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Drei mal Alpenstueck

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Guten Appetit !!

Als das Restaurant Alpenstueck 2007 in einer vormaligen Sportlerkneipe und vorübergehenden Galerie eröffnete, jubelte die hauptstädtische Gastro-Kritik: „Das ist die glücklich machende Neueröffnung im Frühling.“ Die Begründung klang so: „Gute bodenständige Küche, leicht und liebevoll gekocht.“ Und die Hoffnung so: „Wir hoffen, es gelingt, den hohen Ton zu halten. “Wer heute das Restaurant wieder mal besucht, findet erstmal alles in alter Frische. Da ist das Schild über der Tür, Bambi ohne Disney oder Böcklein ohne Gärtner; das Holz in der Hütte, ordentlich aufgeschichtet, eine ganze Wand hoch; ein paar Jagdtrophäen aus Schmiedschen Familienbesitz – und da ist ein alter Bekannter – der allerdings ist neu im Alpenstueck. Gestatten: Rode, Olaf Rode.

Wow. Wir hatten zwar gehört, dass er sich nach über fünfzehn Jahren aus der Sterneliga verabschiedet hatte, wussten aber nicht, wohin. Da stand er nun, lässig, schwarzes Hemd, schwarze Hose, die früher obligatorische Designerkrawatte lässt er heute im Schrank. Olaf Rode, 48, gebürtiger Brandenburger aus Schwedt an der Oder, Lehre als Zootechniker, einem Beruf, den die DDR erfunden hatte, um jungen Leuten die Arbeit in der Landwirtschaft schmackhaft zu machen. Zootechniker, das klang halt besser als Bauer.

 

Wäre die Mauer nicht gefallen, würde Rode heute wahrscheinlich einer LPG vorstehen. Doch das Jahrhundertereignis und die Faszination der großen Stadt verhalfen ihm zu seiner eigentlichen Berufung. Ausbildung zum Restaurantfachmann, Stationen im Schloßhotel Vier Jahreszeiten im Grunewald, im first-floor und schließlich 2003 als Maître im Restaurant Hugos. Michelin-Stern, 18 Gault-Millau-Punkte, Berliner Maître des Jahres. Seit Anfang Dezember 2014 nun im Alpenstueck. „Zufrieden?“ „Total.“

Das Restaurant liegt abseits der großen Straßen und der touristischen Trampelpfade. Kein Ort, den man zufällig aufsucht, nur die volle Absicht führt hin. Die volle Absicht, gut zu essen. Und da sind wir uns mit allen einig, die hier schon mal zu Gast waren: Was Küchenchef Groß und sein Team ohne viel Firlefanz auf die Teller bringen, schmeckt erstklassig. Das klare und dennoch behagliche Ambiente, der unverkrampfte Service und die lockere Atmosphäre doppeln den Genuss.

Zuständig für eine süddeutsch inspirierte Küche, die nicht einen Zentimeter vom Boden abhebt: Gurkensüppchen, Kalbsmaultaschen, Käsespätzle, Apfelstrudel und – der Renner im Haus – Wiener Schnitzel. Natürlich vom Kalb, vom Linumer Wiesenkalb, natürlich aus der Oberschale, paniert in gekutterten Buttertoast-Bröseln und in immer frischem Butterschmalz ausgebacken, eine Kelle für zwei Schnitzel – das Ergebnis würde auch in Wien nicht mit Schmäh bedacht. Bravo, Jungs! Das ist Essen, das man sich merkt. Und dass Olaf Rode einen dazi passenden Wein hat – keine Frage.

Restaurant Alpenstueck
Gartenstr. 9
10115 Berlin
Tel: 030 217 516 46
Fax: 030 217 516 47

Morgenstund hat Gold im Mund !!

 

Die Wahrscheinlichkeit, um drei Uhr morgens in der Schröderstraße einen Parkplatz zu finden, ist so groß wie die eines Lottogewinns. Auch in diesem Teil von Berlin-Mitte leben inzwischen Menschen, bei denen der Trend zum Zweit- oder Drittwagen genauso normal ist wie der Paco Jet in ihren High-Tech-Küchen. Es ist 3.25 Uhr, wir sind spät dran und parken schließlich entnervt eine Ausfahrt zu. Guy Lorenze und Dennis Zeuschner erwartet uns in der Alpenstueck-Backstube. Die Männer grinsen, sie kennen das Parkplatzproblem.

