Brandenburger Wurstkunst: Die Fleischerei Baehr
Entdeckt auf dem Brandenburger Schlachtefest
Ein Fest für Regionalität und Handwerk
Fleischereien aus allen Landesteilen präsentierten beim Brandenburger Schlachtefest das Beste aus ihren Sortimenten. Und man sah den Meistern an, wie stolz sie darauf sind. Einerseits bewahren sie alte Rezepte, andererseits verfolgen sie auch neue Ideen – wie im Fall der Bergsdorfer Hanfsalami oder der Gut Hesterberger Leberpastete mit Preiselbeeren und Mandeln. Zu den Spezialitäten, die uns am meisten überzeugten, gehört die Fermerswalder Rauchwurst aus der Fleischerei Baehr in Fermerswalde, einem Ortsteil des Städtchens Herzberg im Brandenburger Landkreis Elbe-Elster.
Das Brandenburger Schlachtefest ist eine Traditionsveranstaltung, deren 26. Ausgabe am vorletzten Oktoberwochenende in Paaren im Glien stattfand und 12.000 Besucher anzog. Der ausrichtende Verband pro agro hatte die diesjährige Leistungsschau des Fleischerhandwerks Brandenburgs und anderer regionaler Produzenten unter das Motto „Regional einkaufen – Heimat stärken“ gestellt. „Damit wollten wir deutlich machen“, so pro agro-Geschäftsführer Kai Rückewold, „dass dieses Schlachtefest mehr als nur eine große Party ist, sondern vor allem ein Plädoyer für mehr regionales Bewusstsein bei unseren alltäglichen Einkäufen, was wiederum als Grundvoraussetzung für die Lebensfähigkeit unserer Regionen, für die Attraktivität des ländlichen Raumes gilt.“
Fleischereien aus allen Landesteilen präsentierten beim Brandenburger Schlachtefest das Beste aus ihren Sortimenten. Und man sah den Meistern an, wie stolz sie darauf sind. Einerseits bewahren sie alte Rezepte, andererseits verfolgen sie auch neue Ideen – wie im Fall der Bergsdorfer Hanfsalami oder der Gut Hesterberger Leberpastete mit Preiselbeeren und Mandeln. Zu den Spezialitäten, die uns am meisten überzeugten, gehört die Fermerswalder Rauchwurst aus der Fleischerei Baehr in Fermerswalde, einem Ortsteil des Städtchens Herzberg im Brandenburger Landkreis Elbe-Elster.
Die Geheimnisse der Fermerswalder Rauchwurst
Essenziell für unsere Rauchwurst aus 70 Prozent Schwein und 30 Prozent Rind ist eine Gewürzmischung, die wir selbst entwickelt haben und die für den besonders kräftigen Geschmack sorgt“, erklärt Fleischermeister Egbert Baehr. Der 59-Jährige, gebürtig in Torgau, wuchs im Dörfchen Fermerswalde im Süden Brandenburgs auf, beendete im nahen Herzberg die Schule und absolvierte im noch näheren Falkenberg die Fleischerlehre in einem Privatbetrieb. „Facharbeiter für Fleischerzeugnisse hieß der Beruf damals in der DDR“, sagt er, „warum, keine Ahnung.“
Anfang Oktober 1989 bestand er vor dem Prüfungsausschuss der Handwerkskammer Cottbus die Meisterprüfung im Fleischerhandwerk. „Die Urkunde ist zwar am 7. Oktober ausgestellt“, sagt er und zeigt auf den gerahmten Meisterbrief, „aber es muss wohl ein, zwei Tage davor gewesen sein, denn der 7. Oktober war ja damals in der DDR ein Feiertag.“ Er grinst. „Republikgeburtstag, 1989 der vierzigste und letzte übrigens.“ Der Mauerfall, das Ende der Deutschen Demokratischen Republik, schließlich die Wiedervereinigung bestimmten auch den weiteren Lebensweg des damals 24-jährigen Jungmeisters.
Egbert Baehr heuerte bei der auf Geflügelprodukte spezialisierten Delko GmbH in Falkenberg an. Die Firma war von der niederländischen Plukon Food Group übernommen worden, einem der größten Hähnchenproduzenten Europas. Er stieg zum Produktentwickler auf und hätte sicher weiter Karriere machen können. Im April 2002 jedoch schloss die Gruppe das Werk in Falkenberg und verlegte Produktion und Verwaltung ins 75 Kilometer entfernte Döbeln. Für Baehr stand ein Umzug dorthin nicht zur Debatte und so entschloss er sich, eine eigene Fleischerei zu gründen.
Innerhalb von gut sieben Jahren baute er auf dem Hof seines Elternhauses in Fermerswalde einen Betrieb auf, der – was seine Ausstattung und die damit geschaffenen Arbeitsbedingungen betrifft – mindestens höheren, wenn nicht sogar höchsten Ansprüchen genügt.
