Das Genussnetzwerk für Essen, Trinken & Lebensart

Fuhrmanns Früchtekorb – Knollenziest

7.997

Er ist teuer, er ist selten, und selbst viele Spitzenköche kennen ihn nur dem Namen nach: Knollenziest, botanisch Stachys affinis, auch als Chinesische Artischocke oder Japanische Kartoffel bekannt. Nachgefragt wird Knollenziest hierzulande kaum, weder von der Gastronomie noch auf Wochen- oder in Supermärkten. Dementsprechend spärlich ist auch das Angebot.

Wenn ich heute dennoch für die archaische Rarität eine Lanze breche, dann zuallererst wegen ihres besonderen Geschmacks, der roh angenehm und fein nussig daherkommt und nach Erwärmung irgendwo zwischen Artischocke, Blumenkohl und Schwarzwurzel spielt.

Bei den optisch eigenwilligen, an winzige Schillerlocken erinnernde perlmuttfarbige Knöllchen handelt es sich um die Wurzelverdickungen der einzigen Gemüsepflanze aus der Familie der Lippenblütler. Der Ursprung des Knollenziests wird in Nord- und Zentralchina vermutet, wo er auch heute noch großflächig angebaut wird. Nach Europa gelangte die Pflanze allerdings erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Hier wurde sie zuerst von Auguste Pailleux auf dessen Versuchsfeldern in Crosne, im Südosten von Paris mit dem Ziel kultiviert, ein attraktives Wintergemüse zu akklimatisieren. Nachdem das gelungen war, avancierten die nährstoffreichen Knollen unter dem Namen „Crosne du Japon“ zum kulinarischen Geheimtipp und verbreiteten sich rasch in ganz Mitteleuropa.

In Auguste Escoffiers 1903 erschienenem Standardwerk „Le Guide Culinaire“ beispielsweise sind immerhin sieben Knollenziest-Rezepte aufgeführt, die in ähnlicher Form heute immer noch in französischen Restaurants gekocht werden. Der Boom außerhalb Frankreichs allerdings war nur von kurzer Dauer. Das mag einerseits an der arbeitsaufwendigen Ernte der Knollen, andererseits an Problemen mit der Pflanzengesundheit gelegen haben.
In neueren deutschen Kochbüchern jedenfalls fand ich nur wenige Hinweise auf das winterharte Gemüse dessen derzeit wichtigste europäische Anbauländer Frankreich, Holland und Belgien sind. Johannes King etwa, Gastgeber im Sylter Söl´ring Hof und – ältere Berliner werden sich erinnern – bis 1998 Küchenchef im Wannsee-Restaurant Grand Slam, serviert den Knollenziest gemeinsam mit Kerbel-, Petersilien- und Schwarzwurzel sowie Pastinake und Roter Bete als Wintergemüsesalat zu gebratener Rotzunge.Dafür blanchiert King den Ziest nach dem Waschen und Putzen etwa eine Minute in köchelndem Salzwasser, schwitzt ihn dann kurz in Butter an und serviert ihn lauwarm.
Das Rezept finden Sie übrigens in seinem schönen „Kochbuch von Land und Meer“ (Collection Rolf Heyne, München 2012). Bei dieser schonenden Verarbeitung bleiben die Inhaltsstoffe der Knolle erhalten – viele Minerale sowie das seltene, vom Körper leicht aufnehmbare Kohlenhydrat Stachyose, eine schwach süß schmeckende Verbindung aus Glucose, Fruktose und Galactose. Noch geschmacksstärker als gedünstet wird Knollenziest meiner Meinung nach, wenn er in gutem Olivenöl oder in Butter vier bis fünf Minuten gebraten wird. Würzen mit Meersalz und Pfeffer aus der Mühle, dazu gehackte Kräuter, superlecker!

Hinterlasse eine Antwort

Deine Email-Adresse wird nicht veröffentlicht.

Diese Website verwendet Cookies, um Ihre Erfahrung zu verbessern. Wir gehen davon aus, dass Sie damit einverstanden sind, Sie können diese jedoch abmelden, wenn Sie dies wünschen. Akzeptieren Mehr erfahren