Thomas Dohnows – der Selfmademan

„Ich bin ein Stino“, sagt Thomas Dohnow zu Beginn unseres ersten Gesprächs. „Wissen Sie, was ein Stino ist?“ Die Antwort liefert er gleich selbst: „Ein stinknormaler Mensch.“

Wenn Dohnow damit meint, dass er einen ordentlichen Beruf gelernt hat, ein geregeltes Familienleben führt, ein Haus gebaut, einen Baum gepflanzt und Kinder gezeugt hat, dann mag er möglicherweise richtig liegen. Alles andere in seinem Leben allerdings ist das ganze Gegenteil von stinknormal. Thomas Dohnows Karriere klingt eher nach amerikanischem Traum. 1961 in Waren/Müritz geboren, Schule, Lehre, Arbeit als Techniker auf dem Milchhof seiner Heimatstadt. Wäre die Wende nicht gekommen, würde er wahrscheinlich heute noch Ersatzteile organisieren; improvisieren, wenn es keine gibt und Maschinen reparieren. Doch die Wende kam – und Dohnows charakterliche Eigenschaften und fachliche Fähigkeiten waren in der Überflussgesellschaft genauso gefragt wie im DDR-Mangelstaat.

Der volkseigene Betrieb, in dem er tätig war, wurde privatisiert. Thomas Dohnow managte fortan den Einkauf, wurde dann Verkaufsleiter. Zur Milch kamen weitere Getränke, alkoholische und alkoholfreie. Er baute einen effektiven Vertrieb auf, avancierte schließlich zum Geschäftsführer. „Erfolg braucht Leidenschaft“, kommentiert er heute seine damaligen 16-Stunden-Arbeitstage. Und sicher auch jene Ur-Mecklenburger Eigenschaften wie Gelassenheit, Geradlinigkeit und Zuverlässigkeit, gemischt mit einem Schuss Sturheit.

„Die einfachen Aufgaben kann jeder erledigen“, sagt Dohnow und fügt mit einem Abstecher ins Philosophische hinzu: „Nur das Nachhaltige glänzt lange.“ Dass Dohnow den Wechsel vom Technik- zum Vertriebs-Profi ohne das sonst übliche Managertraining – Ziel: Entwicklung von Hau-Ruck-Optimismus – problemlos meisterte, mag auch mit einer anderen Leidenschaft des Managers zu tun haben. Thomas Dohnow ist Schachspieler, seit seiner Kindheit. Wenn er mit Kollegen aus seiner Branche gelegentlich darüber plaudert und ein mitleidiges Lächeln erntet – „Was, Sie sind kein Golfer?“ – zitiert er gern mal Arthur Schopenhauer: „Das Schachspiel überragt alle anderen Spiele so weit wie der Chimborasso einen Misthaufen.“

Tatsächlich ist Schach sowohl Spiel als auch Sport, gleichzusetzen mit den körperlichen und geistigen Anstrengungen etwa eines Dressurreiters. Wenn Dohnow dann noch die Geschichte des indischen Weisen erzählt, der sich von seinem König als Lohn dafür, dass er ihn das Schachspielen lehrte, Weizenkörner erbat – eins auf dem erste Feld des Schachbrettes und auf jedem weiteren der 64 Felder die doppelte Anzahl der auf dem vorherigen Feld liegenden Körner – wird der Wert des Spieles etwa für die Schulung von strategischen Fähigkeiten deutlich. (Sie können es auch nachrechnen: der weise Lehrer hätte 18 Trillionen, 446 Billiarden, 744 Billionen, 73 Milliarden, 709 Millionen, 551 Tausend und 615 Körner bekommen – genug, um etwa ganz England mit einer zwölf Meter dicken Schicht Weizen zu bedecken.)

So weit, so gut.

Dohnows Fähigkeit, Unternehmen zu führen, sprach sich herum, ebenso seine Marktkenntnis in der Getränkebranche. Kein Wunder also, dass bald ein Angebot aus Berlin auf seinem Schreibtisch lag. Der damals 31-Jährige beriet sich mit seiner Familie. Gemeinsam fällten sie die Entscheidung für die Hauptstadt. 1992 übernahm Thomas Dohnow die Geschäftsführung des 1902 gegründeten Traditionsunternehmens Bierpark Münchhagen. Seine Frau und die beiden Kinder blieben in Mecklenburg. Dohnow pendelte.