Lorenze ist 50, Zeuschner 22, beide sind Berliner, Lorenze hat Zeuschner mal mit ausgebildet, früher, in der ersten schwäbischen Bäckerei der Hauptstadt. Seit über zwei Jahren stehen sie wieder gemeinsam in einer Backstube und leben ihren völlig verdrehten Tag-und-Nacht-Rhythmus. Das Besondere der Alpenstueck – Baeckerei, außer der Schreibweise? „Handwerk und Bodenhaftung“, sagt Lorenze. „Mutscheln und Seelen“, fügt Zeuschner hinzu.

 

Und nochmal Lorenze: „Wir machen hier nichts ruck-zuck, wir setzen auf Zeit, das ist das sicherste Mittel für Qualität.“ Das Ergebnis dieser langen Teigführung, wie es im Bäckerdeutsch heißt, sind Brote und Brötchen, die diese Benennungen verdienen – im Gegensatz etwa zu den Teigrohlingen, die mit Hilfe chemischer Triebmittel und ohne jegliche Garzeit hergestellt, tiefgefroren und dann im Automaten des Discounters aufgebacken werden. „Wir machen ehrliches Brot, Ende“, so Lorenze.

Wir dürfen kosten und wissen, was der Mann damit meint. Da sind beispielsweise die von Dennis Zeuschner gepriesenen Mutscheln und Seelen, beides süddeutsche Backspezialitäten, handgeformt und deshalb für die industriellen Hersteller kein Thema. Während die „Mutscheln“, ein sternförmiges Hefegebäck aus Reutlingen stammen, der Heimatstadt von Alpenstueck-Inhaberin Iris Schmied, und ideal fürs süße Frühstück sind, kommen die kleinen baguette ähnlichen schwäbischen „Seelen“ kräftiger daher, außen knusprig, innen feucht und fluffig und durch die naturbelassene Backweise auch lange haltbar.

Da ist das Alpenstueck-Brot, kernig, würzig, ein kiloschweres Roggenmischbrot, das durch Koriander, Sesam, Sonnenblumenkerne, einen Hauch Fenchel und Balsamicoessig seinen Pfiff bekommt. Und da sind – last but not least – die Brezeln mit ihren dünnen Armen, dem dicken Bauch und der satt glänzenden Kupferbraunen Krustenfarbe Guy Lorenze und Dennis Zeuschner bringen sie mit perfekter Schlingtechnik in Form – die Methode heißt „Fliegender Holländer“.

Übrigens: Im Gegensatz zu vielen Bäckereiern in Baden-Württemberg und Bayern ist bei Alpenstuecks Margarine für die Brezeln tabu. „Bei uns regiert gute Butter“, so Lorenze. Um halb sechs kommt Ronand Davila, Halo-Venezolaner, der Mann fürs Frühstück und die personifizierte Fröhlichkeit. „Sauerteigstulle mit Schnittlauchquark oder Vinschgauer mit Landschinken?“, fragt er. Wir entscheiden uns für Rosinenschnecken. Davila lächelt: „Reporterfrühstück, „Das soll ein Reporterfrühstück sein? Naja.“
Alpenstueck Bäckerei & Café
Schröderstraße 1
10115 Berlin Mitte
030 – 217 516 45

Alles selbst gemacht !!

 

Das Wort „Manufaktur“ ist im Trend. Jeder zweite Käseladen heißt Manufaktur, unabhängig davon, ob die Betreiber nun Milch verarbeiten oder nur Milchprodukte verkaufen. Das gilt auch für Brot, Fleisch, Essig, Öl und andere Lebensmittel. Selbst Feinkostgeschäfte, die ihre Ware ausschließlich vom Großhandel beziehen, nennen sich heutzutage gerne Manufakturen, weil das so schön bodenständig klingt. Natürlich wird der Kunde damit in die Irre geführt – der Begriff leitet sich aus dem lateinischen ab: „manus“ heißt „Hand“ und „factura“ lässt sich mit „Herstellung“ übersetzen. Das wissen die Alpenstueck-Macher natürlich. Ihr Feinkostladen trägt den Namen Manufaktur, weil alles, was hier verkauft wird, aus eigener Produktion stammt.

 

Hausgemacht. Handarbeit. Zuständig sind zwei gestandene Köche – Simon Tamari und Ralf Hahn. Letzteren trafen wir an seinem Kutter, der fleißig Kalb- und Schweinefleisch schluckte.

„Das wird das Brät für unseren Fleischkäse“, so der 31-jährige, grüner Speck und Gewürze kommen noch dazu, Salz, Pfeffer, Kümmel, Muskat, Piment, Zitronenzesten. „Ralf Hahn arbeitet drei Tage die Woche in der Manufakturküche, die restliche Zeit braucht er für seine Ausbildung zum Küchenmeister. „Um danach wieder in ein richtiges Restaurant zurückzukehren?“ Er bemerkt den Unterton in der Frage. „ich sehe mich hier nicht als Koch zweiter Klasse, sondern als Lebensmittelproduzent, der versucht, aus einfachen Zutaten etwas Besonderes zu machen.