Fermerswalde, ein winziger Ort im Südwesten Brandenburgs, gehört als einer von elf Ortsteilen zur Kreisstadt Herzberg (Elster). Das Dörfchen zählt rund 140 Einwohner, zumeist ältere Leute – mit Laufkundschaft kann Meister Baehr da nicht rechnen. Deswegen ist sein Laden auch nur freitags geöffnet, „in erster Linie für die Dorfbevölkerung“, sagt Egbert Baehr.
Weil davon eine so stattliche Fleischerei natürlich nicht leben kann, setzte der Meister von Anfang an auf ein anderes Geschäftsmodell: „Wenn der Kunde nicht zu dir kommt, musst du eben zum Kunden gehen.“ Inzwischen beliefert er diverse Supermarktketten ebenso wie eine Reihe von Kantinen, betreibt in Herzberg einen stationären Verkauf und hat zudem ein „Überlandfahrzeug“ am Start, das wochentags die umliegenden Dörfer abklappert. „Da sind nicht nur Wurst- und Fleischwaren an Bord, sondern auch solche Sachen wie Katzenfutter und Klopapier.“
Qualität ohne Kompromisse
Egbert Baehr und seine zumeist langjährigen Mitarbeiter sind kompromisslose Qualitätsverfechter. Was ihren Ansprüchen nicht genügt, kommt auch nicht in den Verkauf. Das Sortiment ist klein, klassisch und überzeugend bodenständig – wer Lakritz-Salami oder Trüffel-Wiener sucht, sucht hier vergebens.
Dafür ist die Grützwurst preisverdächtig und die Semmelleberwurst zum Niederknien. Die Sülzwurst punktet mit kräftiger Würzung, die Schinkenspezialitäten zeugen von souveräner Handwerkskunst.
Für Hardcore-Karnivoren gibt es Wurstbrühe sowie Kopf- und Wellfleisch. Für Kunden mit wenig Zeit bietet die Fleischerei ein großes Sortiment an verzehrfertigen Gerichten im Glas an – Rindsrouladen, Königsberger Klopse, Sauerbraten und Soljanka beispielsweise. Blitzsauber gekochte Gerichte, Hausmannskost at its best. Meister Egbert Baehr gibt das Lob an Corinna Behrendt weiter, gelernte Köchin und schon seit Eröffnung der Fleischerei bei Baehr an Bord.
Herausforderungen durch steigende Kosten in der Fleischverarbeitung
Das Fleisch, das er verarbeitet, stammt ausschließlich aus der Region und von artgerecht gehaltenen Tieren. „Die Geschmacksqualität der Wurst hängt davon ab, wie das Tier gelebt, was es gefressen hat und wie es geschlachtet wurde“, so Egbert Baehr. Was Letzteres betrifft, muss er sich seit diesem Jahr auf einen nahen Schlachthof verlassen – bis zum Frühjahr hat er noch selbst geschlachtet, doch seitdem steht sein modernes, nach allen Richtlinien zertifiziertes Schlachthaus leer (lediglich so genannte Lohnschlachtungen werden hier noch vorgenommen). „Der Grund“, so Baehr, „sind die enormen Kostensteigerungen – bei Veterinärdienstleistungen um rund 50 Prozent, bei der Entsorgung von Schlachtabfällen um 120 Prozent, und auch die Energiekosten sind um etwa 30 Prozent gestiegen.“ Ein Schlachthof könne das noch einigermaßen abfedern, erklärt der Meister, er allerdings müsste das komplett auf den Warenpreis umlegen. „Dann würde die Bockwurst unbezahlbar“, sagt er.
Bereits bei unserem Besuch in Fermerswalde hatte uns Egbert Baehr mit stolz geschwellter Brust seine jüngste Errungenschaft gezeigt: einen Grillhänger, der schon äußerlich viele vergleichbare Streetfood-Mobile locker in den Schatten stellt. Dass er das auch innerlich tut, davon konnten wir uns ein paar Tage später auf dem Werderaner Tannenhof überzeugen. Piekfein das Ganze und bestens ausgestattet – das war nicht nur unser Eindruck, so lobten auch viele Besucher des vorweihnachtlichen Marktes den Baehrschen Imbisswagen. Kein Wunder, dass der Meister und sein Team bei Festveranstaltern und Marktbetreibern längst eine feste Größe sind.
Übrigens: Erster Gast am Stand von Egbert Baehr an diesem Tag war Rachel van Liere, Glaskünstlerin und amtierende Glasprinzessin aus dem thüringischen Lauscha. Auch sie lobte den Stand, noch mehr aber Baehrs Bratwurst: „Die kann dem Thüringer Original durchaus das Wasser reichen!“