Mindestens einmal in der Woche Berlin – Waren und zurück, rund 350 Kilometer immerhin. „Kein Problem“, sagt er, „die Stadt an der Müritz ist meine Heimatscholle, hier bin ich aufgewachsen, hier fühle ich mich zu Hause.“ Dazu kommt wohl auch die Erkenntnis des Managers, dass man berufliche Ziele nie über die Dinge stellen sollte, die daneben auch noch wichtig sind. „Wenn man das verstanden hat, kann man selbst den schwierigsten Job meistern.“

2008 begann für Thomas Dohnow wieder eine neue Lebensphase. Ein Jahr nach der Fusion der Bierpark Münchhagen GmbH mit der Fritz Preuss Bier-Import GmbH unter dem Dach der Radeberger Gruppe zu einem der größten Getränkefachgroßhändler Deutschlands wurde er zum Geschäftsführer des neuen Unternehmens berufen. Zahlen belegen die Dimensionen: 120 Mitarbeiter, 5000 Produkte – „alles, was man trinken kann“, 2000 Kunden in Berlin und Brandenburg – von den Nobelhotels Adlon, Grand Hyatt und Palace über Bars, Bistros und Cafés bis zu Ausflugslokalen, Biergärten und Eckkneipen.

Dabei ist die Getränke Preuss Münchhagen GmbH, so der neue Firmenname, weit mehr als nur ein Lieferant von Bier, Brause und Co. „Wir entwickeln gemeinsam mit unseren Kunden zukunftsfähige Konzepte, informieren über Trends und beraten bis ins Detail. Wir helfen auch in Fragen der Finanzierung, gleich, ob es sich um ein neues Ausschanksystem, eine Leuchtwerbung oder eine komplette Restauranteinrichtung handelt“, erläutert Dohnow das Leistungsspektrum des Unternehmens.

Neben dem Schreibtisch im Geschäftsführer-Büro an der Weißenseer Indira-Gandhi-Straße hängt ein gerahmter Spruch: Mein Gehalt zahlt der zufriedene Kunde. „Zufriedenheit“, sagt der Geschäftsführer, „ist kein ewiger Zustand, sondern muss täglich bestätigt werden.“ Dafür hat Thomas Dohnow nun zwei Personalentscheidungen getroffen, die er „von Tragweite“ nennt. So will er dem wachsenden Weinmarkt in der Hauptstadt – die Berliner liegen mit einem Pro-Kopf-Verbrauch von 22 Litern bereits zwei Liter über dem Bundesdurchschnitt – mit mehr Kompetenz Rechnung tragen. Claus Niebuhr, ein anerkannter Weinexperte, hat die Aufgabe dieser Tage übernommen.

Außerdem wird ein Trend-Scout das Preuss-Münchhagen-Team verstärken. „Am besten ein junger Mann oder eine junge Frau, die in der Berliner Szenegastronomie recherchieren soll, welche Getränke dort ,in‘ sind“, so der Geschäftsführer. Ein Sonntag Ende August. Wir sitzen in Waren, am Nordufer der Müritz. „Hier hast du eine ganz andere Normalität, hier herrscht ein völlig anderes Tempo“, sagt Thomas Dohnow. „Hier kannst du Kraft tanken.“

Montag morgen hat ihn die hektische Großstadt wieder. Ein Samstag Ende August. Der Himmel ist bedeckt, dann und wann Nieselregen. Wir begleiten Thomas Dohnow nach Waren an das Nordufer der Müritz. Während der Fahrt sprechen wir über den hartumkämpften Berliner Getränkemarkt, über den Wettbewerb der fünf Branchenriesen, über Kundenerwartungen und Händlerchancen. „Heute beißen sie“, sagt Dohnow plötzlich trocken. „Wer beißt?“ „Die Barsche.“

Kein Zweifel, der Manager ist angekommen.

In der Fischerklause am Hafen trifft er sich mit seinem Freund Jens-Peter Schaffran, dem Chef der Müritzfischer, auf ein Bier und ein paar frisch geräucherte Maränen. Die Männer sind sich einig: „Hier hast du eine ganz andere Normalität, hier herrscht ein völlig anderes Tempo. Hier kannst du Kraft tanken.“

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