Lochner Weinwirtschaft
So sind sie, die Lochners. Ihr Umzug von Tiergarten nach Schöneberg verlief ohne vollmundige Vorankündigungen und begleitende Zeitungsberichte. Wir sind dann mal weg, hieß es nur. Bescheiden und einfach so.
Jetzt sind sie wieder da. Das neue Restaurant heißt Lochner Weinwirtschaft. Nichts von „Schäbigweichundsauber“ oder ähnlichen Schöpfungen juveniler Wortkultur. Nein, „Lochner Weinwirtschaft“. Schlicht und ergreifend.
Die ersten Gäste waren die Handwerker, dann folgten die Lieferanten. Der umtriebige Käsehändler Fritz Blomeyer, der Fischer Joachim Lechler aus Caputh, der Weinexperte Georg Mauer und Matthias Buchholz, Freund, Kollege und Eismacher. Sie gratulierten Gerlinde Lochner-Kern – nicht nur zum neuen Laden, sondern auch zu dem am Vortag erfolgreich absolvierten Berlin-Marathon. 42,195 Kilometer in 5 Stunden, 11 Minuten, 15 Sekunden, und das mit 52 Jahren. Hochachtung.
Soviel, dass Andreas Lochner bemerkte, er sei die 692 Kilometer von Berlin ins tauberfränkische Röttingen, wo seine Mutter lebt, mit dem Fahrrad gefahren, immerhin in drei Tagen. Natürlich, Hochachtung auch dafür. Die meiste Anerkennung jedoch gab es für den Entschluss der beiden Gastronomen dafür, nach zehn Jahren Fine Dining am Lützowplatz dem Tamtam der Pinzettenküche adé zu sagen. Weg von der Anbetung eines pochierten Wachteleigelbs und dem Kniefall vor Jacobsmuschelchips, Schneckeneiern und all den anderen beglückenden Finessen der Pastetenliga.
Hin zu Lammragout, Wurstsalat und Königsberger Klopsen. „Eine ehrliche Gasthausküche“, sagt Andreas Lochner, „da komme ich her, und da bin ich jetzt wieder.“
Und man sieht ihm die Zufriedenheit an. Tatsächlich, Lochner stammt aus einer Gastwirtsfamilie. Ein paar Erinnerungsstücke fanden ihren Platz in der neuen Weinwirtschaft: Ein Fässchen mit den Buchstaben P.L. und der Jahreszahl 1939 ins Holz geschnitten – „Pauline Lochner, meine Großmutter“, ein paar über 80 Jahre alte Bocksbeutel – „leider leer“ und ein gedrechselter Tisch mit brauner Resopalplatte – „an dem wurde Mittag gegessen, Schafkopf gespielt, Wäsche gebügelt, und ich habe daran Schularbeiten gemacht.“ Lochner lächelt: „Aber der Rest im Laden ist neu!“
Viel Holz, warme Farben, gutes Licht, ein Ort für kulinarische Sesselkleber, vorausgesetzt natürlich, sie können mit Andreas Lochners Gastroklassikern etwas anfangen und verlangen von der Patronne keinen Montrachet Grand Cru. Gerlinde Lochner-Kern, eine der besten, aber auch bescheidensten Sommelieren der Stadt, hat derzeit rund 330 Gewächse im Keller und in den, „vorwiegend deutsche, aber auch einige Franzosen, Italiener, Österreicher, Spanier und Neue Weltler.“
Die heimischen Anbaugebiete sind komplett vertreten von der Ahr bis nach Sachsen; zu bekannten Namen wie Aldinger, Becks, Closheim, Heymann-Löwenstein, Johner, Keller, Künstler, Stigler, Schloss Poschwitz und von Winning gesellen sich weniger allgegenwärtige Offerten, etwa die Mosel-Rieslinge des Weingutes Grans-Fassian mit ihrer pikanten Säure, die durchgegorenen Weißburgunder von Cornelia und Reinhold Schneider aus Endingen am Kaiserstuhl oder die in Berlin seltenen Tauberschwarz-Weine von Jürgen Hofmann, dem Senkrechtstarter aus Andreas Lochners unterfränkischem Heimatort Röttingen.
Zum Wein gibt es Weinbegleiter – endlich hat mal einer den Mut, seine kulinarischen Kleinigkeiten nicht deutsche Tapas zu nennen – insgesamt zehn und der Beweis, dass es auch noch ein Leben neben Hummerschwanz und Rochenflügel gibt. Was Lochner macht, macht er gut, und weil seine Weinbegleiter auch noch fair kalkuliert sind, sollte man sich die zehn Gänge für 59 Euro – wenn man zu zweit ist – komplett gönnen. In Italien gibt es den Begriff der „convivlità“, der meist mit „Gemütlichkeit“ übersetzt wird, aber eigentlich mehr meint: Spaß beim Einkehren und zwangloses Beieinandersein an einer Stätte der Gastlichkeit.
Und genau das bietet Lochners neue Weinwirtschaft.
Lochner Weinwirtschaft
Eisenacher Straße 86
10781 Berlin
www.lochner-weinwirtschaft.de