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Mangold – Charakterstarkes Blattgemüse

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Wenn in Berlin oder Brandenburg die weißen 7,5-Tonnen- Kühltransporter mit dem Zeichen der Kirsche Hotels, Krankenhäuser, Kantinen oder Restaurants ansteuern, heißt es bei den Küchenchefs dort meist kurz und knapp: Fuhrmann kommt.

Dieter Fuhrmann, Chef des gleichnamigen Fruchtgroßhandels und der Grand Old Man seines Berufsstandes in Berlin, gehört zu den kenntnisreichsten Männern seiner Branche. Lieber klein, dafür fein — mit diesem Motto startete er 1977 auf einem Charlottenburger Hinterhof ins Obst- und Gemüsegeschäft.

1980 Umzug auf den Fruchthof an der Beusselstraße, 1996 Eintritt seines Sohnes Marcus in die Firma, 2007 Übernahme einer neuen Kühlhalle. Inzwischen beschäftigen die Fuhrmänner 28 Mitarbeiter, die mit 18 Kühltransportern rund 500 Obst-, Gemüse- und Kräutersorten ausliefern, pünktlich, zuverlässig und in hoher Qualität.

Von A wie Artischocke bis Z wie Zitronengras. Für unser Magazin Garcon stellen die beiden Großhändler Dieter und Marcus Fuhrmann im Wechsel ihre Produkte vor. Heute: Mangold

Mangold ist ein Methusalem-Gemüse, das schon die Alten Griechen kannten. Der Arzt Eudemos von Pergamon beispielsweise erwähnte bereits im 2. Jahrhundert vier Mangold-Formen: eine weiße, eine rote, eine mit dickem Blattstiel und eine, deren Blätter gepflückt werden.

Die Römer waren es schließlich, die den Mangold nach Deutschland brachten, wo er im Mittelalter zum beliebtesten Gemüse aufstieg und wohl auch seinen heutigen Namen bekam.

Sprachforscher führen ihn auf den althochdeutschen Männernamen „Managolt“ zurück, der für „Kraft“ und „Stärke“ steht. Eine der ersten Abbildungen übrigens stammt von dem elsässischen Maler Sebastian Stoskopff (1597-1657).

Sein Stillleben aus dem Jahr 1633 „Die vier Elemente oder Der Winter“ zeigt neben einer Frau, die damit beschäftigt ist, gerupftes Geflügel auf einen Bratspieß zu schieben, eine Anrichte mit Gemüse: Salatköpfe, Rettiche, Spargel, Artischocken. Ganz links liegt eine Zitrone und rechts, halb verdeckt von einer Lammkeule, eine Mangoldstaude.

Beim Betrachten des Bildes mit seiner unglaublichen Vielfalt an Lebensmitteln – es befindet sich im Besitz des Musée de l‘Œuvre de Notre Dame in Strasbourg – kam mir der Gedanke, dass es mitten im Dreißigjährigen Krieg entstand, einer Zeit also, in der in großen Teilen Europas Armut, Hunger und Not herrschten. Aber das ist dann wohl doch eine Frage für die Kunst- und Kriegshistoriker…

 

Zurück zum Mangold also. Es gibt Stiel- oder Rippenmangold sowie Blatt- oder Schnittmangold. Von beiden Sorten können die Stiele bzw. Rippen und die grünen Blätter verarbeitet werden.

In England habe ich vor einigen Jahren übrigens auch einen so genannten Rübenmangold gesehen – das Gemüse gehört zur gleichen Art wie die Rote Bete – dessen große, herzförmige Wurzel besonders delikat sein soll.

Sein Name: „MacGregor’s Favorite“. Mir ist allerdings nicht bekannt, ob er auch hierzulande angebaut wird. Obwohl Mangold reich an Vitaminen und Mineralstoffen ist, viel Eiweiß und wenig Oxalsäure enthält und auch mit seinen feinen Bitternoten und dem leicht erdigen Geschmack punkten kann, lief ihm der Spinat im vergangenen Jahrhundert deutlich den Rang ab.

Neuerdings lese ich häufig von einer Renaissance des Blattgemüses, davon, wie geschickt der Mangold auf der Welle der grünen Begeisterung segelt. Ehrlich gesagt, wir Berliner Großhändler merken davon nicht allzu viel.

Anders ist das bei unseren Kollegen in Süddeutschland und in der Schweiz. In Graubünden zum Beispiel gehören Capuns – mit einem gehaltvollen Teig gefüllte Mangold Wickel – zur kulinarischen Identität des Kantons.

Zu den Restaurants in Berlin, die zu unseren Kunden zählen und regelmäßig Mangold ordern, gehört das Poulette in Prenzlauer Berg – ein kleines Lokal nahe des Kollwitzplatzes, bereits seit 15 Jahren am Markt und für mich eins der besonders sympathischen in dieser Gegend.

Die denkmalgeschützten Fliesen und das blumige Interieur heben die Stimmung, die wahre Zierde dieses Lokals allerdings ist das Essen. Als Chef am Herd agiert seit September 2018 ein junger Rheinländer, dessen bisherige Stationen einen erheblichen Aha-Effekt auslösen. Sebastian Jahn, 34, arbeitete – bevor er seiner Freundin nach Berlin folgte – in einigen der besten Restaurants Europas: Chez Dominique Helsinki, Geranium Kopenhagen, Fäviken im schwedischen Järpen.

Der Mann kann also kochen, und das merkt man auch. Seine Gerichte sind fröhlich in der Optik, schnörkellos und kreativ mit der Reduktion auf das geschmacklich Wesentliche.

Dabei verwundert es wahrscheinlich nicht nur mich, dass bisher kaum einer der etablierten Berliner Gastro-Guides das Poulette auf dem Schirm hatte. Für Alexander Sarubo, den Inhaber des Kiezlokals, ist das kein Problem.

„Wir kochen weder für Gastrokritiker noch für Foodfotografen, sondern für Gäste, die Spaß am Genuss haben“, sagte mir Sarubo schon vor ein paar Wochen. Er hat mit seinem Team auch ohne mediale Aufmerksamkeit gut zu tun, denn das Poulette öffnet bereits um 9.00 Uhr, bietet ein passables Frühstück, wartet mit einer respektablen Mittagskarte auf und steigert sich abends dann zur Höchstform.

Zu viel Lob, meinen Sie? Dann empfehle ich Ihnen Jahns signature dish – Taubenbrust mit Schwarzwurzelpüree und buntem Gemüse (siehe Titelbild)

www.dieter-fuhrmann.de

Genuss für unterwegs – GARCON als APP

Restaurant Poulette

Knaackstraße 30-32

10405 Berlin-Prenzlauer Berg

Tel. 030 — 44 03 80 12

www.poulette.de

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