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Ein Gespräch mit Philipp Vogel, dem „Head of All“ im neuen Hotel Orania.Berlin

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Küchenchef und Hoteldirektor in Personalunion – Wie kriegt man das gebacken?

Philipp Vogel (36) ist wohl der erste und bislang einzige Spitzenkoch aus der gehobenen Hotelgastronomie Berlins, der in seiner aktuellen Wirkungsstätte, dem neuen Luxushotel Orania.Berlin in Kreuzberg einen außergewöhnlichen Doppeljob macht: er ist Küchenchef des hauseigenen Restaurants und hauptverantwortlicher Hoteldirektor in Personalunion. Der gebürtige Kölner, dessen Karriere einst unter der Ägide von Dreisternekoch Dieter Müller im Schlosshotel Lerbach begann und der später beim Zweisternekoch Thomas Martin im Hotelrestaurant Louis C. Jacob in Hamburg-Blankenese am Herd stand, bevor er sich im Restaurant „Edvard“ im Palais Hansen Kempinski in Wien selbst einen Stern erkochte, stellt sich da einer ziemlich anspruchsvollen Herausforderung: Vogel dirigiert als Chef eines 14-köpfigen Küchenteams nicht nur die gesamten kulinarischen Geschicke des Hotelrestaurants, er ist gleichzeitig auch hauptverantwortlicher Managing Director des 41Zimmer-Hotels und leitet eine Personalcrew von über 40 Hausangestellten. Wir sprachen mit ihm über seine persönlichen Beweggründe und beruflichen Ambitionen, eine sichere Topposition im feinen Wien aufzugeben, um sich im rauen Berlin einen solchen Monsterjob anzutun.

GARCON: Herr Vogel, für Ihren neuen Doppeljob an der Spree haben Sie eine sichere Bank im idyllischen Wien aufgegeben. Sie waren fast vier Jahre Küchenchef im Restaurant “Edvard“ im renommierten Palais Hansen Kempinski und haben dort sogar einen Michelin-stern erkocht. Was hat Sie als Koch bewogen, dieses weiter ausbaubare Erfolgsnest aus freien Stücken zu verlassen, um im lauten und unberechenbaren Berlin einen kompletten Neustart zu wagen?

P.Vogel: Wenn man die einmalige Gelegenheit bekommt, als Geschäftspartner eines Mannes wie Dietmar Müller-Elmau ein architektonisch und stilistisch so schönes Hotel in Berlin zu führen und einem dabei auch noch die eigene Frau mit gleicher Begeisterung und fachkompetenter Tatkraft zur Seite steht, dann kann man einfach nicht Nein sagen, dann muss man das einfach machen! Meine Frau ist eine erfahrene Hotelfachfrau, die schon in Tophäusern wie dem Londoner Claridge’s und dem Emirates Palace in Abu Dabi gearbeitet hat. Insofern ist sie die perfekte Unterstützung und Ergänzung an meiner Seite. Wir wollten einfach raus aus der konformen Ketten-Hotellerie und die Möglichkeit, ein so reizvolles Berlin-Projekt zu zweit zu machen, war eine Chance, die wir uns nicht entgehen lassen wollten. Natürlich habe ich dem Kempinski viel zu verdanken, aber ich finde, dass sich gerade die großen renommierten Hotelketten inzwischen ziemlich schwer tun, wirklich innovativ und zeitgemäß in die Zukunft zu gehen. Aufgrund der klassisch gehaltenen Personalhierarchie fehlte dort einfach die teamgeistfördernde Mischung aus „Häuptlingen“ und „Indianern“. Hier im Orania fühlt sich jeder Mitarbeiter, egal ob administrativ oder operativ tätig, gleichermaßen verantwortlich für das maximale Wohl des Gastes – will sagen, jeder einzelne ist bei seiner Aufgabenerfüllung Häuptling und Indianer zugleich. Das macht den großen Unterschied.

GARCON: Bringen Sie auf den Punkt, was Ihre jetzige Aufgabe im Orania Hotel grundsätzlich von Ihrem letzten Job als Küchenchef bzw. den sonstigen Jobs Ihrer bisherigen Laufbahn als Profikoch unterscheidet?

P.Vogel: Ich habe viel, viel mehr Einblick und Überblick, was einen Hotelalltag wirklich alles ausmacht und merke, wie wichtig gerade die zwischenmenschliche und soziale Fähigkeit jedes einzelnen Mitarbeiters ist, um im Team zu bestehen und immer motiviert für den Gast da zu sein. Egal, ob als Koch, Restaurantbedienung, Empfangsmitarbeiter oder Zimmerservice – hinter jeder einzelnen Position steht vor allem ein Mensch mit seinen ganz persönlichen individuellen Fähigkeiten. Diese nun als Teamchef zu lenken und so optimal miteinander zu verzahnen, dass ein harmonierendes und erfolgreiches Gesamtgefüge entsteht, ist eine sehr reizvolle Aufgabe.

