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Taste of Greece – Food Expo 2017 in Athen

10.051

Griechenland 2017. Das Wirtschaftswachstum ist negativ, die Arbeitslosenquote liegt über 20 Prozent, das Arbeitslosengeld unter der Armutsgrenze. Im kürzlich veröffentlichten Weltglücksreport gehören die Griechen zu den eher Unglücklichen.
Auf der Greece Food Expo, der größten Lebensmittelmesse in Südosteuropa, merkte man davon kaum etwas. Im Gegenteil.

Die Exposition, die in diesem Jahr zum vierten Mal auf dem Athener Messegelände stattfand, bot das bunte Bild einer erfolgreichen Branche, die jeden Grund der Welt hat, sich selbst zu feiern. So zumindest der erste Blick. Auf den zweiten Blick allerdings konnte man, wenn man es wollte, viele Geschichten finden, die nachdenklich machen – etwa jene von arbeitslosen Akademikern, die versuchen, mit attraktiven Verpackungen Kräuter und Gewürze als Souvenirs für Touristen an den Markt zu bringen. Auf den folgenden Seiten stellen wir manufakturelle Lebensmittelproduzenten vor, deren Spezialitäten durchaus auch in deutschen Geschäften eine Chance hätten.

Honig

Rund 1,3 Kilogramm Honig verbraucht jeder Deutsche pro Kopf und Jahr – das ist weltmeisterlich. Knapp 20 Prozent davon decken heimische Imker ab, das Gros allerdings sind Importe – aus Argentinien, Mexiko, Chile, Uruguay, China und Osteuropa, zumeist aus Großimkereien, die tausende Bienenvölker von Monokultur zu Monokultur quer durch die Lande karren. Solcherart produzierter Honig ist wunderbar billig und erfüllt damit das hierzulande für viele Konsumenten wichtigste Kriterium beim Kaufentscheid von Lebensmitteln. Billig, billig – da kann Emmanouil Stefanakis, Imker auf Kreta in dritter Generation, nicht mithalten.

Maria Kozyraki und Emmanouil Stefanakis.

Seine Bienen sind keine „Honigmaschinen“, sondern Stefanakis hält sie so wie schon sein Großvater in der unberührten Natur der Insel-Bergwelt. Das Ergebnis sind geschmacksintensive Sortenhonige (Salbei, Thymian, Kastanie, Orange- und Zitronenblüte beispielsweise – insgesamt acht Sorten). „Sie enthalten keine Rückstände und sind natürlich auch nicht mit Wasser oder Zucker gestreckt“, versichert der 50-Jährige. Meligyris-Honige gibt es in Berlin übrigens bei Rises Delicacies.

www.meligyris.com

Meerfenchel

Theodore Skylakakis, mi. und Alexandros Livas, re..

„Gourmet-Super-Food“ – unter dieser Headline vermutet man normalerweise eine große Bühne, der Stand über dem sie steht, ist allerdings bestenfalls zehn Quadratmeter groß. Dennoch drängen sich täglich hunderte Interessenten um ein paar Bilder, Gläser und zwei Männer. Theodore Skylakais, 57, und Alexandros Livas, 48, Kaufleute aus Athen werben für eine Küstenpflanze, deren kulinarischer Wert schon in der Antike bekannt war: Meerfenchel.

Das vitamin- und mineralstoffreiche Kraut mit dem eigenwillig-würzigen Geschmack, stammt von der Halbinsel Peloponnes. „Dort, an der Küste des Ionischen Meeres, wächst es wild, wir kultivieren, ernten und vermarkten es sowohl frisch als auch mariniert“, erklärt Theodore Skylakakis, der gemeinsam mit seiner Tochter Marianna vor anderthalb Jahren die Firma Novel Tradition Foods gegründet hat, um dem Meerfenchel „zu einer kulinarischen Renaissance zu verhelfen“, wie er es ausdrückt. In diesem Zusammenhang verweist Skylakakis stolz darauf, dass Spitzenköche wie Heston Blumenthal, Ettore Botrini, Lefteris Lazarou und Gorden Ramsey bereits Meerfenchel in ihren Küchen verarbeiten.

www.noveltradition.com

Salz

Griechenland ist ein Salzland – bei so viel Meer ringsum allerdings auch kein Wunder. Dementsprechend zahlreich sind auch die Natriumchlorid-Offerten auf der Athener Food Expo 2017. Alle naturbelassen, ohne Bleichmittel und Rieselhilfen, die meisten in aufmerksamkeitserregenden Verpackungen. Wir entschieden uns für das Angebot von Salt Odyssey, einer Manufaktur aus Thessaloniki. Gründer der Unternehmung sind der 45-jährige Zahnmediziner Mario Karaslidis und sein Freund Harry Sionas, 43 und Bauingenieur von Beruf.

Mario Karaslidis.

