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Cordobar – best wine bar

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Felix Austria – glückliches Österreich. Der Ausdruck geht auf den römischen Dichter Ovid (43 v. – 17 n. Chr.) zurück. Herzog Rudolf IV., der einflussreichste Habsburger des 14. Jahrhunderts, verwendete ihn auf seinem Siegel, später hielt der Spruch Einzug in die Umgangssprache. Ein schönes Bild: drei gestandene Männer, der zur Tageszeit passende Tropfen und jene Mischung aus Charme und Schmäh, die Österreicher immer ein bisschen interessanter macht als andere Mitteleuropäer. Felix Austria, glückliches Österreich.

Gerhard Retter und Willi Schlögl sind Steierer, Lucas Mraz Wiege stand in Wien, und die Cordobar ist ihr Arbeitsplatz. Als die Weinbar vor zwei Jahren startete, war das gastronomische Genre noch ziemlich fremd in Berlin, ganz im Gegensatz etwa zur Metropole an der Donau. Dort hatte Wein&Co-Boss Heinz Kammerer bereits 1999 am Getreidemarkt im 6. Wiener Gemeindebezirk eine solche Bar eröffnet, schick und überaus erfolgreich. Es lag auf der Hand, diesen Lokaltyp auch in Berlin zu installieren, aber hierzulande muss ein Trend aus Amerika kommen, damit er schnell Fuß fasst.

Gerhard Retter und seine Berliner Gründerpartner, der Musikproduzent Christof Ellinghaus und der Filmregisseur Jan-Ole Gerster, beide zwar keine Ösis, aber leidenschaftliche Weintrinker, leisteten also Pionierarbeit – Weinbars gehören mittlerweile zum Stadtbild. Keine jedoch verbindet einen angenehm unkomplizierten, lässigen Ort so gekonnt mit feinem Wein und guter Küche wie die Cordobar.

Aus 824 Quellen wird in Deutschland Minerelwasser abgefüllt. Hinzu kommen die Sorten aus der Ferne – Vittel und Volvic aus Frankreich beispielsweise, Voss aus Norwegen, Hildon aus England, Ty Nant aus Wales, S. Pellegrino und Acqua Panna aus Italien, Hayat aus der Türkei. Seit Jahren steigt der Verbrauch hierzulande und hat inzwischen stolze Liter pro Kopf und Jahr erreicht. Kein Wunder, dass dieser Wachstumsmarkt hart umkämpft ist, dass Abfüller und Importeure versuchen, mit immer neuen Aktionen und Botschaften, ihre Wässer besser zu positionieren – im Einzelhandel wie in der Gastronomie.

Einen guten Einfall hatten in diesem Zusammenhang die Marketingleute von Gerolsteiner Brunnen. Das Traditionsunternehmen in der Vulkaneifel, das Deutschlands beliebtestes Mineralwasser abfüllt, kürt seit dem vorigen Jahr sogenannte Gerolsteiner WeinPlaces, gastronomische Orte, die ihren Gästen besondere Weinerlebnisse bieten – und dabei natürlich das begleitende Mineralwasser nicht vergessen.

„Zum WeinPlace werden solche Orte nicht nur dadurch, dass Wein im Zentrum des Angebotes steht, sondern auch durch Gastronomen, die Wein gekonnt in Szene setzen und ihr Wissen und ihre Begeisterung für die Weinkultur weitergeben“, so Marcus Macioszek. Marketingchef in Gerolstein auf der diesjährigen Preisverleihung in Berlin. Eine hochkarätige Jury hatte entschieden, für sechs Weinbars zwischen Hamburg und Freiburg gab’s einen Pokal. Der kiloschwere Dolomit aus einem Steinbruch in der Eifel steht nun auch in der Cordobar und das – man lese und staune – obwohl der hauptstädtische Wein-Hotspot von Gerolsteiner nur eine Zitronenlimonade anbietet, sein Mineralwasser aber aus Österreich bezieht.
„Wir ehren nicht die besten Kunden, sondern die stärksten Weininstitutionen“, so Macioszek. Und das wiederum ehrt Gerolsteiner.

Weshalb funktionieren Weinbars eigentlich so gut?

Weil Wein ein besseres Image hat als alle anderen alkoholischen Konsumartikel. Willi Schlögl weiß, wovon er spricht. Während sich draußen ein paar Kids den Appetit mit Energydrinks verderben, ist drinnen in der Cordobar der feine Wein Gesprächsthema derjenigen, die dieses Alter der Verwirrung hinter sich gelassen haben. Und Schlögl und seine Kollegen kommen kaum nach, die Gäste zu begrüßen, zu beraten, zu beplaudern.

