Dr. Kochans Spirituosen
Den meisten Händlern sieht man irgendwie an, was sie verkaufen, erst recht dann, wenn sie es schon länger tun. Hände, Haarschnitt, Gesichtsfarbe, das Outfit. Sicher, Klischees, aber dennoch. Bei Thomas Kochan hätte ich auf Buchhändler getippt. Die hohe Stirn, aus der die Haare früh geflohen sind, das offene Gesicht, die schmale, farblose Designerbrille. Nichts von rustikaler Männlichkeit oder gehobenen Paschatum, eher eine gewisse Sanftmut, ein Menschenfreund.
Ganz klar, so sehen Buchhändler aus. In diesem Fall allerdings Fehlanzeige. Thomas Kochan handelt mit knallharten Sachen, mit Spirituosen nämlich und hat sich in seiner Branche den Ruf eines Scouts erarbeitet, der selbst die feinste Spur noch lesen kann. Und so stehen in den Regalen seines kleinen Handels in Prenzlauer Berg dann auch Produkte, von denen die Einkäufer der Supermarktketten oder Getränkegroßhändler, die ihre Ware palettenweise ordern, nicht mal träumen.
„Spirituosen müssen gut riechen, gut schmecken, und wenn sie das tun, dann entscheidet für mich die dritte Dimension“, sagt Kochan. Die dritte Dimension, das ist für ihn das Handwerk.
Wie wird produziert? Mit Welchen Zutaten? In welcher Dimension? Geschmacksuniforme Massenware, die sich nur durch Flaschenform und Etikettengestaltung unterscheidet, das ist nicht sein Ding.
Eher sowas wie der Klosterlikör aus der Erzabtei St. Ottilien in Oberbayern, dessen Rezeptur lediglich drei Mönche kennen, der Dominikanerinnen Kräuterbalsam aus Regensburg oder der Saar Dry Gin aus dem Dreiländereck Deutschland-Luxemburg-Frankreich, der durch die Zugabe hochwertiger Riesling-Spät- und -Auslesen besticht. Oder der Alte Gebirgsenzian aus der Schlierseer Destillerie Hoermann, der Böckenhoff-Korn, der Kahlgrund-Whisky, der Eversbusch Doppelwachholder. „Alles Spirituosen mit Seele“, so Kochan. Die meisten Produzenten kennt er persönlich. „Anonymität schadet der Glaubwürdigkeit.“