GARCON: Das wohl beste aber auch teuerste Profikochgeschirr der Welt, das sich da in Ihrer offenen Restaurantküche stapelt, lässt ein großzügiges Budget vermuten, dass Sie sich als Hoteldirektor ihrer eigenen Küche erlauben. War die Investition in die US-Marke All Clad, die sich nur die wenigsten Küchen leisten können und mit deren Pfannen, Töpfen und Kasserollen Sie im Orania ausschließlich kochen, die wirtschaftliche Entscheidung des Kochs Philipp Vogel, der weiß, wie gut und lange sich damit kochen lässt? Oder war es gar ein taktisches Lockmittel des Hotel-Eigentümers Dietmar Müller-Elmau, um seinem Küchenchef-Kandidaten Vogel ein unwiderstehlich komfortables Angebot in Berlin zu unterbreiten?

P.Vogel: (lacht) Nein, Herr Müller-Elmau hat damit wirklich überhaupt nichts zu tun. Wir haben im ganzen Haus vom Großen bis zum Kleinen überall auf möglichst hohe Qualität gesetzt – das reicht von der beruflichen Eignung und persönlichen Befähigung unserer Mitarbeiter über die gesamte Innenausstattung und Möblierung des Hotels bis zum Equipment unserer Küche. All Clad war da qualitativ und kochhandwerklich gesehen eine wohlüberlegte Investition, zumal ich mit der Marke als Koch nur beste Erfahrungen gemacht habe. Klar, ist sie ein wenig teurer als andere, aber dafür verschleißt sie nicht. Meine Mutter sagte schon immer: „Wer billig kauft, kauft zweimal“. Daran hab ich mich gehalten und entschieden, nur einmal einzukaufen.

GARCON: Dietmar Müller-Elmau ist der verantwortliche Innenarchitekt und Co-Geschäftsführer des Orania. Berlin und bekannt als Besitzer des gleichnamigen Schloss Elmau, dem Luxusresorthotel nahe Garmisch-Patenkirchen, wo 2015 der G7-Staatsgipfel stattfand. Er gilt als cleverer Geschäftsmann in der Branche. Wie kam Ihr persönlicher Kontakt zustande und wie hat er Sie für sein Kreuzberger Hotelprojekt letztlich begeistern können?

P.Vogel: Nicht Müller-Elmau selbst, sondern Mario Corti, sein hauptverantwortlicher kulinarische Direktor hat das alles eingefädelt. Wir beide kennen uns aus meiner Asienzeit in Hong Kong, wo ich damals mehrere Monate als Koch im gleichen Hotel wie er gearbeitet habe. Mario wusste natürlich, wo er mich findet und es hat keine fünf Minuten gedauert, da hatte er mich auch schon überredet. Für einen Mann wie Müller-Elmau diesen verantwortungsvollen Job zu machen, versprach jede Menge neuer Erfahrungen und eine immense Erweiterung meines bisherigen Hotel-Horizonts. Deswegen habe ich ohne zu zögern ja gesagt.

GARCON: Ihr two-in-one-Job gilt gerade in der gehobenen Berliner Hotelszene als Novum, zumal er berufliche Befähigung erfordert, die ein normaler angestellter Küchenchef (auch in einem besternten Hotelrestaurant) in der Regel gar nicht mitbringen muss bzw. auch gar nicht anstrebt. Der will jeden Tag einfach nur gut kochen, ohne sich parallel Gedanken über Eingangsverschönerung, Werbemaßnahmen oder Zimmerausstattung zu machen. Wo lag der Reiz, sich diesen Doppeljob zuzumuten, der auch mit ständigem Wechsel zwischen Kochjacke und Jackett verbunden ist?

