzosen, der allerdings seit einigen Jahren Monegasse ist, nachgekocht – zum Beispiel seine Rhabarbertarte. Auf einem vorgebackenen Blätterteigboden kommt eine Masse aus Naturjugurt, gemahlenen Mandeln, Ei, Zucker, Vanillienzucker und Ingwer, darauf erst der geschälte Rhabarber, der zuvor mit Zucker eine Stunde lang ziehen durfte. Das Ganze nochmals bei 180°C rund 20 Minuten gebacken, ergab eine leckere Tarte, die allgemeines Lob erhielt, selbst von Gästen, die Rhabarber sonst eher mit Skepsis begegnen.
Rhabarber ist nicht jedermanns Sache
In der Tat, Rhabarber ist nicht jdermanns Sache. Reichlich Fruchtsäure zieht den Mund zusammen, hinzu kommt der hohe Oxalsäuregehalt. Zwar benötigt der menschliche Organismus diese organische Säure und produziert sie deshalb sogar selbst. Ist jedoch zuviel davon vorhanden, bildet Oxalsäure mit körpereigenen Calcium unlösliche Salze – Calcium-Oxalate – die bei manchen Menschen Nierensteine fördern können. Dafür allerdings sind dann schon erhebliche Mengen nötig.
Ansonsten schmeckt Rhabarber nicht nur erfrischend säuerlich, sondern ist auch ausgesprochen kalorienarm und enthält neben reichlich Kalium, Eisen und Phosphor auch viel Vitamin C. Das Gemüse, das ständig für ein Obst gehalten wird, wurde in China schon 3.000 Jahre vor Christus angebaut – der heilsamen Kräfte seiner Wurzeln wegen. Um 1700 gelangte die Pflanze nach England und war auch hier zuerst Bestandteil vieler ärztlicher Therapien. Dann folgte die Entdeckung der Essbarkeit der Rhabarberstiele, und Rhubarb Fool, eine Art grobes Püree mit Crème double, anvancierte zu einem der beliebtesten Desserts auf der Insel. Woher der Name „fool“, zu deutsch „Narr“ in diesem Zusammenhang kommt, konnte ich allerdings nicht klären. Klar ist jedoch, dass England noch heute als Mekka der Rhabarberfreunde in Europa gilt.
1484 holte der Hamburger Kaufmann Peter Holster die wuchsfreudige Staude nach Deutschland. Es dauerte aber noch einige Jahre, bis er seine Landsleute vom Geschmack des rheum barbarum (lat. Fremde Wurzel) überzeugt und der Rhabarber als „englisches Kompott“ die deutschen Küchen erobert hatte.
Übrigens: Gewerbsmäßig angebaut werden derzeit etwa 30 Sorten, wobei die rotfleischigen und rotstieligen weniger Säure enthalten und wohl deshalb im Trend liegen. Viele Feinschmecker bevorzugen allerdings die sauren, grünstieligen Sorten.
Timperley Early – Rharbarber soll am Besten schmecken
Der geschmacklich mit weitem Abstand beste Rhabarber soll übrigens ,,Timperley Early“ sein, eine in den 1940er Jahren gezüchtete frühe Sorte mit langen, dünnen grünfleischigen Stielen. Am Markt allerdings ist sie kaum zu bekommen, auch ich habe davon nur in einem Artikel über den bekannten Schweizer Gärtner Roland Fasnacht gelesen. Für die größten Fans des Rheum rhabarbarum hier noch dessen Adresse: roland.fasnacht@bluewin.ch