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Fuhrmanns Früchtekorb: Kohldampf auf Spitzkohl

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Spitzkohl auf dem Vormarsch

Es gibt glamouröseres Gemüse als den Spitzkohl – kein Wunder, dass die Kopfkohlart hierzulande jahrzehntelang als altbackenes Kraut verschrien war. Im Ranking der beliebtesten Gemüsesorten kam sie über einen Platz in der letzten Reihe nicht hinaus. Das änderte sich, als Coleslaw, die amerikanische Variante des Krautsalats und das koreanische Kimchi die deutschen Küchen eroberten. Kohl liegt inzwischen im Trend, Spitzkohl insbesondere. Vor allem jüngere Köche entdecken den kulinarischen Allrounder, der mit seiner zarten Struktur, einem feinen, ganz und gar nicht kohligen Geschmack sowie reichlich gesunden Inhaltsstoffen punktet. So enthalten die kegelförmigen, blassgrünen Köpfe neben reichlich Mineralstoffen jede Menge der Vitamine C, B1 und B2, viel Betacarotin und Eisen.

Seit der Antike bekannt

Der weiße Spitzkohl ist eine besondere Variante des gleichfarbigen runden Kopfkohls. Allerdings besitzt er feinere Blattrispen, zartere Blätter und – wie gesagt – einen milderen Geschmack. Ob er durch Mutation entstand oder durch Züchtung, blieb bisher im Dunkeln. Tatsache ist dagegen, dass bereits die antiken Hochkulturen den Kopfkohl kannten und um seine Heilkraft wussten. Der griechische Philosoph Aristoteles beispielsweise aß das Gemüse, um die Auswirkungen übermäßigen Alkoholgenusses zu mildern. Und der römische Staatsmann Cato hielt es sogar für ein probates Mittel gegen die Pest. Er empfahl aber auch die Wundheilung durch Auflegen von Kohlblättern – eine Methode, die sich bis ins 19. Jahrhundert hielt.

Auch „Spitzes Filderkraut“ genannt

Aus dieser Zeit stammt auch die älteste Abbildung eines Spitzkohls, die ich während meiner Kohlrecherche entdeckte. Sie wurde 1876 in einem Katalog der Erfurter Saatgutfirma Ernst Benary veröffentlicht und dort mit dem Begriff „Spitzes Filderkraut” bezeichnet. Diese Benennung des Spitzkohls geht auf ein traditionelles Anbaugebiet in der Nähe von Stuttgart zurück – die Fildern. Dort, auf einer fruchtbaren Hochebene, wird seit über 500 Jahren Kohl angebaut, sogar ein Denkmal rühmt die regionale Spezialität. Den Wert der spitzen Variante des Filderkrauts beschrieb übrigens erstmals 1772 der Bernhäuser Pfarrer Bischoff: „Was das weiße Spitzkraut besonders geschätzt macht, ist seine feine Zartheit in den Blättern und überhaupt ein besserer Wohlgeschmack, worin es sich von dem in anderen Gegenden Gepflanzten auszeichnet.”

Bedrohte Art

Dennoch wurde mit der Industrialisierung der Gemüseverarbeitung im 19. Jahrhundert auf den Fildern, und nicht nur dort, immer weniger Spitzkohl angebaut. Die Konservenindustrie verlangte runde Köpfe, die sich maschinell besser verarbeiten ließen. Die Folge: Die Anbaufläche von Spitzkohl sank auf den Fildern auf bescheidene 40 Hektar. Um es vor dem endgültigen Aussterben zu bewahren, holte Slow Food das Filder-Spitzkraut 2005 in seine Arche des Geschmacks. Es wurde gerettet, und auch in anderen Regionen wächst inzwischen wieder mehr Spitzkohl.

Steigende Nachfrage

Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und Bayern sind neben Baden-Württemberg die größten deutschen Kohlanbauer. Gemessen an dem, was unsere Nachbarn kultivieren, sind die 1.200 Hektar, auf denen in Deutschland das Gemüse angebaut wird, allerdings Peanuts. Und so wird neben heimischer Ware auch Spitzkohl aus den Niederlanden und Frankreich gehandelt. Tendenz steigend. Das hat damit zu tun, dass sowohl das Kohlgemüse im Allgemeinen als auch der Spitzkohl im Besonderen ihr muffiges Image zunehmend ablegen. Jüngere Köche kennen die Abneigung ihrer kulinarischen Väter gegenüber jeglicher Art Kohl nicht. Sie interpretieren das Gemüse neu, und ihre Gäste sind überrascht, wie vielseitig und modern eben auch der Spitzkohl sein kann.

Viele Varianten

Genannt sei zum Beispiel eine schon vor Jahren im Restaurant Hugos servierte Brandenburger Landente mit Holunderbeeren und Spitzkohl. Neueren Datums ist ein im Café im Literaturhaus in der Fasanenstraße entdecktes Gericht: gepökeltes Eisbeinragout, Jakobsmuschel, Petersilienwurzel, Spitzkohl und Mango-Chutney ¬– ein absolut stimmiger Mix. Ja, was bleibt noch? Natürlich Kimchi. Fans der asiatischen Esskultur lieben die scharfe koreanische Kohlzubereitung ganz besonders, auch wenn sie für europäische Geschmacksnerven vielleicht etwas gewöhnungsbedürftig ist. Und auch dem Barbecue-must-have, dem Coleslaw, lässt sich durchaus etwas abgewinnen – am besten mit einer leichten Mayonnaise und geriebenen Karotten zubereitet.

www.dieter-fuhrmann.de

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