Fast am Ende einer jenen schmalen Gassen im Zentrum des Städtchens am Fuße der Apuanischen Alpen, in der Via Eugenio Barsanti, hat Elena Berton aus einer ehemaligen Holzfabrik eine Boutigue gemacht, eine zweite betreibt sie übrigens in der Münchener Olgastraße. Das besondere beider Orte: Hier werden keine Nobel-Labels aus Florenz oder Mailand angeboten, auch keine SpongeBob-Shirts, Mäntel mit Comic-Prints oder was sonst noch als temporärer Normcore für eine Saison gilt. Elena Berton offeriert Mode, Taschen und Accessoires, die „das Handwerk hofieren“.
Was das heißt, erklärt sie an einer Damentasche, wunderbar weich, einziger Schmuck die geflochtene Oberfläche, keinerlei Avantgarde-Aura durch eigenwillige Formen oder verrückte Verzierungen: „Das Leder stammt von gesunden Tieren aus Sardinien, es wurde in einer toskanischen Manufaktur gegerbt – nicht in Indien oder der Türkei – nach einem uralten Verfahren ohne Chemie bearbeitet, mit natürlichen Pigmenten gefärbt, von Hand geschnitten und geflochten.“
„Limited Edition Collection – Handcrafted in Italy“ steht auf einem kleinen Schild. „Ich versuche, das traditionelle Handwerk, das einst die Toskana prägte, längst aber vom Aussterben bedroht ist, dort zu unterstützen, wo es noch möglich ist“, sagt Elena Berton. Sie spricht darüber, dass sich in solchen Handwerksprodukten die Identität von Regionen und Orten spiegelt, dass sie Botschafter authentischer italienischer Meisterkultur sind, die es zu bewahren gilt.
Elena Berton ist eine eloquente Frau, promovierte Literaturwissenschaftlerin, die weiß, dass das „Storytelling“ das Wichtigste ist, wenn man etwas verkaufen will. Das was sie über Lederjacken, Leinenhemden, Hüte, Schuhe und Taschen erzählt, sind allerdings mehr als nur interessante Storys, es sind nachdenkliche Geschichten über das kulturelle Erbe Italiens und über die Hoffnung auf eine Renaissance italienischer Handwerkstradition. Elena Berton zitiert Goethe: „Allem Leben, allem Tun, aller Kunst muss das Handwerk vorausgehen.“
Die ungezwungene, tempramentvolle Italienerin ist mit Kunst aufgewachsen. Geboren 1964 in Zürich, Kindheit zu Hause in Italien, Mailand, später London, Hamburg, München. Ihre Berufswahl begründet sie so: „In meiner Familie wird seit mehreren Generationen Kunst gesammelt. Ich bin also zwischen Gemälden und Skulpturen aufgewachsen. Das hat meinen Blick für das Schöne geschärft und meine Leidenschaft für Mode geweckt. Deshalb habe ich sie auch zu meinem Beruf gemacht, obwohl ich englische und französische Literatur studiert habe.“
Wer Elena Berton trifft, begegnet einer Frau, die im Zusammenhang mit ihrer Branche Attribute wie unaufdringlich, umweltbewusst und nachhaltig gebraucht, Begriffe, die das Handwerkliche ihrer Mode hervorheben. „Handwerk ist keine historische Reminiszene“, sagt sie.