Rottstocker Forellenhof
Den Tipp gab´s gleich doppelt
Zuerst machte uns Jörg Pöhlmann, Verkaufsleiter bei Havelland Express, auf die Produkte des Rottstocker Forellenhofs aufmerksam. Ein paar Tage später erzählte uns Philipp Liebisch von seinen Weihnachtsmenü-Plänen, bei denen Störe aus Rottstock eine tragende Rolle spielen sollten.
Wir vereinbarten mit Liebisch ein Fotoshooting, doch dann kam alles ganz anders. Dem Küchendirektor im Berliner Volkswagen Forum wurde Knall auf Fall gekündigt. (Sein Arbeitgeber, der Bonner Gastronomiedienstleister L & D, begründete die Entlassung des Spitzenkochs übrigens mit einer wirtschaftlich nicht mehr tragfähigen Situation. Wie es dazu kommen konnte, behielten die L & D-Manager allerdings lieber für sich.)
Wir entschieden uns, die Geschichte dennoch anzugehen, dann eben ohne Liebischs Fischgerichte. Rottstock im Landkreis Potsdam-Mittelmark also, ein Dorf mit viel Gegend, in der sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen. Die Autobahn A2 Richtung Hannover, Abfahrt Ziesar. Ein paar Kilometer die B 107, dann weisen Schilder den Weg.
Der Forellenhof Rottstock liegt direkt neben der Bundesstraße und gilt als eins der beliebtesten Ausflugsziele im Hohen Fläming. Es dient als Wohlfühlort für gestresste Städter, als Angelparadies, Ort himmlischer Ruhe und bodenständigen Genusses. Geschaffen wurde die Anlage – 24 Teiche, insgesamt sechs Hektar groß, dazu sechs Hektar Wald – bereits 1910.
Die damalige Landbesitzerfamilie von Wulffen erkannte die Möglichkeiten, die sich durch die nahe gelegene Gesundbrunnenquelle für eine profitable Fischzucht ergaben. Während der DDR-Zeit gehörte die Teichwirtschaft zum VEB Binnenfischei Potsdam. Der Fachwirt Andreas Franke und ein ehemaliger Mitarbeiter des Betriebes, erwarb sie 1992 von der Treuhand. Als er aus gesundheitlichen Gründen kürzer treten musste, fand er in Susanne Finsterer und Matthias Engels geeignete Nachfolger.
Zumindest, was deren Motivation betraf. Die beiden übernahmen alle Mitarbeiter und absolvierten einen persönlichen Fischzucht-Crashkurs. Methode : Learning by doing. „Was uns umtreibt, heißt nachhaltiger Genuss.“ Susanne Finsterer formuliert druckreif. Kein Wunder, die 47-Jährige ist ein Medienprofi.
Aufgewachsen in Ansbach, Studium der Politikwissenschaften in Bamberg, Traumberuf Journalistin. Den Traum erfüllte sich Susanne Finsterer mit fränkischer Zielstrebigkeit. Auf die Nürnberger Nachrichten folgte SAT.1 – Reporterin und Redakteurin, zuerst in München, dann in Berlin, schließlich selbstständige TV-Produzentin. Eine Alpha-Frau, kompetent und meinungsstark, mit Durchhaltevermögen und Frustrationstoleranz. Ihr ist jegliche Anbiederungstaktik fremd, hat dafür aber das Gefühl für richtiges Timing.
So merkte sie auch, wie sich ihr Job von Jahr zu Jahr änderte. „Hauptsache billig, billig, billig, das war am Ende nicht mehr mein Fernsehen.“ Gemeinsam mit Matthias Engels, dem Mann an ihrer Seite, plante sie den Ausstieg und einen Aufbruch zu neuen Ufern.
Engels, 51, stammt aus dem ostfriesischen Wittmund, studierte in Wilhelmshaven Elektrotechnik, Abschluss Diplom-Ingenieur und machte dann ebenfalls im Fernsehen Karriere. Er war SNG-Operator (SNG = Satelliten News Gathering, ein Stalitenübertragungswagen), Netzwerkmanager und fernsehtechnischer Entwicklungshelfer in Alma-Ata, der Hauptstadt Kasachstans.
Später trug er die Verantwortung für die technische Planung und den Betrieb des RTL-Hauptstadtstudios. Die Entwicklung des Mediums sah er ebenso kritisch wie seine Partnerin. Was machen nun zwei erfahrene Fernsehmenschen, wenn sie vom Fernsehen die Schnauze voll haben? Sie gründen ein Beratungsunternehmen oder eine Werbefirma. Oder sie bieten Kameratraining für medienscheue Manager an. Interviewkurse für wortarme Fußballspieler, und sicher wäre da noch eine ganze Reihe ähnlicher Optionen.
Keine davon kam für Susanne Finsterer und Matthias Engels ernsthaft in Betracht. Sie entschieden sich, eine Teichwirtschaft fernab großer Straßen zu kaufen und Fische zu züchten. Aussteigermentalität? „Eher Einsteigermut“, sagt Susanne Finsterer.