P.Vogel: Ich war eigentlich schon immer daran interessiert, über den „Tellerrand“ eines normalen Kochs hinauszusehen. Heute geht es längst nicht mehr „nur“ um gutes Essen, sondern immer um ein kulinarisches Gesamterlebnis – mit der richtigen räumlichen Atmosphäre, guter Stimmung, gutem Service, guter Qualität und hohem Wohlfühlfaktor. Gerade im Orania geht dies alles atmosphärisch fließend und konzeptionell stimmig ineinander über – vom Restaurant über die Barlounge bis hin zu unseren Zimmern. Diesem Ganzen, von einem guten Essen bis hin zu einem guten Schlaf eine eigene Handschrift verleihen zu können, fand ich unwiderstehlich. Und, um ehrlich zu sein, habe ich natürlich auch eine wundervolle Ehefrau an meiner Seite, die den Hotelmanagementpart perfekt beherrscht und mich so unterstützt, dass ich trotz aller Mehrbelastung immer noch die Zeit habe, ein richtiger Koch zu sein.

GARCON: Als Küchenchef eines Hotelrestaurants freut man sich darüber, speisende Gäste glücklich zu machen, auch wenn diese gar nicht im Hotel übernachten und nur der Küche wegen kommen. Und als Hotelchef freut man sich über möglichst viele Übernachtungsgäste, unter denen natürlich auch solche sind, die das hoteleigene Restaurant gar nicht interessiert. Wie bringt man diese beiden unterschiedlichen Ansprüche bzw. Erwartungen unter einen Hut?

P.Vogel: Gast ist Gast, egal ob er nur trinkt, speist oder übernachtet. Ich freue mich über jeden Gast, den wir glücklich machen können, ob für eine Stunde oder mehrere Tage. Natürlich ist es für unser Konzept wichtig, dass Restaurant und Bar als Herzstücke unseres Hotels auch Magnetwirkung für Übernachtungsgäste haben. Aber die, die nur zum Essen oder auf einen Drink vorbeikommen, sind genauso willkommen. Denn gerade damit schaffen wir einen gesunden Mix aus Kreuzberger Nachbarschaft, Berliner Stammgästen und internationalem Hotelpublikum, der für eine besonders Berlin-authentische Stimmung sorgt.

GARCON: Wurmt Sie es als leidenschaftlicher Koch nicht, wenn ein Hotelgast in einem externen Restaurant speisen geht, statt Ihre Küche auszuprobieren? Selbst, wenn er sein „Fremdgehen“ später mit Drinks an Ihrer Bar oder Roomservice-Extras wirtschaftlich gesehen wieder gutmacht?

P.Vogel: Nein, überhaupt nicht. Wenn ich auf Reisen bin, gehe ich schließlich auch nicht nur im Hotel essen, sondern besuche andere Restaurants und Bars. Unser Anspruch ist es, gerade die lokalen und berlinheimischen Gäste intensiv zu binden, damit wir nicht nur von Hoteltouristen bevölkert werden. Ein steriles Hotelrestaurant, in dem nur Touristen essen, ist halt nicht das gleiche, wie ein Restaurant, in dem auch lokale Gäste und Stammkundschaft verkehren und das echte Stadtleben stattfindet. Gerade diese Mischung macht´s und bei uns trägt dazu am Ende jeder Gast gewinnend bei.

GARCON: Während Ihnen als angestelltem Hotelküchenchef, wie zuletzt im Wiener Kempinski, normalerweise ein konstantes Budget zur Verfügung steht, mit dem Sie maximal auszukommen haben, können Sie das als ihr eigener Hotelmanager nun völlig frei steuern und flexibel variieren. Welche Vor- bzw. auch Nachteile hat das?

P.Vogel: Mit Sicherheit ist es ein großer Vorteil, sämtliche Budgets flexibel gestalten zu können, wenn man gleichzeitig das Große und Ganze im Auge hat. Natürlich gibt es Tage, an denen die Hotelzimmer das meiste Geld einbringen und wiederum Tage, an denen wir mit dem F&B mehr verdienen – aber am Ende ist es ein Unternehmen, in dem alles auf ein Konto fließt. Insofern erfordert eine flexible Budgetgestaltung vor allem ein wohldurchdachtes Gesamtkonzept und eine disziplinierte Selbstkontrolle, damit die Gesamtrechnung am Ende auch wirklich gut aufgeht. Bis jetzt klappt das wunderbar.

GARCON: Um im engen Wettbewerb der gehobenen Berliner Hotelgastroliga nachhaltig aufzufallen, muss man kreativ und originell sein. Eine Ihrer ersten größeren Küchen-Anschaffungen war ein original chinesischer Pekingentenofen, in dem Sie nach klassischer Manier Mandarinenten aus einem regionalen Zuchtbetrieb gebacken haben. Dann kam Ihnen die Idee, während der Weihnachtszeit auch „Kreuzberger Pekinggänse“ anzubieten – Der Ofen hatte doppelt so große Maße wie ursprünglich bestellt und passte gerade noch so in Ihre Küche rein. Wie steht s damit. Darf man zu Ostern vielleicht mit einem Peking-Lamm auf Ihrer Speisekarte rechnen?

