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Ein Jahr quer durchs Beet – Jenny Boidol

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Zu Gast bei Jenny Boidol

Berlin-Neukölln, Wissmanstraße 21. Das schmucklose gegendtypische Neuköllner Mietshaus hat vor einiger Zeit ein bisschen Farbe gesehen und wirkt dadurch weniger trist als seine Umgebung. Eine schmale Ladentür, ein kunterbunt dekoriertes Schaufenster. Dazwischen eine Fahne: Bär von Pappe – Atelier und Shop.
Jenny Boidol begrüßt – coronabedingt – mit Handzeichen. Und auf die Frage, ob ihr Nachname deutsch oder französisch ausgesprochen wird, lacht sie ihr breites, ansteckendes Lachen. „Hat mich noch nie jemand gefragt, alle haben immer ‚Boidol‘ gesagt, Betonung auf der zweiten Silbe, daran habe ich mich gewöhnt. Aber eigentlich ist der Name hugenottischen Ursprungs.“ Also wähle ich die französische Aussprache. Wieder dieses Lachen. „Bitte sagen Sie Jenny.“

Freundliche Begrüßung

Sie hat einen kleinen Tisch aufgebaut, dazu zwei Sessel gestellt. Es gibt Kaffee, Tee, Mineralwasser, Kuchen. Gesten der Freundlichkeit, kleine Weltverbesserungen im Alltag.
Überhaupt diese Freundlichkeit. In einer Zeit, in der wir dazu neigen, andere instrumentell zu behandeln und nur dann freundlich zu sein, wenn es uns nützt, eine schöne persönliche Tugend. Jenny Boidol wehrt ab: „Das ist meine Natur.“

Kreative Ader

Die 33-Jährige ist gebürtige Berlinerin, der das künstlerische Gestalten offenbar in die Wiege gelegt wurde. „Schon in der Kita war ich die, die immer am längsten gemalt, gebastelt und geklebt hat“, erzählt sie. Nach dem Abitur wollte sie eigentlich Kulturwissenschaften studieren, nach einem Praktikum in einer Berliner Werbeagentur entschied sie sich für einen anderen Weg. Bei Dussman in der Friedrichstraße absolvierte Jenny Boidol eine Ausbildung zur Mediengestalterin und schrieb sich dann an der Hochschule für Technik und Wirtschaft ein, Fachrichtung Kommunikationsdesign.
Abschluss wann? Sie lächelt ein wenig verlegen. „Abschluss nein.“ Für die junge Berlinerin kein Problem, eher für ihre Eltern. „Sie haben sich halt heftig Sorgen um meine Zukunft gemacht“, kommentiert sie rückblickend milde.

Frühe Selbstständigkeit

2012 startete Jenny Boidol in die Selbstständigkeit, 25 ist sie da. Auf ihrer Internetseite schreibt sie: „Ich denke mir liebevolle, nachhaltige Papierwaren aus und entwerfe auch gern Logos, Hochzeitspapeterie und vieles mehr.“ Ein freundliches Bärchen wird ihr Markenzeichen, aus alten Schulheften entstehen farbenfrohe Postkarten, es gibt Poster und Babybücher. „Ich bemale alles, was mir in die Finger kommt“, sagt sie. Im Regal steht eine Tasse – darauf, unverkennbar, das Konterfei der mexikanischen Malerin Frida Kahlo. Jenny Boidol bestätigt meinen fragenden Blick. „Ja, sowas.“

Erste Kochbuch-Illustration

„Ein Jahr quer durchs Beet“ ist Jenny Boidols Kochbuch-Erstling. Die Rezepte des 192-Seiten-Bandes stammen von Nicola „Nicky“ Kinghorn und Julia Hofmann. Die beiden jungen Frauen betrieben im Frankfurter Westend bis 2017 gemeinsam Matilda‘s Kitchen. Dann wurde Nicola Kinghorn Mutter, stieg aus und Julia Hofmann führt seitdem den angesagten kulinarischen Ort allein. Den dringenden Wunsch nach einem eigenen Kochbuch hatten die beiden koch- und backverliebten Seiteneinsteigerinnen ins gastronomische Geschäft bereits im Sommer 2015. Sie schrieben ihre Rezepte auf und fanden mit Gerhard Weber einen Fotografen, der ihre Gerichte so ins Bild setzte, dass sie Appetit machen. Außerdem steuerte Weber ein paar intensive Impressionen aus Matilda’s Kitchen bei.

Das gewisse Etwas

Eigentlich hätte das schon gereicht, um den Nutzer vor dem Verhungern oder dem nächsten Treffen mit einem echauffierten Lieferando-Boten zu bewahren. „Aber“, so Nicola Kinghorn und Julia Hofmann, „irgendetwas fehlte uns.“ Und so geschah es, dass Jenny Boidol erst ins Gespräch und dann ins Boot kam. Sie machte aus dem Rezeptbuch mit fotografischen Serviervorschlägen ein herrlich buntes Lieblingskochbuch und schreckte auch nicht davor zurück, einigen der großformatigen Fotos von Gerhard Weber fette Schriften zu verpassen. Das macht aus „Ein Jahr quer durchs Beet“ ein fast privates Küchen-Tagebuch. Chapeau!

www.baervonpappe.com

Ein Buch für Hobbyköche

Corona, das dürfte sicher sein, hat diesen Trend beschleunigt. Immer mehr Konsumenten sind neugierig auf alternative pflanzliche Produkte, werden von Aspekten des Tierschutzes geleitet, sehen geschmackliche Vorteile oder werden von ökologischen Gründen angetrieben, ihr Ernährungsverhalten zu überprüfen.
Wer es damit wirklich ernst meint, bekommt von „Ein Jahr quer durchs Beet“ beste Unterstützung. Die Rezepte des Kochbuches sind geradezu vorbildlich, was ihren Aufbau und die Erklärungen angeht. Hinzu kommt, dass sie unkompliziert sind und ohne Angeberzutaten auskommen, für deren Beschaffung man Ralf Bos kennen oder tagelange Recherchen in Kauf nehmen müsste. Nein, das ist ein Buch für ganz normale Hobbyköche (übrigens nicht nur junge, wie ich finde) mit ganz normaler Kochleidenschaft. Gut so! Mein Freund Uwe hat Flugzeugbau studiert, ist Ingenieur und liebt strukturiertes, algorithmisches Denken. Bei ihm hat alles einen Titel und eine dementsprechende Ordnung. „Ein Jahr quer durchs Beet“ steht in seinem Kochbuchregal in der Kategorie Junge-Leute-Kochbücher – wahrscheinlich, weil seine Töchter auf internationale vegetarisch-vegane Küche stehen.

Vegetarische und vegane Rezepte

Das Rezeptverzeichnis des Bandes weist 75 Positionen aus, 71 davon sind vegetarisch oder vegan und reichen von Banana-Bread und Carrot-Cake über Erdnuss-Falafel, Graupen-Salat und Pfirsisch-Frangipani bis Spargel-Quiche und Zitronen-Hummus. Rezepte, die im Trend liegen, denn einer aktuellen Forsa-Studie zufolge essen nur noch 26 Prozent der Deutschen täglich Fleisch oder Wurst. Rund 55 Prozent aller Befragten verstehen sich als Reduzierer und Flexitarier.

Genuss für unterwegs – GARCON als APP

Ein Jahr quer durchs Beet
von Nicola Kinghorn und Julia Hofmann,
illustriert von Jenny Boidol
192 Seiten in Farbe
Für 29,00 € unter anderem beim atVerlag
ISBN 978-3-946642-08-4

 

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