“ Wie gut ihm das gelingt, belegen die Kundenkommentare: „Ich kann ganz gut kochen, aber die hier können es besser.“ – „Hier wissen Sie, was Sie kriegen.“ – „Wenn man keine Zeit zum kochen hat, heißt das doch noch lange nicht, dass ich meiner Familie billiges Dosenfutter vorsetzen muss.“ Wir testen und teilen die Zufriedenheit der Kunden. Königsberger Klopse, der Kalbfleischklassiker: locker, feinwürzig, mit einer stimmigen Sauce. Wiener Saftgoulasch: ein mit Paprika gewürztes Rindsragout, nicht zu suppig, sondern wie es sein muss. Hühnerfrikassee: selten besser gegessen.

Außerdem gibt es Eintöpfe, Suppen, diverse Maultaschenkreationen, Aufstriche, Chutneys, Konfitüren und die sogenannten Beilagen – Brezenknödel, Schupfnudeln, Semmeltaler, Spätzle, Kartoffelsalat. Chemische Konservierungsstoffe und künstliche Geschmacksverstärker sind ebenso tabu wie irgendwelche Karierte-Maiglöckchen-Kreationen.

 

Es regieren die Regionalität der Produkte, die Bodenständigkeit ihrer Verarbeitung und die Leidenschaft der Köche. Klare Kante.

Christina Bujara ist die Frontfrau in der Alpenstueck-Manufaktur, blond, schlank, 1,80 und dermaßen charmant, dass man ihr alles abkaufen würde. „Hier habe ich meinen Traumjob gefunden“, sagt die gelernte Einzelhandelskauffrau. Sie ist stolz darauf, dass selbst Profiköche zu ihren Stammkunden gehören. „Die haben zu Hause keinen Bock mehr auf Kochen“, so die 50-Jährige.

Alpenstueck Manufaktur
Schröderstraße 15
10115 Berlin Mitte
030 – 217 516 46

Alle Drei unter ihrer Herrschaft !!

Die Alpenstueck-Chefin legt Wert auf Pünktlichkeit. Zeit ist kostbar und immer knapp bei der viel beschäftigten Multitaskerin: Iris Schmied, 47, geboren im baden-württembergischen Calw, aufgewachsen in Reutlingen, Studium der Betriebswirtschaftslehre in Tübingen, seit 1992 in Berlin.
Hier gründetet sie das Boudoir, einen ultimativen Partyort in der Brunnenstraße und später in der Novalisstraße das Reingold, eine Institutuion der gepflegten Barkultur.
2007 folgte dann das Alpenstueck-Restaurant nahe der Torstraße, das 2009 durch die Alpenstueck-Baeckerei mit Café gleich gegenüber und wiederum zwei Jahre später durch eine Feinkost-Manufaktur nebenan ergänzt wurde. Inzwischen gibt es auch ein Weinstueble und in Berlin-Wilmersdorf das Alpenstueckle, die Westberliner Außenstelle der Gastro-Unternehmung. Hier sind wir zum Gespräch verabredet.

Wir kommen zehn Minuten früher, Iris Schmied wartet bereits vor dem kleinen Laden und telefoniert. Hallo, Moment bitte. Sie trägt chices Dunkelblau. Blonde Kurzhaarfrisur, dezentes Make-up. Sie gilt als streng, manche sagen sogar unnahbar. Wir entschieden uns, nachdem wir Iris Schmied und ihr schwäbisches Wesen – den typischen Dialekt spricht sie nicht – für das zwar abgedroschene, aber treffendere englische Adjektiv tough. Tough im Gegensatz zu naiv. Die Zeiten des Uschi-Prinzips sind eben vorbei, das den beruflichen Erfolg von Frauen als proportional steigend zu Ihrer gespielten oder tatsächlichen Unbedarftheit beschrieb. Tough also.

Können Sie damit umgehen, Frau Schmied?
Wenn Sie mit tough die Fähigkeit meinen, sich durchzusetzen, ernst genommen zu werden, sicher. Ich habe festgestellt, dass Frauen, wenn sie klare Ansagen machen, meist als streng oder gar bissig gelten, Männer dagegen die ähnlich auftreten, als kompetent und durchsetzungsfähig.