„Damals, 2009, waren wir Exoten, die der Mangel an griechischem Meersalz in den Geschäften veranlasste, ins Salzgeschäft einzusteigen“, so Karaslidis, „inzwischen hat die Krise viele Leute ans Meer getrieben.“ Spezialität von Salt Odyssey sind tetraederförmige Kritalle – die Männer nennen sie Salzflocken – in sechs verschiedenen Farben und Geschmacksrichtungen. Die gefragtesten: Paprika und Oregano.

www.saltodyssey.com

Pasta

Angesichts der jungen Aussteller am Dardouma-Stand könnte man meinen, dass hier ein Start-up Messepremiere hat, aber der Eindruck täuschte. Der 31-jährige Maschinenbau-Ingenieur Evangelos Mallios und sein Bruder John, 39, Diplom-Landwirt, setzen eine über einhundertjährige Familientradition fort, die einst ihre Urgroßmutter begründete. Es geht um die Herstellung der traditionellen griechischen Pasta Trahanas und natürlich um die Vermarktung der stecknadelgroßen Nudeln – dafür ist Sofia Spanou zusrändig. „Pasta-Laboratorium“ nennen die drei ihre Manufaktur im Dörfchen Velos, das inmitten eines Naturschutzgebietes auf der Insel Evia liegt.

Evangelos, li. und John Maillios sowie Sofia Spanou.

Jahrhundertelang waren Hartweizengries und Milch die einzigen Trahanas-Zutaten. Maria, die Urgroßmutter der Mallios-Brüder, war die erste, die vor fast 100 Jahren süße und säuerliche Nudeln herstellte – eine kleine Revolution. Die beiden jungen Männer experimentieren nun auch mit Dinkelmehl, Gojibeeren, Schafsjogurt sowie diversen Röstverfahren. Das Ergebnis, zehn verschiedene Trahanas-Spezialitäten, machte auf der Messe Fuore.

www.traxanas.gr

Peperoni

Naoumidis – der Name steht für eine griechische Großfamilie, die in Florina zu Hause ist, einer 33.000-Einwohner-Stadt in Makedonien, im Norden des Landes, rund b130 Kilometer westlich von Thessaloniki. Und er steht für eine Reihe von geschmacklich einzigartigen Produkten aus den in dieser Region heimischen roten Florina-Peperoni, die in dem milden und trockenen Mikroklima der Gegend ihre besondere Aromatik voll entfalten können. Die Geschichte dieser Produkte – es handelt sich um Saucen, Marmeladen und jede Menge andere Zubereitungen in Kombination mit Gemüse und Kräutern – begann vor über zehn Jahren im Restaurant Naoumidis in Agios Panteleimonas, einem Ortsteil von Florina.

Petros Naoumidis, re..

Inhaber und Küchenchef Tassos Naoumidis entschied – nachdem ihn immer wieder Gäste um Kostproben seiner Peperoni-Spezialitäten gebeten hatten – diese in Gläser zu füllen, zu pasteurisieren und an den Markt zu bringen. Er holte seine Söhnen Angelos, Jannis, Jorgos und Petros, alle waren ohnehin im Restaurant tätig, ins Boot, sie gründeten die Naoumidis-Manufaktur und schreiben seitdem eine kulinarische Erfolgsgeschichte.

www.piperiesflorinis.gr

Olive

„Griechenland, das ist weit mehr als Gyros“, bemerkt Matina Larda. Die 44-jährige Unternehmerin sagt das wohl auch mit dem Blick auf die griechischen Lebensmittelangebote beispielsweise in Berlin, Hamburg oder München und fragt: „Weshalb ist es eigentlich so schwer, griechische Spezialitäten in Deutschland an den Markt zu bringen?“ Wir bleiben eine Antwort schuldig.

Matina Larda.

Matina Larda wuchs auf Ikaria auf, einer Insel in der Ostägäis, studierte in London Politikwissenschaften und gründete gemeinsam mit einem Partner vor sechs Jahren die Firma Vaoni. Als deren Ziel nennt sie die Produktion und Vermarktung von inseltypischen Spezialitäten: Olivenöl und Olivenpaste aus den für die Region typischen Kalamata-Oliven; Trahanas, die traditionellen griechischen Teigwaren und Loukoumi, eine spezielle Süßigkeit aus Mastix, aromatisiert mit Bergamotte, Rosenwasser oder Vanille. „Wir versuchen, damit auch Arbeitsplätze auf Ikaria zu schaffen“, fügt Matina Larda noch hinzu.

www.vaoni-greekproducts.com

Meeräsche

Der Name Trikalinos ist in der Welt der Feinschmecker ein Begriff – zumindest im französisch, englisch, italienisch oder spanisch sprechenden Teil dieser Welt. Der Grund für die Bekanntheit heißt auf Griechisch Avgotaracho, außerhalb der Hellas-Grenzen Boutargue oder Bottarga. Dabei handelt es sich um den Rogen der Meeräsche, der durch Salzen und Pressen haltbar gemacht und, mit Bienenwachs überzogen, als Delikatesse vermarktet wird.

Lila Kourti und Zafiris Trikalinos.

