Fuchs & Fähe – Neukölln gastronomisch
Keine Frage, Neukölln hat sich in den letzten Jahren gastronomisch gemausert. Es erscheint durchaus legitim, von einer kleinen Revolution zu sprechen, so, wie der Bezirk sich hochgekocht hat. Von tadelloser Hausmannskost im Kellerlokal bis zum Fine Dining auf dem Hinterhof, vom richtig guten Burgerladen bis zum vegetarischen Hotspot – um Neukölln muss keiner mehr einen Bogen machen, wenn er ordentlich essen will. Und vielerorts entsteht so eine Art Melange-Eckkneipe in trauter Nachbarschaft zum Edelschuppen – die es wahrscheinlich so nur hier gibt.
Da ist zum Beispiel die Kienitzerstraße. Nichts besonderes, sie verbindet lediglich die Hermannstraße mit dem Tempelhofer Feld. Früher, also Ende der 1980er, war die Kienitzer – gastronomisch gesehen – ordinäres Kneipenland. „Von der Mitte zur Titte zum Sack – zack – zack!“Und noch´n Futschi. Und noch een, weil man uff zwee Been´n nich stehn kann. Die Kneipen gibt es zwar immer noch, nicht mehr an jeder Ecke zwar, aber ausreichend vertreten. Der Bierbaum 3 ist ein Bikertreff, und bei Elke Höff versammelt sich der Rest. Der Futschi kostet zur Happy-Hour-Zeit einen Euro, Elke mixt das Neuköllner Original – vier Fünftel Goldbrand, ein Fünftel Cola und reimt: „Nette Leute, Schnaps und Bier, jarnich teuer jibt det hier.“
Am anderen Ende der Straße betreibt Sara Tricoli das kleine Café Erste Sahne – so wie der Name ist auch ihr Espresso, sogar Granité, das körnige Wassereis mit Kaffeearoma serviert sie, und ihre italienischen Eis- und Gebäckspezialitäten sind zum Niederknien. Weiter vorn haben Linh Vu und Mark Roh das Pig & Tiger eröffnet, und noch ein Stückchen weiter offerieren Pascal Gallus und Estelik Schecks im Kala Berlin frischen Fisch – gebacken, Gegrillt, geräuchert.
Ein Haus weiter liegt unser heutiges Ziel, das Fuchs & Fähe.
Als Kerstin Beckmann und Vincent Fuchs Ende Februar 2015 ihr Bistro – oder ist es doch eine Weinbar oder gar ein Restaurant? – als sie also ihr „Fuchs & Fähe“ eröffneten, sahen einige Ureinwohner des Neuköllner Kiezes rund um die Kienitzer Straße darin erste Vorboten einer Gentrifizierung. So ganz falsch liegt sie damit nicht – siehe Prenzlauer Berg. Doch Kerstin Beckmann und Vincent Fuchs können ihre Nachbarin beruhigen. Sicher, das Fuchs & Fähe punktet mit dezentem Grau und dazu passendem Mobiliar, mit viel Licht und übersichtlicher Wein- und Warenpräsentation, aber weshalb sollte es deshalb nicht in die Kienitzer passen?
Das überzeugte, und inzwischen verbindet Elke Höff und die Fuchs & Fähe-Betreiber schon mehr als nur gute Nachbarschaft. Die Wirtin spendiert mal einen ihrer berühmten Eintöpfe, Vincent Fuchs revanchiert sich mit neuen Sandwich-Kreationen: etwa mit Schweinebauch, Erdnuss uns Soja, mit Ziegenkäse, Tomate, Portweinzwiebel und Olive oder mit Pastrami, Bergkäse, Liebstöckel und Spitzkohl. Letzteres gehört übrigens auch zu unseren Fuchs & Fähe-Favoriten. Wir lehnen uns sogar weit aus dem Fenster und behaupten mal, dass die saftig-würzige Neuköllner Zubereitung des Klassikers aus kräftig gepökeltem, geräuchertem und dann gedämpftem Rindfleisch durchaus auch in Amerika bestehen könnte. Und dort ist immerhin die Heimat des Pastrami-Sandwiches. Übrigens: Kerstin Beckmann empfiehlt zu diesem Sandwich eins ihrer Craft Beere oder – man lese und staune – einen Frühburgunder Rosé. Stilgerecht wäre natürlich Dr. Brown´s Cel-Ray Soda, eine eigenwillig sellerige US-Limonade, aber die gibt es in Berlin nicht.
Vincent Fuchs liebt es als Koch und Sandwich-Zubereiter klar – sowohl was den Geschmack als auch die Optik betrifft. Das hat wahrscheinlich mit seiner Ausbildung bei Matthias Gleiß im Kreuzberger Restaurant h.h.müller zu tun, dem Vorläufer des VOLT am Paul-Lincke-Ufer. Der 31-jähriger Berliner zog danach einmal durch die Stadt: Capital Club in Mitte, first floor in Charlottenburg, um anschließend wieder bei Gleiß anzuheuern, diesmal als Patissier. Hier lernte er dann auch seine Partnerin Kerstin Beckmann kennen, mit der er sich in diesem Jahr selbstständig machte.
„Früher haben Sie relativ komplexe Gerichte entwickelt, die auch noch mit den übrigen Gängen eines Menüs harmonieren mussten, heute servieren Sie Sandwiches – ein Rückschritt?“ „Nein eher eine Herausforderung.“ Pulled Pork und Cole Slaw, in diesem Jahr die großen Renner in allen Bistros, Grills und anderen Fast-Food-Stationen hat Fuchs nicht auf der Karte. Er macht seine eigenen Trends und die kommen ziemlich vielversprechend daher. Die Renaissance des guten alten Sandwiches, das einst Admiral John Montagu, 4. Earl of Sandwich, erfand, um beim Kartenspielen auch essen zu können, ohne die Karten aus der Hand legen zu müssen? „Eine Modernisierung und Weiterentwicklung“, so Vincent Fuchs.
Kerstin Beckmann ist die Fähe, die Füchsin also. Die 29-Jährige stammt aus Holm, einem Ort im schleswig-holsteinischen Landkreis Pinneberg, westlich von Hamburg. In der Hansestadt absolvierte sie auch ihre Ausbildung zur Restaurantfachfrau – „im Jacobs“, fügt sie hinzu, also in einem Gourmetlokal der Extraklasse, das Kritiker wegen seiner Einheit von Lage, Atmosphäre und Küche schon mal als Gourmetkunstwerk bezeichnen, vulgo das höchst der Gefühle. Es folgten der Abschluss als Sommelière und Stationen in Osnabrück, Zermatt in der Schweiz und in Berlin – Weinbar Rutz und Restaurant Volt.
„Wir bieten im Fuchs & Fähe Weine an, die den Namen verdient haben und von Winzern produziert wurden, die ihr Handwerk verstehen“, sagt sie. Ein Blick in die Karte bestätigt das. Deutsches dominiert – Weingut Aldinger, Becker Landgraf, Hahnmühle, Lauer, Lay, Leiner, Max Müller, Maxim Grünhäuser, Seehof, Siener, Wagner-Stempel, von der Saar bis an die Mosel. Dazu Frankreich, Italien, Österreich, Spanien. Da kann man nicht meckern.
Leider geschlossen!
Fuchs & Fähe
Kienitzer Straße 93
12049 Berlin-Neukölln
Tel. 030 – 28 50 30 71