P.Vogel: (lacht) Eigentlich war dieser Ofen eine total spontane Extra-Anschaffung, die wir uns nur für die Weihnachtszeit überlegt hatten. Dann haben wir plötzlich immer mehr Freude an der besonderen Gartechnik entwickelt und nun ist es in der Tat so, dass wir bald wieder etwas Neues aus diesem Entenofen auf unserer Speisekarte bringen werden. Was das genau sein wird, ist allerdings noch nicht spruchreif. Das werde ich jetzt rezeptmäßig mit meinem Küchenteam ausfeilen. In jedem Fall kann man außer Enten eine ganze Menge sehr wohlschmeckender Dinge mit diesem Ding fabrizieren.

GARCON: Gerade so etwas wie der Pekingentenofen macht natürlich neugierig auf andere „jecke“ Ideen eines kölschen Kochs, der die chinesische Küchenkultur bestens kennt: bevor Sie Ihre Stelle im Wiener Kempinski antraten, haben Sie mehrere Monate in Shanghai verbracht, um dort landestypisch zu kochen. Kommt da im Berliner Orania jetzt etwas auf Ihre Speisekarte, das im Wiener Kempinski niemals gepasst hätte und hier im multikulturellen Kreuzberg endlich aufgehen kann?

P.Vogel: Ich liebe die asiatische Küche sehr und baue deren Elemente, wann immer es passt, auch gern in meine Rezepturen ein. Insgesamt versteht sich das Orania eher als Restaurant, in dem eine kosmopolitische Küche angeboten wird, so wie in unserem Hotel auch Menschen aus allen Teilen der Welt übernachten. Womit wir uns alle Möglichkeiten offen halten, sämtliche Küchenstile dieser Welt ganz nach Laune und Saison zelebrieren zu können – ob asiatisch, orientalisch, mediterran oder klassisch deutsch. Es sollte immer von allem etwas auf der Karte sein, damit möglichst viele Menschen mit verschiedenen Geschmäckern glücklich werden. Ähnlich bunt und kreativ wie Berlin-Kreuzberg tickt, wo in einer Straße verschiedenste Länderkulturen und -küchen zusammenkommen.

GARCON: Wie steht es um Ihre Ambitionen, als Koch hier in Berlin noch einmal zu wiederholen, was Ihnen bereits in Wien recht spielerisch gelungen ist, nämlich den Guide Michelin zu begeistern? Ein Stern würde für eine hohe Markenbildung und ein rasches Renommé sorgen und wirtschaftlich recht vorteilhaft sein. Ist das vielleicht insgeheim das Ziel gewesen, das Dietmar Müller-Elmau mit Ihnen als Küchenchef verfolgt hat?

P.Vogel: Auszeichnungen jeglicher Art sind immer wunderbar für das Ego und auch für die Motivation und das Teambuilding im Gesamten. Viel wichtiger ist allerdings, ob die Kochleistung, die mit Sternen oder Hauben belohnt wird, den Gästen auch wirklich gefällt. Ich musste als Koch erst langsam lernen, dass man Gäste rundherum glücklich machen muss, damit sie auch wiederkommen wollen – statt nur das eigene Ego am Herd befriedigt zu sehen. Um auf Ihre Frage zurückzukommen: natürlich würde ich mich sehr über jegliche Auszeichnung freuen, es ist aber absolut kein Planziel für unser Restaurant. Das lautet einfach nur: gut kochen, um möglichst viele Gäste von unserem Konzept zu überzeugen.

GARCON: Mal aus der Sicht eines anspruchsvollen Hotelsuchenden gefragt, dem die Intercontis und Hyatts dieser Stadt zu steril und unpersönlich sind und der gern da übernachten möchte, wo echtes Hauptstadtleben stattfindet: Warum sollte der ausgerechnet in Ihrem Haus ein Zimmer buchen?

P.Vogel: Weil wir für ein Hotel unserer Liga eine außergewöhnlich stimmungsvolle, individuelle und künstlerisch angehauchte Familienatmosphäre bieten. Die unterstreichen wir mit wöchentlichen Klassik- und Jazzkonzerten und anderen Kulturveranstaltungen, die in unserem Salon stattfinden. Außerdem beschäftigen wir natürlich die besten und fähigsten Mitarbeiter der Stadt, die rund um die Uhr für den Gast da sind und sich um das Allerwichtigste kümmern: den Wohlfühlfaktor!

orania.berlin/de/

Interview / Text: Mike Draegert

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