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Fuhrmanns Früchtekorb: Chilis

Feuriges Nachtschattengewächs von Marcus Fuhrmann

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Beim Thema Chilis herrschen viele Unklarheiten, deshalb ist vorab ein bisschen Botanik nötig, aber keine Angst, ich mache es kurz.

Da gibt es zuerst die große Familie der Nachtschattengewächse, zu der eine Reihe von Pfl anzengattungen gehören – etwa die Gattung Solanum, zu der beispielsweise die Tomate zählt oder die Gattung Capsicum, unter der alle Paprika- und Chilisorten rangieren. Schätzungsweise 15.000 bis 30.000 Sorten gibt es davon weltweit, eine genaue Zahl existiert nicht.

Chilis an Pflanze

gelbe Chilis an Pflanze

Peperoni, Paprika, Chilis, oder doch Pfefferoni?

Hinzu kommt eine fast babylonische Verwirrung im deutschen Sprachraum: Hierzu-lande heißen die süßen Sorten Paprika, in der deutschsprachigen Schweiz Peperoni. Spricht ein Deutscher aber von Peperoni, meint er scharfe Paprika.

In Österreich wiederum heißen die Pfefferoni, während Schweizer und Südtiroler in Anlehnung ans Italienische Peperoncini sagen. Um diesem Verbal-Chaos zu entgehen, halte ich es mit dem bekannten österreichischen Landwirt, Pflanzenzüchter und Autoren Erich Stekovics  und anderen Experten: Alle milden und süßen Paprika heißen Paprika, alle scharfen Chilis.

Der Gott des Chilis

Doch wie kamen die Chilis eigentlich zu uns?

Die Heimat der Chilis ist Mittelamerika. Man weiß heute, dass bereits die Azteken Chilis kultivierten und verwendeten. Ihr Herrscher Moctezuma soll sich seinen Kakao mit einem Pulver aus getrockneten und gemahlenen Chilis gewürzt haben, und in der indianischen Mythologie war die Göttin der Chilis nicht ganz zufällig die Schwester des Wassergottes…

Christoph Kolumbus brachte dann als Erster Chilis nach Europa. Eigentlich war der Genueser Seefahrer in spanischen Diensten auf der Suche nach Pfeffer. Als er Chilis fand, notierte er in sein Tagebuch, er sei sicher, nicht das Richtige entdeckt zu haben, dass aber das, was er entdeckt habe, von ähnlicher Wirkung sei. Kolumbus nannte seinen Fund „Pimienta“, eine irreführende Bezeichnung, da Chilis und Pfeffer tatsächlich nichts miteinander zu tun haben. Der Name „Spanischer Pfeffer“ jedoch bürgerte sich ein und sorgt noch heute für Verwirrung. Der so genannte Cayennepfeffer zum Beispiel ist gar kein Pfeffer, sondern Chilipulver.

Chilis-Produktion

Feurige Beliebtheit

Der gegenwärtig größte Produzent und Konsument von Chilis ist Indien, gefolgt von Mexiko, wo die Köche darauf schwören, dass eine wohl dosierte Schärfe andere Aromen nicht abtöte, sondern die Nerven für Geschmacksnuancen erst richtig empfänglich mache.

Deutsche Köche sind da zurückhaltender, dementsprechend gering ist hierzulande der Konsum. Im Gegensatz zu Italien etwa, wo man zunehmend auf den ernährungsphysiologischen Wert der Chilis setzt und den Anbau fördert. Deshalb lade ich Sie ein – nach Camaiore…

„Ihr feiert eure Köche, wir unsere Produkte“, formulierte mein italienischer Freund Manuel süffisant, und wenn ich ehrlich bin, ganz unrecht hat er damit nicht. In Manuels toskanischer Heimat zum Beispiel gibt es kaum ein Lebensmittel, dem nicht ein eigenes Fest gewidmet ist. Manche dieser „Sagre Toscane“ werden seit Jahr-hunderten gefeiert, andere sind jüngeren Datums, alle jedoch wollen auf den Wert heimischer Produkte aufmerksam machen.

Chili auf Menü angerichtet

La Festa Pic, ein Fest für Chilis

Ende April beispielsweise lädt das Örtchen Arcille nahe Grosseto zum Saubohnenfest (La sagra della fava), am 1. Mai folgen in Anchiano nördlich von Lucca das Stockfischfest (La sagra del baccalà) und im nicht weit entfernten Torricchio das Artischockenfest (La sagra dei carciofi). In Lari gibt es das Kirschfest, in Piancastagnaio das Kastanienfest und in Chianni das Wildschweinfest. Manche werden auf Sport-, andere auf Marktplätzen gefeiert, einige nehmen aber auch ganze Städte in Beschlag wie La Festa Pic in Camaiore.

Camaiore ist ein 32.000-Einwohner-Städtchen in der nordwestlichen Toskana, einer Region, die nicht unbedingt für die besondere Schärfe ihrer Küche, wohl aber für den steigenden Anbau und die wachsende Verarbeitung von Chilis (die hier Peperoncini heißen) bekannt ist. Deshalb feiert Camaiore seit 2008 jedes Jahr das Fest der Schärfe, La Festa Pic (pic ist die Kurzform von piccante = scharf, würzig), das inzwischen nach dem Peperoncini-Festival im kalabrischen Diamante zum zweitgrößten seiner Art in Italien aufstieg. 2021 zählten die Organisatoren – trotz Corona-Beschränkungen – rund 15.000 Be-sucher, in diesem Jahr kamen schon wieder doppelt so viele nach Camaiore. In den Straßen und auf den Bühnen im historischen Stadt-zentrum gab es dutzende Stände, an denen Landwirte, Köche und Händler die Kultfrucht in allen nur erdenklichen Varianten priesen. Ihr Motto: „Da sempre piccante“. Für immer scharf.

www.dieter-fuhrmann.de

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