Eins der vielen unbewussten Vorurteile, die Frauen durch ihr Berufsleben begleiten, oder?
Genau. Egal, welche Sprache wir sprechen, sie wird nur allzu gern missverstanden.

Sie werden als Gastronomin und Wirtin…
Darf ich Sie gleich unterbrechen, ich bin, was meine Arbeit betrifft, zuallererst Unternehmerin.

Verstanden. Häufig werden sie auf eine Stufe mit Lutter & Wegner-Betreiber Josef Laggner oder Borchardt-Boss Roland Mary gestellt. Sind Sie sozusagen deren weibliches Pendant?
Jein. Das Alpenstueck ist erstens viel kleiner als die Unternehmungen meiner Kollegen, und zweitens entscheide ich mit Sicherheit anders.

Was meinen Sie damit?
Frauen fahren anders Auto und entscheiden eben im Beruf auch anders. Vielleicht weniger rasant, weniger ‚rrumms‘. Nennen Sie es überlegter, möglicherweise auch zaghafter, wobei Roland Mary und ich, was unsere Ansichten über Gastronomie angehen, ziemlich ähnlich ticken. Das haben wir jedenfalls bei etlichen Gesprächen festgestellt.

Wann entschieden Sie sich eigentlich für die Selbstständigkeit?
Während meines BWL-Studiums in Tübingen habe ich bei Hugo Boss in Metzingen gearbeitet und die dortigen Strukturen kennengelernt. Es war mir schnell klar, dass ich in solchen Strukturen nicht tätig werden möchte und irgendwann mein eigenes Unternehmen gründen will.

Da wussten Sie schon, dass es etwas mit Gastronomie oder Kulinarik zu tun haben wird?
Nein. Es hätte auch etwas mit Innenarchitektur, Ausstattung, Design sein können. Das Alpenstueckle hier in der Wilmersdorfer Ludwigkirchstraße beispielsweise geht gestalterisch voll auf meine Kappe.

Hat Ihnen das BWL-Studium für das, was Sie heute tun, genutzt?
Ja, es hat mich total gepusht, nicht nur, was Buchhaltung und Bilanzen betrifft, sondern auch, was das unternehmerische Vorgehen ganz allgemein angeht.

Was ist Ihnen dabei besonders wichtig?
Herzblut und Kreativität, Fleiß und Disziplin und ein klarer Blick für die Realitäten. Mir ist wichtig, dass ich mit Menschen zusammenarbeite, mir ist strukturiertes Denken wichtig, kluges Rechnen und Sparsamkeit an den richtigen Stellen. Übrigens, durch das Studium habe ich mit Sicherheit weniger unternehmerische Fehler gemacht, als ich ohne die BWL gemacht hätte.

Kommen wir mal zum Kulinarischen. Was war denn Ihr Lieblingsgericht in der Kindheit?
Fleischkäse mit Spiegelei und Spinat.

Wenn Sie heute eine Woche lang jeden Tag das Gleiche essen müssten, wofür würden Sie sich entscheiden?
Für Thom Yam Gung, das ist eine asiatische Suppe, die nach Zitronengras schmeckt und mit Limettensaft, Fischsauce und Chili gewürzt ist. Ein kulinarischer Klassiker, der, wenn ich das richtig sehe, am ehesten die Thai-Küche repräsentiert. Diese Suppe könnte ich auch einen Monat lang essen.

Dennoch servieren Sie in Ihrem Restaurant süddeutsche Küche, backen in Ihrer Bäckerei Mutscheln und Seelen, und auch die Alpenstueck-Manufaktur hat mit Maultaschen, Schupfnudeln und Spätzle Spezialitäten aus dem Süden im Angebot.
Asia-Küche können Asiaten besser, außerdem gab es da nie einen Mangel in Berlin – im Gegensatz zur ehrlichen Heimatküche Süddeutschlands und Österreichs. Als ich vor über 20 Jahren nach Berlin kam, war es diese Küche, die mir am meisten fehlte. Und genau das ist das Brachland, auf dem wir jetzt ackern, wobei wir einige Spezialitäten etwas angepasst haben, damit sich die Norddeutschen nicht erschrecken.

Wieviele Mitarbeiter beschäftigen Sie?
Fünfundvierzig und – das ist mir besonders wichtig – alle haben für das, was Sie tun, eine entsprechende Ausbildung.

Das Alpenstueck, eine makellose Erfolgsgeschichte?
Sicher gab es nicht nur Ups, sondern auch Downs. Heute spielt uns natürlich die Tatsache in die Karten, dass das Handwerkliche in der Gastronomie wieder in den Vordergrund tritt.

Vielen Dank für das Gespräch !!

www.alpenstueck.de

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