Susanne Finsterer und Matthias Engels erinnern sich an eine Gruppe dänischer Fischzüchter, die ihren Forellenhof besuchten und mehr als erstaunt waren, wie wenige Fische in den 70 Zentimeter bis ein Meter tiefen Teichen heranwachsen. Zumal die Wassertemperatur durch die Gesundbrunnenquelle im Jahresmittel optimale 8°C beträgt.
Die Dänen schätzen, dass man den sogenannten Besatz, das ist die Zahl der Tiere pro Kubikmeter Wasser, locker vervielfachen könnte. „Damit lagen sie ziemlich richtig“, so Engels, „aber dann würden wir uns in eine Reihe mit den Intensivzüchtern stellen, und genau das wollen wir partout nicht.“ Nachhaltige Teichwirtschaft also anstelle intensiver Fischmästerei, die letztlich, so Susanne Finsterer, „eine Form der Massentierhaltung, nur im Wasser darstellt“.
Gut anderthalb Jahre braucht es in Rottstock, bis Forelle und Saiblinge sowie Lachs- und Tigerforellen – das sind Bastarde zwischen Forellen und Saiblingen – schlachtreif sind. Andernorts geht auch das schneller, denn Fische sind in der Regel bessere Futterverwerter als Nutztiere an Land. Ein besonderes Kapitel ist übrigens der Stör, dessen Zucht und Verwertung als Joint Venture des Rottstocker Forellenhofes mit der Firma Attilus realisiert wird.
„Wenn die Tiere die entsprechende Größe haben, bekommen wir nur die männlichen Fische, die weiblichen gehen zur Kaviargewinnung nach Jessen in Sachsen-Anhalt.“
Vor 764 Jahren wurde Rottstock zum ersten Mal urkundlich erwähnt. Der Name des Ortes, so jedenfalls vermuten es Sprachforscher, könnte von „Rotstok“ abgeleitet sein – der rote Stock. So jedenfalls nannten die Bewohner einst die Erle, häufigster Baum an den Ufern vieler Bäche in der Gegend. „Schön, wenn die Etymologen richtig lägen“, sagt Susanne Finsterer, „dann hätte unsere Räucherei sogar einen historischen Bezug.“
Tatsächlich befeuern Matthias Engels und sein Mitarbeiter Maik Lücke, ihre archaischen Öfen ganz traditionell mit Erlenholz und Buchenspänen.
Das Ergebnis sind beeindruckende Geschmackserlebnisse. Räucherfisch, wie er im Zeitalter von Flüssigrauch und chemisch aufgepeppten Räuchermischungen selten geworden ist. Für unsere Zungen der Star des Geschäfts: geräucherter Stör, eine Klasse für sich. Und ein guter Grund, im nächsten Jahr eins von Engels Räucherseminaren zu buchen.
Während Matthias Engels sich um die Teiche und die sechs Hektar Wald kümmert, die zur Anlage gehören, sind das Bistro und der Fischverkauf Susanne Finsterers Metier. „Die süßsauer eingelegte Bratforelle mit Bratkartoffeln ist unser Klassiker“, erzählt sie, „und für die Fischbouletten, die aus frischen, makellosen Filets zubereitet werden, sehen wir gute Chance auf dem Berliner Markt.“
Überhaupt Berlin. Die Unternehmerin hofft, hier noch stärker Fuß fassen zu können: „Eine Zusammenarbeit beispielsweise mit einem Großhändler wie Havelland Express, der um den Wert regionaler Produkte weiß, wäre für uns sowas wie der Durchbruch.“ Eine Reihe von Berliner Restaurants beliefert sie bereits, weitere sollen folgen.
„Angelsafaris, Firmenfeiern und Jubiläen, Räucherseminare, das ist unser zweites Standbein, überhaupt der Tourismus.“ Vor allem junge Familien möchte sie nach Rottstock holen. „Das nützt uns und hilft der Region.“ PS: Am Nachmittag kommt überraschender Besuch: Philipp Liebisch, Ex-Küchenchef im noch vor Wochen hochgelobten und jetzt geschlossenen Restaurant Zeitgeist des VW-Forums und Partnerin Jana Metting, die in der Servicebrigade des Alten Zollhauses tätig ist.
Er sei aktuell in Verhandlungen und werde wahrscheinlich in Berlin oder Brandenburg wieder als Küchenchef arbeiten, erzählt der 34-Jährige. Bleibt zu hoffen, dass er in seinem neuen Restaurant von Anfang an Telefon- und Internetanschluss hat. Damit wir den Spitzenkoch nicht wieder hilflos suchen müssen. Wie einst im „Zeitgeist“ des VW-Forums, das ein „kulinarische Aushängeschild“ des Konzerns in seiner Berliner Dependance werden sollte.
Das saug- und klanglose Ende beweist übrigens auch, dass ein Großcaterer wie die Bonner L&D nicht unbedingt geeignet ist, ein Fine Dining Restaurant zu betreiben. Bleibt uns noch ein Dankeschön an Philipp Liebisch für den Rottstock-Tipp. Also, bis bald.
Forellenhof Rottstock
Dorfstraße 26a
14793 Gräben/Rottstock
Tel. 033847 – 40 241
www.forellenhof-rottstock.de