Das Weinbuch der Cordobar – das Wort „Karte“ verbietet sich hier wohl angesichts des bibelstarken Bandes – liegt seit ein paar Monaten in vierter Auflage vor. Einmal, weil es jede Menge Novitäten gibt, zum anderen, weil die letzte Auflage (fast) komplett geklaut wurde. Mein Vorschlag an die doch auch sonst nicht geschäftsuntüchtigen Inhaber: Verdoppelt die Auflage, schreibt noch ein paar vinophile Merksätze für den Alltagsgebrauch hinein, signiert das Ganze und verkauft es als Cordobibel!

Kommen wir mal zum Inhalt.

Da gibt es (fast) nichts, was es nicht gibt. Deutschland, Österreich, Frankreich, Italien, Spanien, keine Frage. Dazu Portugal, Schweiz, Slowenien, Ungarn, Kanada, USA, Südafrika, Australien, Neuseeland. Gutes und Günstiges, Einsteiger und Raritäten, etwa ein Roter Veltliner 2004 vom Wachau-Winzer Rudi Pichler aus Wösendorf. Ich vermute mal, dass der genauso schnell ausgetrunken sein wird wie etwa das fulminante 2010er Große Riesling-Gewächs aus Haus Oliver Spaniers Paradelage Hohen-Sülzen Kirchenstück oder der 2012er Blaufränkisch von Ernst Triebaumer aus der berühmten Lage Mariental in der Nähe des Neusiedler Sees. Wenn es so sein sollte, tragen Sie es mit Fassung, Willi Schlögl findet garantiert eine gute Alternative.

Etwas aus seinem Naturwein-Schrank.

„Um dieses Thema kümmern wir uns in diesem Jahr noch etwas stärker als in der Vergangenheit, weil die Welt der ungeschwefelten, ungefilterten, ungeschönten Weine wegen ihrer vielfach unglaubliche Qualität immer spannender wird“, so das wandelnde Weinlexikon. Bleibt als minimaler Makel, dass mein Saale-Unstrut-Lieblingswinzer Bernard Pawis mit seinen saftigen Müller-Thurgaus und feinfruchtigen Weißburgunder Spätlese in der Cordobar keinen Platz gefunden hat. Aber, wie schon geschrieben: Schlögl findet natürlich eine gute Alternative.Hauptsache Wein. So funktioniert eine Weinbar. Im Umkehrschluss heißt das wohl: Nebensache Essen. „Irrtum, zweite Hauptsache“, kontert Cordobar-Küchenchef Luka Mraz wienerisch selbstbewusst.

Sicher, keiner muss hier etwas essen, aber die meisten tun es doch und sind dann nach einem Snack (so heißen die Gerichte tatsächlich) dermaßen begeistert, dass sie häufig noch einen zweiten und dritten bestellen – der Appetit kommt eben beim Essen.

Tagesspiegel-Kritiker Bernd Matthies bemerkt dazu treffend: „Dieser Anspruch unterscheidet die neue Weinbar von der Tapas-Bar mit ihrem stereotypen Angebot und auch von der klassischen Weinstube, die ohne Zwiebelkuchen und Käsebrett so wenig denkbar ist wie eine Imbissbude ohne Currywurst.“ Auf die bei seinen Gerichten radikale Regionalität einiger Kollegen will sich Lukas Mraz nicht beschränken; es gibt Jakobsmuscheln, Kaisergranate, Miso, Nori, Tomatillos und wenn Chef Mraz sonst noch etwas Geschmacksstarkes entdeckt, dann geht der Spaß erst richtig los. Das heißt, er schafft es, seine Freude an Lebensmitteln bunt, fröhlich und appetitanregend auf die Teller zu bringen.

Wahrscheinlich hat sich der 25-Jährige da einige Anregungen bei seinem Vater geholt, der in Wien als „Meister des Unerwarteten“ gilt. Ich erinnere mich zum Beispiel an ein Amuse bouche, das Sternekoch Markus Mraz, Lukas Papa also, im Takeaway-Karton servierte, ein hauchdünner Pizzateig mit einem Belag aus Kürbis, Pamesan und Trüffel (www.mrazundsohn.at). Bei Mraz junior gibt es auch diese Verpackung, nur der Inhalt ist ein anderer: Blutwurst-Pizza, Rote Bete, Fetakäse, Wasabi. Der Apfel fällt also tatsächlich nicht weit vom Stamm.

Da kommen beispielsweise feine Austern vom holländischen Züchter Roel van Vliet, dazu der Schaum aus Granny Smith und Rucola sowie die homöopathische Dosis einer Salsa aus Tomatillo, Chili, Limettensaft und Olivenöl. Oder das witzige Vegi-Knochenmark à la Fergie (eine Verbeugung vor dem Ideengeber, dem englischen Küchenchef Fergus Henderson im Londoner St John): Mit einer Royale, einer festen Creme aus Eigelb, Sahne, Tofu, Misopaste und Rauchöl gefüllte Markknochen, die natürlich zuvor kräftig ausgekocht wurden. Das ist zwar nicht ganz vegetarisch, aber leicht, beschwingt und allemal mehr als 13 Punkte wert.

cordo.berlin _ Restaurant leider

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