Ferran Adrià zählte Trikolinos-Bottarga übrigens zu den 30 wichtigsten Grundprodukten seiner Küche; auch Juan Marie Arzak und seine Tochter Elena (Arzak/San Sebastián), Alain Ducasse (u.a. Alain Ducasse Au Plaza Athénée/Paris), Thomas Keller (u.a. Per Se/New York), Joan Roca (El Celler de Can Roca/Girona) und andere weltbekannte 3-Sterne-Köche gehören zu den Kunden der Traditions-Manufaktur mit Sitz im Athener Stadtteil Dafni. Geheimtipp eines griechischen Kollegen: geriebener Bottarga, „wie ein Gewürz zu verwenden“.

www.trikalinos.gr

Rises Delicacies

Valli Paizi.

Gemessen etwa an der Anzahl von Asia-Märkten oder Italo-Shpos kann man griechische Feinkostläden in Berlin an den Fingern einer Hand abzählen. Primus inter pares ist zweifellos „Rises Delicacies“ in Berlin-Mitte. Inhaberin Valli Paizi, 62, stammt aus Athen, studierte dort sowie in London und Wien Soziologie, arbeitete für die UNESCO und kam vor gut vier Jahren nach Berlin. 2014 eröffnete sie ihr Feinkostgeschäft, dessen Angebot ausschließlich aus manufakturell hergestellten Lebensmitteln besteht, die Valli Paizi allesamt direkt importiert.

Kalimera, Valli, wie läuft´s?

Efcharisto, sehr gut. Wir haben viele Stammgäste, nicht nur Griechen übrigens. Schauen Sie, draußen sitzt gerade der argentinische Botschafter, Señor Kreckler, er kommt regelmäßig wegen unseres Pítabrotes und auf ein, zwei griechische Kaffee.

Wir haben gehört, dass Sie Ihr Geschäft vergrößern wollen.

Nein es gibt lediglich ein neues Projekt – ich nenne es „Private Cheffing“.

Was verbirgt sich dahinter?

Im hinteren Teil des Ladens wird eine Art Esszimmer eingerichtet, kein Restaurantambiente, sondern eher wie zu Hause, wenn Sie verstehen, was ich meine. Dort wollen wir dann die Kultur des griechischen Abendessens zelebrieren. Unser Vorhaben zielt auf Gruppen – maximal 20 Gäste – , die das, was sie essen wollen, vorher auswählen. Wir besprechen alles gemeinsam und dann kochen wir für sie. Zum griechischen Essen gibt es natürlich griechische Weine, griechisches Bier, griechischen Kaffee – und wenn die Gäste es wünschen, natürlich auch griechische Musik.

Wann wird Ihr „Private Cheffing“ starten, Valli?

Im September werden wir soweit sein.

Ein anderes Thema. Sie beziehen Ihre Feinkostprodukte direkt von den Erzeugern, zumeist sind das Kleinbetriebe, Manufakturen. Wie geht es denn dieser Branche derzeit in Griechenland?

Was soll ich Ihnen darauf antworten? So, wie es dem ganzen Land geht. Seit im Mai 2011 der Kollaps der griechischen Wirtschaft einsetzte, stieg die Arbeitslosenquote auf den höchsten Wert in der Euro-Zone: 23,5 Prozent. Hinzu kommt die gigantische Gesamtverschuldung von über 180 Prozent des Bruttoinlandsproduktes, das negative Wirtschaftswachstum. Davon ist jede Branche betroffen, darunter leidet jeder Grieche, von ganz wenigen Ausnahmen mal abgesehen.

Auf der Food Expo 2017 in Athen hatte man einen anderen Eindruck. Über 1.200 Aussteller und eine Vielzahl von Qualitativ hervorragenden Produkten: Backwaren, Meeresfrüchte, Gewürze, Honig, Käse, Olivenöl, Pistazien, Obst, Gemüse, Kräuter, Wein.

Keine Frage, viele der manufakturell hergestellten Feinkostprodukte sind von allererster Güte – das bestätigen mir auch meine Kunden. Monadiklos, unique, einmalig, das hören wir hier häufig.

Wo ist das Problem?

Die Produkte brauchen mehr Bekanntheit, einen größeren Markt. Dafür wiederum ist ein besseres Marketing nötig, Etiketten in deutscher und englischer Sprache usw. Insgesamt allerdings braucht Griechenland meiner Meinung nach eine Strategie für die Entwicklung des agrarischen Sektors und für die Veredlung seiner Produkte bis hin zu deren Verpackung und Vermarktung. Ich frage Sie mal: Woher kommt der Safran, den Sie zu Hause haben?

Aus Sardinien.

Sehen Sie, der griechische Safran ist von mindestens gleicher Qualität, aber kaum jemand kennt ihn. Das müssen wir ändern.

Vielen Dank für das Gespräch.

Rises Delicacies

 

Veteranenstraße 25
10119 Berlin-Mitte
Tel. 030 – 68 83 35 48
www.facebook.com/RisesDelicacies/

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