Nehmen wir mal das Fazit vorweg. Ein solches Restaurant wie Fräulein Fiona hätte ich gern in meiner Nähe, aber der Berliner Süden zwischen Bohnsdorf und Marienfelde ist seit eh und je gastronomisch unterversorgt – nicht so sehr, was die Zahl der Restaurants, sondern vor allem, was ihre kulinarische Qualität betrifft.
Also, mal wieder Autofahrt und Alkoholverzicht, Stadtautobahn, Messedamm, Kantstraße, Fritschestraße, Parkplatzsuche, selten erfolgreich, also noch ein mehr oder weniger langer Fußweg zu Fräulein Fiona.
Die stärksten Faktoren in diesem sympathisch unschnöselhaften, gemütlichen Lokal im ja sonst nicht eben unschnöselhaften und schon gar nicht gemütlichen Charlottenburg. Der kecke Einrichtungsmix, der wohl nicht aus einem Designerladen, sondern eher vom Flohmarkt stammt. Himmlisch. Und dann – Fiona.
Die 33-Jährige ist eine Gastgeberin, bei der man weiß, woran man ist, keine Verstellerin mit dem ewig gleichen Kellnerlächeln, eher eine Versteherin, immer charmant, manchmal resolut, selten fehlen ihr die Worte. „Gastronomie ist mein Traumjob“, sagt sie. Geboren in Wiesbaden, Vater Deutscher, Mutter Schottin, absolvierte sie eine Hotelfachausbildung in der Heimat ihrer Mutter.
2006 Adelaide in Australien, 2010 Berlin, ein Jahr später Fräulein Fiona, das erste eigene Restaurant und inzwischen längst ein sicherer Tipp. Die Patronin begrüßt die Gäste, erledigt die Wein- und Menüberatung, kümmert sich um den Service, die Rechnung und übernimmt auch die Verabschiedung ihrer Gäste. Hier und da, Fiona everywhere – außer in der Küche.
Die ist das Reich von Enrico Böcker, einem 27-jährigen Mecklenburger, der alle Klischees erfüllt, die es über die Nordlichter so gibt. Große Worte – Fehlanzeige, große Gesten sowieso. Still, bescheiden, zurückhaltend – seltene Charakterzüge in seiner Generation und unter Köchen seines Alters erst recht.
Aber Böcker liebt seinen Beruf, und er kann kochen. Lehre im Ostseebad Heringsdorf, Stationen in Denver/Colorado, London, als Privatkoch in Frankreich und immer irgendwie auf der Suche. Im April 2014 dann die Küchenchefstelle, für beide ein Glücksfall.
Rotwurstgraupen mit Morchelschaum, Jakobsmuscheln mit jungen Möhren, Entrecôte mit Steckrübencreme, Himbeersouffleé mit Sorbet – Gerichte, an die ich mich gerne erinnere, alles sehr fein und köstlich. Bravo, sage ich da, was der junge Mann macht, ist vielleicht nichts für die Gourmet-Schickeria; Leute allerdings, die eine ambitionierte Regionalküche suchen, sind hier genau richtig.
Fräulein Fiona
Fritschestr. 48
10627 Berlin
Tel. 030/95 60 22 72
www.fraeulein-fiona.de